VI, Allgemeine Besprechungen 2, Marcel Salzer Programmheft, Seite 2

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ist ohne Nachfolge geblieben. Nur seinemtungen und Scizzen, und zwar von Ernst mit lebhaftestem Reifall für seine
Feinde und glücklicheren Nebenbuhler Richard
von Wildenbruch: „Das Orakel“; Theodor
hervorragende Leistung gedankt.
d Dr.
Wagner ist es auf musikalischem Gebiete ge¬
Fontane: zwei Balladen; Hermann Bahr:
Wir hoffen, ihn bald im Wupperthal
gauf
lungen, dem Volke die alten Heldengestalten
„Die schöne Frau“, eine Wiener Humoreske;
wiederzuschen!
wieder lieb und werth zu machen. Was
Detlev von Liliencron: „Der Narr“; Peter
Berlin, Das Magazin für Litteratur
wir sonst an epischer Dichtkunst haben, die
Altenberg: „Ein schweres Herz“, und Her¬
(5. 2. 98). (Dr. Rudolf Steiner und Otto
Werke von Scheffel, Julius Wolff u. A., sind
mann Sudermann: „Des Hausfreunds Syl¬
Erich Hartleben.) Freie litterarische
keine Epen im technischen Sinne, sondern
vesterbeichte. Den zum Theil frei aus dem
Gesellschaft in Berlin. Freitag, den
historische Romane in Versen. Die specifisch
Gedächtniss und meisterhaft vorgetragenen
28. Januar, hatte die freie litterarische Ge¬
moderne Kunst hat einen eigentlichen gross¬
Recitationen folgten die Zuhörer mit ge¬
sellschaft Gelegenheit, einen ausgezeichneten
artigen epischen Versuch nicht mehr hervor¬
spanntester Aufmerksamkeit. Beiden Vor¬
Recitator kennen zu lernen. Marcell Salzer
gebracht. Nur ein Ansatz muss genannt
tragenden dankte das Publikum durch leb¬
las Dichtungen und Prosaschöpfungen der
werden: Heinrich Hart, der Westfale, der mit
haften Beifall.
Wiener Autoren. Er hat eine — Hermann
seinem Bruder Julius zusammen 1882 einer
Bahr würde in seinem Wienerisch sagen —
III. Das moderne Drama.
der Ersten war, die den Kampfruf der neuen
gemüthliche Art, sich in die artistisch feinen
Richtung ertönen liessen, hat sich an dem
Barmer Zeitung (12. 11.99). Der dritte
und amüsanten Dinge Schnitzler’s, Morgen¬
Wiederautbau nach dem Bildersturm be¬
und letzte der von Herrn Dr. W. Bloem und
stern’s und Bahr’s einzuleben und sie so
theiligt, er hat ein grosses Epos projectirt:
Herrn Marcell Salzer veranstalteten Vortrags¬
wiederzugeben, dass dem Wiener, der ihn
„Das Lied der Menschheit“, das auf 24 Bände
abende behandelte die moderne Dramatik.
hört, ganz heimisch zu Muthe wird. Aber
berechnet war und von dem auch einige
Ein zahlreiches Herren- und Damenpublikum
mir scheint, Salzer’s Talent geht noch
m1
Bände erschienen sind. Er hatte vor, die
hatte sich eingefunden und lauschte zunächst
weiter. Er ist als Recitator ein wirklicher
erech
ganze Entwickelung der Menschheit in Bildern
mit gespanntester Aufmerksamkeit den Aus¬
Künstler. Das ist gar nicht so leicht. Denn
stände
auszuführen. Das Gedicht ist nicht fertig
führungen des Herrn Dr. Bloem, der in
dem Recitator wird es schwer, Künstler zu
lung.
und wird wohl auch nicht fertig werden.
