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Grillparzer-Preis
Nonzbuch.
Schuhen schüttelten und den Staatsdienst verließen, dann würden die Herren Direktoren
bald nicht mehr wissen, wie sie Schule halten sollten. Die Zahl der Kollegen, die sich mir
in Schrift und Rede als Gesinnungsgenossen bekannt haben, ist größer, als Herr Coste
annehmen dürfte. Während ich schreibe, kommt mir der „Tag“ vom vierzehnten Januar
in die Hände, worin der Oberlehrer Dr. Albert Gruhn einen kleinen Aufsatz über das
Thema: „Eine neue Art der Jugenderziehung“ (also doch?) veröffentlicht. Seine Worte
kommen mir sehr gelegen und sind mir wie aus der Seele geschrieben; sie berechtigen
mich zu der Hoffnung, daß bald noch weitere Gesinnungsgenossen helfen werden, unser
neues Erziehungideal seiner Verwirklichung entgegenzuführen. Durch den Spott der
Konservativen ist noch keine fortschrittliche Bewegung dauernd zurückgehalten worden.
Herr Karl Jentsch hatte im Dezember hier an ein Wort Goethes über das schwäch¬
liche Epigonengeschlecht der Dichter erinnert, das sich auf sein Talent nicht gar so viel
einbilden dürfe. Jentich konnte die Stelle in den Gesprächen mit Eckermann nicht finden.
Einzelne Leser waren glücklicher. Einer schreibt, offenbar sei die folgende Stelle gemeint:
„Hier', sagte Goethe, steht in der Allgemeinen Zeitung ein Gedicht an den König (von
Bayern), das der Kanzler mir vorlas und das Sie doch auch sehen müssen. Goethe gab
mir das Blatt und ich las das Gedicht im Stillen. „Nun, was sagen Sie dazu? fragte
Goethe. Es sind die Empfindungen eines Dilettanten', sagte ich, der mehr guten Willen
als Talent hat und dem die Höhe der Literatur eine gemachte Sprache überliefert, die für
ihntönt und reimt, währender selber zu reden glaubt.: Das sind nun nicht Goethes Worte,
sondern Eckermanns (in dem die Erinnerung an Schillers Lenion von der „gebildeten!
Sprache“ nachtönte) Wahrscheinlicher klingt die Vermuthung, Jentsch habe an das Ge¬
spräch vom neunundzwanzigsten Januar des Jahres 1827 gedacht, über das Eckermanng ##
berichtet: „Hieran knüpften sich manche Betrachtungen über die Produktionen unserer
neusten deutschen Dichter und es ward bemerkt, daß fast keiner von ihnen mit einer guten
Prosa aufgetreten. „Die Sache ist sehr einfach;, sagte Goethe; um Prosa zu schreiben,
muß man Etwas zu sagen haben; wer aber nichts zu sagen hat, kann doch Verse und
Reime machen, wo dann ein Wort das andere giebt und zuletzt Etwas herauskommt,
das zwar nichts ist, aber doch aussieht, als wäre es was:" Noch zwei Stellen. Amsieben= □
zehnten Januar 1827:„Ich sehe immer mehr, daß die Poesie ein Gemeingut der Mensch¬
heit ist und daß sie überall und zu allen Zeiten in Hunderten und Aberhunderten von#
Menschen hervortritt. Einer macht es ein Wenig besser als der Andere und schwimmt ein
Wenig länger oben als der Andere: Das ist Alles. Jeder muß sich eben sagen, daß es
mit der poctischen Gabe keine so seltene Sache sei und daß Niemand eine besondere Ur=—
sache habe, sich viel darauf einzubilden, wenn er eingutes Gedicht macht.“ Und am fünf¬
zehnten April 1829: „Das Verführerische für junge Leute ist Dieses: Wir leben in einer
Zeit, wo so viel Kultur verbreitet ist, daß sie sich gleichsam der Atmospäre mitgetheilt
hat, worin ein junger Mensch athmet. Poetische und philosophische Gedanken leben und
regen sich in ihm, mit der Luft seiner Umgebung hat er sie eingesogen; aber er denkt, sie
seien sein Eigenthum: und so spricht er sie als das Seinige aus.“
Da wir gerade bei der Literatur sind, rasch ein paar Worte über die neuste Dichter¬
preisverleihung. In Oesterreich giebts eine Grillparzer=Stiftung, die, so heißts im Sta¬
tut, „die Aufgabehat, zur Hebung der deutschen dramatischen Produktion durch Verthei¬
lung von Preisen beizutragen." Die Frage, ob mit solchen Mitteln eine „Hebung möglich
Grillparzer-Preis
Nonzbuch.
