VII, Verschiedenes 3, 65ster Geburtstag, Seite 10


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die menschlichen Schwächen noch menschlicher geworden. Es
seien einige seiner letzten Werke herausgenommen.
Der früher geschriebenen hübschen Novelle „Casanovas Heim¬
fahrt“ hat er eine andere Wendung in der Komödie „Casanova
in Spa“ gegeben. Den Inhalt kann man sich ja ungefähr schon
nach dem Titel denken, aber darauf kommt es gar nicht an:
das Ganze ist ein Feuerwerk glänzenden Spottes und glänzen¬
der Satire, pikant, mit den gewagtesten Situationen, und doch
gleitet Schnitzler über das Bedenkliche so leicht und elegant
hinweg, daß nur der Humor haften bleibt. Und mit derselben
Meisterhand ist leicht hingeworfen: „Die Komödie der Ver¬
führung“ — derselbe Stoff wie in „Liebelei“ und „Anatol“
und der Hauptheld ist wieder ein anderer Casanova, und das
Milien ist Wien und dessen detadente Gesellschaft, und wenn
die Komödie schließlich auch als Tragödie endet, so hilft über
das Komisch=Schlüpfrige wie über das Traurige der Humor
und die Verve der Geschehnisse hinweg.
In seinen letzten Novellen schlägt Schnitzler teilweise einen
neuen Weg ein. Es ist erklärlich, daß die Psychoanalyse Freuds
an dessen Wohnsitz Wien die aft wie die Laienwelt noch
mehr interessiert als anderswo, und daß auf diesem Gebiete
dem Arzt Schnitzler bald der Dichter Schnitzler folgte. „Fräu¬
lein Else“ war schon in diesem Fahrwasser gesegelt, von
neuem nahm er es nun in der Novelle „Die Frau des Rich¬
#ters“ auf, einer tragikomischen Novelle, voll tiefem Hohn und
Spott, natürlich nicht über die psychoanalytische Wissenschaft,
aber über all den Schwindel, die Erbärmlichkeit, die Feigheit,
die bei diesen Krankheiten zutage treten. Das Buch verfolgt
noch einen zweiten Zweck: der Politiker Schnitz er legt sein
Bekenntnis und Verhältnis zur alten Zeit und zur neuen ab,
das darauf hinausläuft, daß er weder das Frühere in Grund
und Boden verdammen, noch in der Neuerung nur Sonnenschein
und eitel Glück sehen kann. Mit seiner „Traumnovelle“ geht
er auf ein verwandtes Gebiet der beiden ebengenannten, und
man bewundert in ihr wieder die Phantasie des Dichters wie
das große Wissen und Können des Arztes. Und alle diese Werte
verraten den jungen Schnitzler — möge der auch weiter
schaffen!
6*)
„Magie der Weltgeschichte“
Von Aleibiades bis Lovis Corinth
Wer über die Brille allgemeiner Urbanität hinaus zu
schauen vermag, denkt kosmisch. Wir wissen heute, daß es ein
Jehler ist, die Entwicklung des Menschengeschlechtes als rein
tellurisch bedingt zu betrachten. Wußten wir es noch nicht, so
wissen wir es durch dieses Buch. Es fahndet nach überirdischen,
kosmischen Gesetzen und Regeln für das Weltgeschehen. Gesetze
sind ein kausaler, Regeln ein destriptiver Begriff. Die Erde ist
*) Erschienen in R Voigtländers Verlag in Leipzig; Verfasser ist ungenannt.