grossen Zügen, die aber in geistvoller Weise
sein. Der Kreis seiner Mittel ist nur ein
sich
Ein anderer Zweig epischer Versdichtung, die
fesselnder Einzelheiten nicht entbehrten, die
geringer. Wort und Wortnuancirung kommen
sätze
Ballade, wird von unseren Modernen nicht
Entwicklung des modernen Dramas und vor
im Grunde allein in Betracht. Will der Re¬
ich¬
gepflegt. Erwähnt muss noch werden, dass
Allem das Aufkommen des realistisch-natura¬
citator mit anderen Mitteln wirken, so wird
der
Theodor Fontane der einzige von den Alten
listischen Tendenzdramas schilderte. E. v. Wil¬
er aufdringlich. Seine Kunst gehört zu den
egen¬
gewesen ist, der mit vollem Herzen und
denbruch gehört noch der älteren, an Schiller
intimsten, die es giebt. Ich fand bei Vor¬
dem
jugendfrischer Kraft in das Lager der Mo¬
und Kleist anknüpfenden Richtung an; der
lesungen aus den Werken der genannten
dernen übergesiedelt ist und alle die An¬
Mann, der revolutionirend wirkte, war der
Autoren, dass Marceli Salzer sich in den
regungen, die die neue Dichtung dem Schaffen
neue Magus des Nordens, Henrik lbsen, auf
Grenzen seiner Kunst hält und innerhalb
Déca¬
seiner Greisenjahre gegeben, zu von durch¬
dessen negativ - kritische Weltbetrachtung
dieser Grenzen Vorzügliches leistet. Die aus
aus modernem Geist getragenen Schöpfungen
Redner an der Hand einzelner Dramen näher
dem Wienerthum herausgeborenen Skizzen
der
verwerthet hat. Im Uebrigen wurde die
einging. Von lbsen stammten jene Forde¬
Schnitzler’s, Bahr’s und Morgenstern’s sind
epische Versdichtung vollständig zurück¬
rungen, die bald darauf auch im deutschen
bis auf die reizvolle Andeutung des Dialects
gedrängt durch die epische Prosadichtung:
hinein echt wiedergegeben worden. Cabinet¬
Drama ihren Widerhall fanden: das Recht
durch Roman, Novelle und Skizze. Der
stücke Salzer’s Kunst waren die Proben von
der individuellen Sittlichkeit und die Forde¬
Roman giebt in grossartig angelegter Schil¬
Schnitzler, Bahr und Morgenstern —
rung des Auslebens der eigenen P’ersönlich¬
derung zugleich ein Weltbild, ein nach allen
Berliner Fremdenblatt (30. 1. 98). Die
keit. Was bei dem nordischen Meister noch
Richtungen hin vielseitiges Bild eines ganzen
freie Litterarische Vereinigung veranstaltete
kritisch gebunden war und sich in seinen
Gesellschaftszustandes einer bestimmten Zeit
letzten Werken bis zur Anerkennung des
Freitag Abend in den Victoriasälen einen
und löst auf dem Hintergrunde dieser Zu¬
Marcell Salzer-Abend. — Speciell die No¬
einen Ideals der Entsagung auswachsen
standsschilderung zugleich eine Gewissens¬
velle: „Das Pferd“ von Chr. G. Morgenstern
konnte, zerflatterte in deutschen Köpfen zu
frage der Menschheit, die Frage: Wie hat
und die Humoreske: „Die schöne Frau“ von
leeren Phantastereien und verschmolz sich
der sittliche Mensch in dem und dem Con¬
Hermann Bahr fanden allgemeinen Beifall.
gleichzeitig mit geradezu widersprechenden
Der Herr Vortragende musste wiederholt das
flict der Pflichten sich zu verhalten? Das ist
Ideengängen. So wirbelte der sittliche Indi¬
das Ideal des Romans. Dem gegenüber stellt
Podium betreten, um sich für den lang an¬
vidualismus bald mit dem materialistischen
dauernden Beifall zu bedanken.
sich die Novelle als Schilderung einer ein¬
Socialismus in tollem Tanz durcheinander,
Berliner Fremdenblalt (9. 4. 97). Die
zigen interessanten Begebenheit, eines ein¬
und den Niederschlag dieser Widersprüche
zelnen interessanten menschlichen Schicksals.
jungen Wiener Poeten können sich beglück¬
finden wir bei Niemand stärker als bei
Tritt das Handlungselement in einer solchen
wünschen zu dem genialen Interpreten ihrer.
Gerhart Hauptmann, dem Führer des deutschen
Mlusenkinder (H. W. Breslau).
Schilderung zurück gegenüber der Schilderung
Naturalismus im Drama. Der Charakteristik
Berliner Börsen -Courier (11. 4. 97).
eines einzelnen Seelenzustandes oder zurück
dieser in unserer Litteratur zweifellos einzig
gegenüber der Schilderung eines einzigen Ge¬
Die Jungwiener Dichtungen wurden von
dastehenden Persönlichkeit schickte der
sellschaftszustandes, dann haben wir nicht
Herrn Marcell Salzer so meisterhaft, mit so
Redner eine feinsinnige Darstellung der
mehr die Novelle, sondern die Skizze. Diese
ausserordentlicher Gestaltungskraft inter¬
Theorie des naturalistischen Dramas voraus,
pretirt, dass der Abend mit einem grossen
Skizze wird besonders gepflegt von den Im¬
wobei er Stoffwahl und Technik nach allen
Erfolge abschloss.
pressionisten, von den Augenblicksmalern
ihren Seiten behandelte. Darauf hier näher
Bonner Zeitung (7. 3. 99). Marcell
unter den Dichtern, denen es darum zu thun
einzugehen, müssen wir uns leider versagen.
