VI, Allgemeine Besprechungen 1, 6, Otto Fröhlich, Seite 7

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Herboth zeigt in der „großen Szene“, was alles in ihm steckt: Komödiant, Kind
und vielleicht ein wenig Diaboliker ist er. Schließlich fragte sich unser Dichter:
„Wenn schon der Fernerstehende seinen Nebenmenschen nicht kennt, vermag das
am Ende das Ehepaar, das Jahr für Jahr miteinander lebt?“ Eckhold und Klara
geben die Antwort auf diese Frage: „Keiner kennt den andern, jeder ist allein.“
Schnitzlers Schöpfungen repräsentieren gewiß ein Stück Geschichte der mensch¬
lichen Seele; sind aber auch ein Abbild des ewigen, menschlichen Strebens, Höhen
und Tiefen des Daseins zu durchmessen. Der Dichter gilt als ein Neuromäntiker;
ich wehre mich grundsätzlich gegen die Rubrizierung der Künstler. Wir haben uns
höchstens zu fragen, ob eine Erscheinung wie Arthur Schnitzler es ist, gerade
damals verständlich war als sie auftauchte. Und da glaube ich ohneweiters mit „ja“
antworten zu können. Die Freude an der Wirklichkeit war geweckt, desgleichen
der Sinn für das Rein-Menschliche. Der Motivenkreis der Dichtung wird immer ein
beschränkter bleiben und die Liebe stcht seit Jahrtausenden im Mittelpunkt jedes
großen Kunstwerkes. Nicht um das „Was“ handelt es sich, sondern um das „Wie“;
und da spricht eben die Persönlichkeit des Autors das Nachwort. Schon Alfred
Kerr betonte vor Jahren, daß die Probleme Schnitzlers der Nachwelt vielleicht klein¬
lich erscheinen werden; ist doch immer wieder vom psychischen Erlebnis die Rede,
niemals von weltbewegenden Begebenheiten. Richtig; aber dasselbe ließe sich wohl
von „Faust“ oder „lphigenie“ behaupten, die Hauptsache bleibt stets der Gewinn,
den man einheimst und nur, wo keiner zu holen ist, mag man ein Verdammungs¬
urteil fällen. Jeder Gebildete hat seine Lieblingsdichter; viele werden Schnitzler zu
weich, zu grüblerisch finden. Darüber läßt sich nicht streiten. Er hat uns gelehrt,
den Menschen ins Tierg zu scheuen; da entdecken wir manches Schlimme, vieles
Gute. Mögen auch die menschlichen Beziehungen schwankend sein, wir trachten
doch immer aufs Neue zu einander. Mag man Schein und Wirklichkeit bisweilen
nicht zu trennen vermögen, in schweren Augenblicken allein sein; was wir erlebten,
bleibt doch unser Besitz und schön ist es, zu leben, zu lieben und zu leiden.
SHAKESPEARE-BACON.
VON
JOHANNES SCHLAF (WEIMAR).
iu Hofrat Holzers umfangreichen Aufsatz „Zur Shakespeare-Frage“ in
der Nummer vom 15. März habe ich nichts weiteres zu äußern. Nur
so viel, daß er gänzlich vermieden hat, auf das einzugehen, was die
Hauptsache meines Aufsatzes war: die Handschrift-Angelegenheit.
Nochmals also: Die (recht reichliche) Probe, die uns das überkommene Testa¬
ment Shakespeares von dessen Handschrift bietet, stimmt auf das genaueste überein
mit der Handschrift des „Promus“-Manuskriptes, dessen Urheber also unmöglich
(wie die Anhänger Bacons wollen) Bacon sein kann. Auch das Northumberland¬
Manuskript kann, da es auch seinerseits die Handschrift des Testamentes zeigt,
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