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5oth and 55th Birthdan
werklichen und die Ehrfurcht vor dem Alter so ganz vereinend, wie eben
der großer Künstler selbst Meisterschaft und Menschlichkeit in sich eint.
Und dies ist ein menschliches Glück unserer Generation, unsere Stel¬
lung (die freilich nicht nur Schnitzlern gilt, sondern auch den anderen, die
nun fünfzig werden, Hauptmann, Bahr und Dehmel) die uns nicht zu
Uberhebung, zu Gegnerschaft, sondern zu Einordnung und Bewunderung
zwingt. Sonst sucht gewöhnlich eine literarische Generation die frühere zu
entwurzeln aus dem Gefühl, daß sie, die schon überreife, dem Boden die Wirk¬
samkeit wegsauge, ein Hemmnis sei für eigene Entfaltung. Diese Generation
vor uns ist aber noch so sehr im Vollwuchs ihrer Kraft, daß sich ein be¬
sonnenes Gefühl ihrer Überlegenheit willig fügt, froh, neben ihnen wirken und
vollenden zu dürfen. Mögen wir Jüngeren heute vielfach anderes wollen als
Schnitzler, dank der Andersartigkeit unserer Befähigung und vor allem,
weil seine Meisterschaft ihr Gebiet so klar umzirkt, so wundervoll verwaltet,
daß hier Versuchen ein Anmaßen wäre — nirgends ist (ich glaube hier für
alle Jungen in Österreich reden zu dürfen) Schnitzler je als unmodisch, als
minder bedeutsam, als gegnerisch empfunden worden. Sein Platz ist vorne,
das spüren wir alle. Spielt man seine Stücke, so erachtet das jeder als Not¬
wendigkeit und Pflicht, würde man ihn zurücksetzen, so wären wir die
ersten, Klage zu führen. Sonst sind diejenigen, die als erste begonnen
haben, den Letzten, der neuen Jugend meist schon die Fernsten; ihn aber,
den ersten Fünfzigjährigen der Jungwiener, fühlen wir ganz nahe. Und vor
allem: immer vorne, als den Führer, den Meister.
Dieser absoluten Verehrung des gewissenhaften großen Künstlers
Arthur Schnitzler darf sich an solchem Tage noch die private des Men¬
schen beigesellen. In unserer Zeit, da die Kunst sich gern der Popularitäts¬
sucht, der Geldverdienerei, der Journalistik und Gesellschaftlichkeit kuppelt,
ist der Anblick eines Dichters Freude und Beispiel, der menschliche Hal¬
tung ohne Pose, nur aus innerer Reinheit, zu wahren wußte. Nichts macht
uns ja in der Bewertung alles Zeitgenössischen unsicherer, lenkt uns mehr
von der Vista auf die Werke ab, als jene kleinen Unsauberkeiten des
Charakters, die uns die Indiskretion der Nähe leicht preisgibt. Keiner,
ich bin dessen gewiß, hat jemals an Schnitzler eine jener verstimmenden
verwirrenden Kleinlichkeiten wahrnehmen können, und ein solches ethisches
Beispiel ist umso eindringlicher, wenn es wie bei ihm ohne Pathos, als
reine Wesensform klaren Charakters sich zeitigt. Hier, in dieser Vollendung
ist keiner von uns, der nicht von ihm lernen könnte: ein solches Werk
schön zu vollenden und dies noch Geheimnisvollere, so viel Liebe zu ver¬
dienen, wie sie Schnitzler heute und wohl immer von jeder künstlerischen
Generation freudig zu Teil werden muß.
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werklichen und die Ehrfurcht vor dem Alter so ganz vereinend, wie eben
der großer Künstler selbst Meisterschaft und Menschlichkeit in sich eint.
Und dies ist ein menschliches Glück unserer Generation, unsere Stel¬
lung (die freilich nicht nur Schnitzlern gilt, sondern auch den anderen, die
nun fünfzig werden, Hauptmann, Bahr und Dehmel) die uns nicht zu
Uberhebung, zu Gegnerschaft, sondern zu Einordnung und Bewunderung
zwingt. Sonst sucht gewöhnlich eine literarische Generation die frühere zu
entwurzeln aus dem Gefühl, daß sie, die schon überreife, dem Boden die Wirk¬
samkeit wegsauge, ein Hemmnis sei für eigene Entfaltung. Diese Generation
vor uns ist aber noch so sehr im Vollwuchs ihrer Kraft, daß sich ein be¬
sonnenes Gefühl ihrer Überlegenheit willig fügt, froh, neben ihnen wirken und
vollenden zu dürfen. Mögen wir Jüngeren heute vielfach anderes wollen als
Schnitzler, dank der Andersartigkeit unserer Befähigung und vor allem,
weil seine Meisterschaft ihr Gebiet so klar umzirkt, so wundervoll verwaltet,
daß hier Versuchen ein Anmaßen wäre — nirgends ist (ich glaube hier für
alle Jungen in Österreich reden zu dürfen) Schnitzler je als unmodisch, als
minder bedeutsam, als gegnerisch empfunden worden. Sein Platz ist vorne,
das spüren wir alle. Spielt man seine Stücke, so erachtet das jeder als Not¬
wendigkeit und Pflicht, würde man ihn zurücksetzen, so wären wir die
ersten, Klage zu führen. Sonst sind diejenigen, die als erste begonnen
haben, den Letzten, der neuen Jugend meist schon die Fernsten; ihn aber,
den ersten Fünfzigjährigen der Jungwiener, fühlen wir ganz nahe. Und vor
allem: immer vorne, als den Führer, den Meister.
Dieser absoluten Verehrung des gewissenhaften großen Künstlers
Arthur Schnitzler darf sich an solchem Tage noch die private des Men¬
schen beigesellen. In unserer Zeit, da die Kunst sich gern der Popularitäts¬
sucht, der Geldverdienerei, der Journalistik und Gesellschaftlichkeit kuppelt,
ist der Anblick eines Dichters Freude und Beispiel, der menschliche Hal¬
tung ohne Pose, nur aus innerer Reinheit, zu wahren wußte. Nichts macht
uns ja in der Bewertung alles Zeitgenössischen unsicherer, lenkt uns mehr
von der Vista auf die Werke ab, als jene kleinen Unsauberkeiten des
Charakters, die uns die Indiskretion der Nähe leicht preisgibt. Keiner,
ich bin dessen gewiß, hat jemals an Schnitzler eine jener verstimmenden
verwirrenden Kleinlichkeiten wahrnehmen können, und ein solches ethisches
Beispiel ist umso eindringlicher, wenn es wie bei ihm ohne Pathos, als
reine Wesensform klaren Charakters sich zeitigt. Hier, in dieser Vollendung
ist keiner von uns, der nicht von ihm lernen könnte: ein solches Werk
schön zu vollenden und dies noch Geheimnisvollere, so viel Liebe zu ver¬
dienen, wie sie Schnitzler heute und wohl immer von jeder künstlerischen
Generation freudig zu Teil werden muß.
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