VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1912–1914, Seite 37

2. Cuttings
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Warnung vor der Unsterblichkeit
(Zu einer Peter Altenberg-Vorlesung)
Esrist unmöglich, einen um die Unsterblichkeit zu bringen.
Denn dort, wo es gelingt war, sie ohnedies nicht zu haben. Es
müssen aber vorzugsweise solche Hälle bearbeitet werden, welche
sich die Unsterblichkeit, die ihnen nicht erreichbar ist, auch nicht
entreißen lassen wollen. Solche gibt es. Sie stehen zwischen den
Großen und den Kleinen und sind vermöge des Scheins, auf den
ihr Dasein gerichtet ist, leicht imstande, die Zeitgenossenschaft zu
täuschen und sich eine Würdigkeit beizulegen, auf die die ehrlichen
Handlanger des Tages freiwillig verzichten. Wenn es einmal
gelungen sein wird, dem Publikum beizubringen, daß die Kunst
nicht das Geringste mit den Bedürfnissen der Unterhaltung und
Belehrung zu schaffen habe, so wird man es auch nicht mehr
dafür tadeln dürfen, daß es die Handlanger für die Unbilden
der Nachwelt so reich entschädigt. Was sollte denn ein deutscher
Prosaist mit einem jüdischen Kassier zu schaffen haben, und warum
sollte dieser hienieden nicht besser aufgehoben sein als jener? Daß
nützliche Autoren, Erzähler und Plauderer, deren Beruf zufällig etwas
mit der Verwendung des Alphabets zu tun hat, sich so hoch ein¬
schätzen wie ein schlecht beratenes Publikum es tut, darf auf keinen
Fall geglaubt werden. Aber das Wohlleben ist ihnen mit Rücksicht
darauf zu gönnen, daß die Nachwelt keine Villen und Automobile
zu vergeben hat. Gefährlicher sind jene, denen die finanzielle
Entschädigung nicht genügt und deren Miene die Zuversicht
ausdrückt, daß ihr Wirken mit ihrer Leiblichkeit noch nicht
beschlossen sein werde. Weiß der Himmel, woher sie ihren
Anspruch ableiten, da sie ihn doch vom Himmel nicht ableiten
können. Aber vielleicht waren sie die ersten, die von Gnaden
einer literarischen Mode lebten, die ersten, die auf einem
sogenannten Niveau standen, und in schlechten Zeiten werden
solche immer mit den Modellen und den Originalen verwechselt.
Das Nachleben solcher Talente ist der Irrtum einer, wenn's hoch
kommt, zweier Generationen, und wenn man näher hinhorcht, so
ist es immer nur eine Uberlieferung, nie ein Erlebnis, was sie mit
den Späteren verbindet. Mit Heine wird eine Welt, der es gelingt,
sich von der liberalen Maul- und Klauenseuche zu befreien, umso
schonungsloser verfahren, je länger man seinen Geist hat anstehen
lassen. Umso weniger wird es dann aber den Geistern derer,
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