VI, Allgemeine Besprechungen 1, 7, Josef Karl Ratislav, Seite 6



1. Panphlets offprints
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„Die Quelle“
Heft 9 u. 10
tatsächlich wenige Wochen darauf verstorben ist.
die Lichter spiegeln ... Nun, solch ein Abend
Aber dies gehört nicht her.
Nun, Anna
war es an jenem Mittwoch, und Fritzi war
war allein. Und als ich zurückkam, fand ich meine
plötzlich fort, unb meine Anna war allein -
Frau zu Bett liegen — jawohl, vor Aufregung,
mit einem Male allein .. . wer begreift nicht, daß
vor Sehnsucht... was weiß ich! lag sie dar¬
sie unter diesen Umständen ein ungeheures Grauen
nieder. — Und ich war doch nur drei Tage
vor diesen Riesenmenschen mit den glühenden
fort gewesen. So sehr liebte mich meine Frau.
Augen und den großen schwarzen Bärten emp¬
Und ich mußte mich gleich an ihr Bett setzen und
finden mußte? ... Zwei Stunden lang wartete
mir erzählen lassen, wie sie die drei Tage verbracht
sie auf Fritzi und hoffte immer, daß sie wieder¬
hatte. Und ohne daß ich sie erst fragte, erzählte
kommen würde, endlich wurden die Tore ge¬
sie alles. Ich notiere es hier mit der in diesem
schlossen, da mußte sie gehen. So war es. Dies
Falle erforderlichen Genauigkeit. Montag war
alles erzählte mir Anna in der Frühe, als ich
sie den ganzen Vormittag zu Hause gewesen,
an ihrem Bette saß, wie ich schon früher bemerkt
Nachmittag aber ging sie mit Fritzi — so nennen
habe... sie hatte die Arme um meinen Nacken
wir ihre ledige Schwester, ihr Taufname ist
geschlungen und zitterte, ihre Augen waren ganz
Friederike
mit Fritzi in die innere Stadt,
trüb, ich selber bekam Angst, und dabei wußte
Einkäufe besorgen. Fritzi ist verlobt mit einem
ich an diesem Tag noch nicht, was ich später
sehr braven jungen Mann, der nun eine Stellung
wußte, so wenig als sie. Denn hätte ich gewußt,
in Deutschland hat, und zwar in Bremen in
daß sie bereits unser Kind unter dem Herzen
einem großen Handlungshaus, und Fritzi soll
trage, dann hätte ich nie und nimmer gestattet, daß
ihm bald nachkommen, um seine Frau zu werden.
sie mit Fritzi an einem nebeligen Abend in den
Doch auch dies ist nebensächlich. Ich weiß es
Prater ginge und sich allerlei Gefahren aussetzte.
sehr wohl. Dienstag verbrachte meine Frau den
Denn für eine Frau in solchem Zustand ist alles
ganzen Tag zu Hause, denn es regnete.
Gefahr... Freilich, wenn Fritzi sich nicht ver¬
Auch auf dem Lande, bei meinen Eltern,
loren hätte, so wäre meine Frau nie und nimmer
regnete es an diesem Tage, wie ich mich genau
in eine so entsetzliche Angst geraten; aber dies
erinnern kann.
war eben das große Unglück, daß sie so allein
Dann kam der Mittwoch. An diesem Tag
war und um Fritzi zitterte ...
gingen meine Frau und Fritzi gegen Abend in
Nun ist ja alles vorüber und ich werfe auf
den Tiergarten, wo Neger ihr Lager aufgeschlagen
niemand einen Stein. Aber ich habe dies alles
hatten. Hier füge ich bei, daß ich selbst diese
aufgeschrieben, denn ich finde es notwendig, daß
Leute später gesehen habe, im September nämlich,
diese Sache völlig klar gestellt werde. Würde ich
und zwar ging ich mit Rudolf Bittner hinunter,
das nicht tun, wer weiß, ob die Leute in ihrer
mit ihm und seiner Frau, an einem Sonntags¬
Erbärmlichkeit nicht endlich noch sagten: er hat
abend: Anna wollte durchaus nicht mit, ein
sich umgebracht, weil seine Frau ihn betrogen
solches Grauen war ihr zurückgeblieben seit jenem
hat... Nein, ihr Leute, nochmals, meine Frau
Mittwoch. Sie sagte mir, niemals in ihrem Leben
ist treu, und das Kind, das sie geboren hat, ist
habe sie ein solches Grauen empfunden als an
mein Kind! Und ich liebe sie beide bis zum
jenem Abend, da sie allein bei den Negern war ...
letzten Augenblick. In den Tod treibt nur ihr
Allein, denn Fritzi hatte sie plötzlich verloren...
mich, ihr alle, die ihr zu armselig oder zu bos¬
Es ist mir nicht möglich diese Tatsache zu ver¬
haft seid zu glauben oder zu verstehen. Und je
schweigen. Nun, ich will gegen Fritzi nichts sagen,
mehr ich zu euch reden und versuchen würde,
da dieses mein letzter Brief ist. Aber hier scheint
euch den Vorfall wissenschaftlich zu erklären ...
es mir am Platze, an Fritzi die ernste Mahnung
ich weiß es ja, um so mehr würdet ihr höhnen
zu richten, ihren Bräutigam nicht zu kränken, da
und lachen, wenn auch nicht vor mir, so hinter
dieser als anständiger Mensch darüber sehr un¬
meinem Rücken — oder ihr würdet gar sagen:
glücklich wäre. Leider aber bleibt es eine Tatsache,
„Thameyer ist wahnsinnig“. Nun ist euch das
daß an jenem Abend, Herr ... doch wozu soll
genommen, meine Verehrten, ich sterbe für meine
ich hier einen Namen niederschreiben ... kurz und
Überzeugung, für die Wahrheit und vor allem
gut, mit diesem Herrn, den ich sehr wohl kenne
für die Ehre meiner Frau; denn wenn ich tot
und der sich nicht des besten Rufes erfreut, ob¬
bin, werdet ihr meine Frau nicht verhöhnen und
zwar er verheiratet ist, verlor sich Fritzi an jenem
werdet über mich nicht lachen; ihr werdet ein¬
Abend, und meine arme Frau war plötzlich allein.
sehen, daß es solche Dinge gibt, wie sie Hamberg,
Es war ein nebeliger Abend, wie sie im Spät¬
Heliodor, Malebranche, Welsenburg, Preuß, Lim¬
sommer zuweilen vorkommen; ich für meinen
böck und andere berichten.
Teil gehe niemals abends ohne Überrock in den
Auch du, liebe Mutter — wahrhaftig, du
Prater... ich erinnere mich, daß da auf den
mußtest mir nicht die Hand drücken, als wäre
Wiesen oft graue Dämpfe liegen, in denen sich
ich zu bedauern! Du wirst jetzt doch meine Frau