Salzer’s weiches, modulationsfähiges Organ,
ist, die Dinge so zu schildern, wie sie sie
Mit feinsinniger Kritik beleuchtete Dr. Bloem
das die verschiedensten Stimmungen auf den
sehen. Die höchste Blüthe epischer Prosa¬
die inneren Widersprüche der naturalistischen
Hörer überträgt, sein schlichter Vortrag, dem
dichtung, der Roman, eignet sich zu einem
Theorie und die Consequenzen derselben,
alles Theatralische und Gesuchte fremd ist,
recitatorischen Vortrage wegen der be¬
wobei die Schatten Shakespeare's und Schiller’s
seine hervorragende Begabung für den fein
schränkten Zeit nicht. Da nur abgeschlossene
als Zeugen in wirkungsvoller Recitation
pointirten Dialog, sein echter Humor und
Dichtungen vorgeführt werden sollten, so
heraufbeschworen wurden, um schliesslich
nicht zum wenigsten seine Liebe zum Kunst¬
müssten sich die Recitationen im Wesent¬
zu dem Ergebniss zu kommen: der Natura¬
werk und die Begeisterung für die selbst¬
lichen auf das Gebiet der Novalle be¬
lismus ist unfähig, uns das grosse, heroische
gewählte Aufgabe, die Kenntniss der Modernen
schränken. Redner giebt im Folgenden eine
Drama zu schaffen Er scheitert dabei, wie
weiteren Kreisen zu vermitteln, errangen den
Uebersicht über die Entwickelung des mo¬
das Beispiel Gerhart Hauptmann's beweist,
Dichtern und Dichtungen, die er vortrug, wie
dernen Romans, wobei er zurückgreift auf
an seiner Theorie und vor Allem an seiner
seiner reifen Vortragskunst lebhaften Beifall.
das Werk über den „Roman des 19. Jahr¬
Weltanschauung, die der echten Tragik ent¬
Kam den Wienern das landsmannschaftliche,
hunderts“ von Hellmuth Mielke. Redner
behrt und daher keine echt tragische Persön¬
österreichische Element des Vortragenden und
ging von der Sonderstellung aus, die Berlin
lichkeit schaffen kann. Lebhafter Beifall
die reizvelle, discrete Art, mit der er den
als Reichshauptstadt in dem deutschen Cultur¬
wurde dem Redner für seinen überaus ge¬
Dialect zur Färbung und Charakterisirung
leben einzunehmen gewusst hat und die in
dankenreichen Vortrag zutheil. Darauf nahm
verwerthete, zu statten, so wurde er nicht
der neueren litterarischen Entwickelung sich
Herr Marcell Salzer das Wort zunächst zur
minder dem schlichten Ton der Kinder¬
immer mehr in dem Grade geltend macht,
Recitation des Vorspiels von Sudermann's
geschichten Wildenbruchs, der poetischen
dass ein litterarischer Erfolg in der Provinz
„Johannes“. Mit seiner klangvollen, schönen
Sprache in den Gedichten von Arno Holz
von einem litterarischen Erfolg in Berlin ab¬
Barytonstimme hob der Recitator die einzelnen
und der charakteristischen Eigenart Lilien¬
hängig ist. Auf dem heissen, vulcanisch
Figuren in wirkungsvollster Weise von
cron's gerecht. Am virtuosesten brachte er
unterminirten Boden Berlins sind die zwei
einander ab, wobei ihm die Charakteristik
Liliencron's „Bruder Lüderlich“ und „Be¬
wesentlichen Schattirungen des modernen
des religiös Schwärmerischen im „Johannes“
trunken“, am bedeutendsten zweifellos die
Prosa-Romans erwachsen: desfeuilletonistisch¬
neben den von Seufzern und Jammer er¬
Dialogprobe aus „Anatol“ von Schnitzler,
realistischen Romans und des eigentlich con¬
füllten Elenden Israels besonders gut gelang.
„Weihnachtseinkäufe“ als ein Cabinetstück
sequenten naturalistischen Tendenz- und
Eine kleine reizende Plauderei, in gleichem
der Vortragskunst heraus.
Kampfromans. So grosse Ziele, wie der
Ton vorgetragen, war der Dialog „Weih¬
Kölnische Zeitung (16. 3. 99). — Der
grosse Meister auf dem naturalistischen Ge¬
nachtseinkäufe“ aus Schnitzler’s „Anatol“,
Wiener Recitator Marcell Salzer hat sich
biete in Frankreich, Zola, haben sich unsere
dessen feine Stimmungsmomente Herr Salzer
kürzlich auch bei dem Bonner gebildeten,
deutschen Naturalisten nicht gestellt. Pedner
mit den discretesten und doch zugleich
für schöngeistige Dinge besonders interessirten
charakterisirt i Polgendem die bedeutendsten
prägnantesten Mitteln zu treffen wusste. Nach