Schuhen schüttelten und den Staatsdienst verließen, dann würden die Herren Direktoren
bald nicht mehr wissen, wie sie Schule halten sollten. Die Zahl der Kollegen, die sich mir
in Schrift und Rede als Gesinnungsgenossen bekannt haben, ist größer, als Herr Coste
annehmen dürfte. Während ich schreibe, kommt mir der „Tag“ vom vierzehnten Januar
in die Hände, worin der Oberlehrer Dr. Albert Gruhn einen kleinen Aufsatz über das
Thema: „Eine neue Art der Jugenderziehung“ (also doch?) veröffentlicht. Seine Worte
kommen mir sehr gelegen und sind mir wie aus der Seele geschrieben; sie berechtigen
mich zu der Hoffnung, daß bald noch weitere Gesinnungsgenossen helfen werden, unser
neues Erziehungideal seiner Verwirklichung entgegenzuführen. Durch den Spott der
Konservativen ist noch keine fortschrittliche Bewegung dauernd zurückgehalten worden.
Herr Karl Jentsch hatte im Dezember hier an ein Wort Goethes über das schwäch¬
liche Epigonengeschlecht der Dichter erinnert, das sich auf sein Talent nicht gar so viel
einbilden dürfe. Jentich konnte die Stelle in den Gesprächen mit Eckermann nicht finden.
Einzelne Leser waren glücklicher. Einer schreibt, offenbar sei die folgende Stelle gemeint:
„Hier', sagte Goethe, steht in der Allgemeinen Zeitung ein Gedicht an den König (von
Bayern), das der Kanzler mir vorlas und das Sie doch auch sehen müssen. Goethe gab
mir das Blatt und ich las das Gedicht im Stillen. „Nun, was sagen Sie dazu? fragte
Goethe. Es sind die Empfindungen eines Dilettanten', sagte ich, der mehr guten Willen
als Talent hat und dem die Höhe der Literatur eine gemachte Sprache überliefert, die für
ihntönt und reimt, währender selber zu reden glaubt.: Das sind nun nicht Goethes Worte,
sondern Eckermanns (in dem die Erinnerung an Schillers Lenion von der „gebildeten!
Sprache“ nachtönte) Wahrscheinlicher klingt die Vermuthung, Jentsch habe an das Ge¬
spräch vom neunundzwanzigsten Januar des Jahres 1827 gedacht, über das Eckermanng ##
berichtet: „Hieran knüpften sich manche Betrachtungen über die Produktionen unserer
neusten deutschen Dichter und es ward bemerkt, daß fast keiner von ihnen mit einer guten
Prosa aufgetreten. „Die Sache ist sehr einfach;, sagte Goethe; um Prosa zu schreiben,
muß man Etwas zu sagen haben; wer aber nichts zu sagen hat, kann doch Verse und
Reime machen, wo dann ein Wort das andere giebt und zuletzt Etwas herauskommt,
das zwar nichts ist, aber doch aussieht, als wäre es was:" Noch zwei Stellen. Amsieben= □
zehnten Januar 1827:„Ich sehe immer mehr, daß die Poesie ein Gemeingut der Mensch¬
heit ist und daß sie überall und zu allen Zeiten in Hunderten und Aberhunderten von#
Menschen hervortritt. Einer macht es ein Wenig besser als der Andere und schwimmt ein
Wenig länger oben als der Andere: Das ist Alles. Jeder muß sich eben sagen, daß es
mit der poctischen Gabe keine so seltene Sache sei und daß Niemand eine besondere Ur=—
sache habe, sich viel darauf einzubilden, wenn er eingutes Gedicht macht.“ Und am fünf¬
zehnten April 1829: „Das Verführerische für junge Leute ist Dieses: Wir leben in einer
Zeit, wo so viel Kultur verbreitet ist, daß sie sich gleichsam der Atmospäre mitgetheilt
hat, worin ein junger Mensch athmet. Poetische und philosophische Gedanken leben und
regen sich in ihm, mit der Luft seiner Umgebung hat er sie eingesogen; aber er denkt, sie
seien sein Eigenthum: und so spricht er sie als das Seinige aus.“
Da wir gerade bei der Literatur sind, rasch ein paar Worte über die neuste Dichter¬
preisverleihung. In Oesterreich giebts eine Grillparzer=Stiftung, die, so heißts im Sta¬
tut, „die Aufgabehat, zur Hebung der deutschen dramatischen Produktion durch Verthei¬
lung von Preisen beizutragen." Die Frage, ob mit solchen Mitteln eine „Hebung möglich