VII, Verschiedenes 2, 50ster Geburtstag, Seite 37

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1. S0thBirthday
Seiten hin offen, ein bestrickender Charme der Persönlich¬
keit schaffte ihm, wo immer er auftrat, Freunde.
wurde, wie sein Vater, Arzt, und der Beruf, der ihn mit
den Leiden der Menschheit in so nahe Berührung brachte,
vertiefte seine Kunst in wunderbarer Weise. Er mußte
so oft die Nichtigkeiten des Lebens erkennen, und gelangte
früh zu dem großen Verstehen alles Menschlichen. Das ist
das Wunderbarste an seinen Dichtungen, daß man in allen
leidenschaftlichen und tragischen Momenten die ernsten,
gütigen Augen eines verstehenden Menschen zu erblicken
glaubt. Er spielt wohl gelegentlich mit den Dingen und
gleitet darüber hinweg, aber man fühlt doch immer wie¬
der, wie sehr sie ihm im letzten Sinne ans Herz gewachsen
sind. Zu den Großen und Starken zählt er wohl nicht,
aber er bemüht sich immer, er selbst zu sein, und das ist
schon etwas Großes. In der Welt des Genusses, die er
ja auch zu schildern liebt, findet er nur zu rasch den tragi¬
schen Unterton, den Tropfen Wermut im Becher. Ueber
seine elegante Umwelt, deren Produkt er anfänglich ledig¬
lich zu sein schien, ist er längst ausgewachsen durch die Ehr¬
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lichkeit seines Gefühls und Erweiterung seiner Welt¬
FRMR A?: Dresdner Nachrichten
anschanung. Seine Werke (bei S. Fischer, Verlag in Ber¬
lin, erschienen) erfüllen eine stattliche Reihe, Bühnendichtun¬
m:
gen und Romane. Die Tragikomödien des Lebens haben
immer den stärksten Reiz auf ihn ausgeübt. Was seinem
dramatischen Schaffen fehlt, war bis jetzt die energische,
zusammenfassende Kraft. Etwas zerfließend Weiches is
Zu Arthur Schnitzlers 50. Geburtstag.
einmal für diesen Dichter charakteristisch. In seinem neuen
Novellenband „Masken und Wunder“ (bei Fischer) zeigt
Wie Wir vor kurzem mitteilten, war das Jahr 1862
sich der Fünfzigjährige als der junge Poet von ehedem, in
ein äußerst fruchtbarer Jahrgang für die deutsche Literatur.
der Wahl seiner Probleme sowohl, als im artistischen Ge¬
Auch der liebe Poet Arthur Schnitzler ist 1862 in Wien
schmack ihrer Gestaltung und Ausführung. Es sind zwei
geboren. Er ist also ein Kind des Mai, des Wiener Früh¬
kleine Stücke in dem reizvollen Bande, „Das Tagebuch
lings mit seinen weichen Stimmungen, die voll sind von
der Redegonda“ und „Die dreifache Warnung“ die in kon¬
Glück, Sehnsucht und Melancholie. Es ist, als ob dieser
zentrierter Form echtesten Schnitzler geben. In der „Hirten¬
Monat, in dem nicht nur die Blumen, sondern auch die
flöte“ schildert er in romantischen Linien das Schicksal einer
Liebe mit besonderer Kraft zu blühen pflegt, von besonde¬
Frau, die in allen Stürmen des Lebens sich eine merk¬
rem Einfluß auf seine Dichtkunst geworden ist. Schnitzler
würdige Stärke und Reinheit der Seele bewahrt. Die
hat uns viel von der Liebe erzählt, von süßen Mädeln,
Frau ist in dieser Novelle, wie so oft bei Schnitzler, klüger
von schlanken, dunklen, rätselhaften Frauen, von guten
und tiefer als der Mann, weil sie wärmer lebt und den
Jungen, die unter der Liebe leiden, von leichtsinnigen
Dingen des Lebens so nahe steht. Im „Tode des Jung¬
Elegants, die nehmen, was sie bekommen können. Man
sieht sie vor seinem geistigen Auge vorübergleiten, all die gesellen“ variiert er schon oft angeschlagene Klänge
Schönen, mit ihrem Lächeln, ihren Blicken, in denen die einem neuen Thema. Feine Ergebnisse tiefer Seelenkunde
Rätiel ihres Herzens stehen. Die Kunst Schnitzlers ist sind „Der tote Gabrie!“ und „Der Mörder“ —
Arthar
einem schönen Stein von sonftem und doch intensivem Schnittlei ist jung zu literarischem Ruhm und Anerkennung
Feuer vergleichbar. Seine Lebens= und Weltanschauung gelang abei ohne Cliane und Claque. Er hat bis setzt
Er ist durch die ge¬ die Freunde, die er sich früher gewann, nicht enttäuscht. Und.
hat ihn vor Einseitigkeit bewahrt.
#pflegte Kultur eines angesehenen Hauses in Wien ge¬ das will in einer Zeit überfließender Produktion viel
bg.
gangen. Bildungsmöglichkeiten standen ihm nach allen sagen.