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Grillnarzer-Preis
A. Schnitzler und der Grillparzer=Preis.
geh
VVon Rudolf Holzer in Wien.
Vm Geburtstage Franz Grillparzers, des größten Dichters,
Aden das poctenreiche Österreich hervorbrachte, am
15. Januar jedes dritten Jahres, soll der Grillparzer=Preis
vergeben werden. Dem „relativ besten dramatischen Werke
des jeweiligen Trienniums“ sagt der Stiftsbrief, wird der
Lohn und Preis „von fünfzehnhundert Gulken ö. W. in
Silber“ zuteil. Sein Zweck ist Anspornung zu höheren
Aufgaben; als Bedingung gilt, daß die zu ehrende
Dichtung „an einer namhaften deutschen Bühne“ gespielt
und nicht schon von anderer Seite durch einen Preis aus¬
gezeichnet wurde.
Obwohl von einem der besten Österreicher den Namen
tragend, war der Grillparzer=Preis gerade für Österreicher
noch schwerer zu erringen als etwa die Ehre, am Burgtheater
gespielt zu werden. Der Lorbeer wird nun seit mehr als
dreißig Jahren verliehen, doch bloß einmal, durch Ludwig
Anzengruber, blieb er im Lande. So gewannen den Preis:
1875 Wilbrandt („Gracchus, der Volkstribun“), 1884 Wilden¬
bruch („Harold“), 1887 Anzengruber („Heing'funden"),
1890 Wilbrandt („Der Meister von Palmyra“), 1896, 1899
Hauptmann („Hanneles Himmelfahrt“ „Fuhrmann Hen¬
schel"), 1902 Hartleben („Rosenmontag“), 1905 Hauptmann
(„Der arme Heinrich“).
Heuer einigte sich der einstimmige Beschluß der Preis¬
richter Hofrat Prof. Minor (für die Kaiserliche Akademie
der Wissenschaften), Dr. Paul Schleuther (als Direktor des
Hofburgtheaters), Ludwig Hevesi (Delegierter des Wiener
Schriftsteller= und Journalistenvereins Konkordia), Prof.
Erich Schmidt und Hofrat Dr. Mar Burkhard (die Vertreter
des norddeutschen und des süddeutschen Schrifttums) für
Artur Schnitzlers Komödie „Zwischenspiel“. Die Ehrung
des Dichters ist wärmstens zu begrüßen! Sein Schaffen
ist so sehr der künstlerische Ausdruck unserer Empfindungen
und Kultur, daß eine offizielle Anerkennung sich endlich
einstellen mußte. In Artur Schnitzler leben und pulsen
die empfindsamen, feinnervigen Züge der alten kunstsinni¬
gen, schicksalsreichen Kaiserstadt. Er ist ein echter Wiener,
ein Sohn einer neuen Zeit, einer unablässig nach Schön¬
heit suchenden Sehnsucht. In Schnitzler gehen die Züge
der jungen Wiener Kultur ineinander: Jnnigkeit und
Leichtlebigkeit, Ironie und Gemütstiefe, Weltflucht und
Weltmann, Raffinement und Vorstadtlyrik, Grillparzer
und die mondänen Franzosen, Erotik und Tod. Man
glaube aber ja nicht, daß er in Wien dominiere; außer¬
halb literarischer Kreise wird er hier fast nicht gekannt,
er ist keine lokale Größe. Im Gegenteil. In Deutsch¬
land hat er sein Publikum, in Wien nur einen Kreis von
Schätzern.
Artur Schnitzler wurde am 15. Mai 1862 zu Wien als
Sohn des berühmten Laryngologen Prof. Johann Schnitzler
geboren. Er ist praktischer Arzt, lebt aber fast völlig seinen
literarischen Arbeiten. Mit dem Einakterzyklus Anatol“
trat er 1893 vor die breitere Öffentlichkeit. Er war sofort,
der er heute ist. Welt und Weltanschanung ruhen in dieser
eleganten Literatur. Die positive Kritik mag finden, diese
Welt entbehre einer Anschauung wie ieglicher Tiefe ine
—
Illustrirte Zeitung.
Artur Schnitzler.
der Veatrice“ eine Dichtung von prachtvollen Schönheiten.
„Der grüne Katadu“ zeigte ihn auf der Höhe dramatischer
Kunst, divinatorischer Bildnerkraft.
Heute nun ziert den früher feuilletonistisch stilisierten
Dichterkopf keine mehr so sorgfältig gepflegte Locke. Auch
Schnitzler wurde Hausvater, zog weg von der großen
Stadt, hinaus auf die lichte Hügelreihe, von wo aus der
Blick das Häusermeer gewahrt. Neine Waldluft vom
nahen Gebirge! Er wird nicht viel gesehen in Wien, und
wer es nicht weiß, der fühlt aus seinen letzten Dichtungen
die Poesie und Herrlichkeit köstlicher, seliger Einsamkeit
strömen. Der Schnitzler von heute wird vom Drang ins
Dunkle, Antwortlose erfüllt. Der Tod ist sein tönendes
Grundmotiv; in dieser Vorliebe, diesem Grübeln nach dem
andern Leben ruht vielleicht ein künstlerisch gebändigtes
Grauen vor dem Tod. Aus dem Lebejüngling Anatol
ward ein nachdenklicher, sehnsüchtiger Lebenskünstler.
Fragen an Leben und Tod wurden so die „Lebendigen
Stunden“; „Der einsame Weg“, „Der Ruf des Lebens“.
Eine bange Frage, eine künstlerische Befreiung einer
zweifelnden Seele ist auch das „Zwischenspiel“. Das Pro¬
blem einer brüchigen Ehe erfährt darin eine virtnose Durch¬
führung. Seine abstrakten Diskussionen und psychologi¬
schen Delikatessen entsprechen aber allerdings nicht den
Anforderungen der landläufigen Dramaturgie.
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Grillnarzer-Preis
A. Schnitzler und der Grillparzer=Preis.
geh
VVon Rudolf Holzer in Wien.
Vm Geburtstage Franz Grillparzers, des größten Dichters,
Aden das poctenreiche Österreich hervorbrachte, am
15. Januar jedes dritten Jahres, soll der Grillparzer=Preis
vergeben werden. Dem „relativ besten dramatischen Werke
des jeweiligen Trienniums“ sagt der Stiftsbrief, wird der
Lohn und Preis „von fünfzehnhundert Gulken ö. W. in
Silber“ zuteil. Sein Zweck ist Anspornung zu höheren
Aufgaben; als Bedingung gilt, daß die zu ehrende
Dichtung „an einer namhaften deutschen Bühne“ gespielt
und nicht schon von anderer Seite durch einen Preis aus¬
gezeichnet wurde.
Obwohl von einem der besten Österreicher den Namen
tragend, war der Grillparzer=Preis gerade für Österreicher
noch schwerer zu erringen als etwa die Ehre, am Burgtheater
gespielt zu werden. Der Lorbeer wird nun seit mehr als
dreißig Jahren verliehen, doch bloß einmal, durch Ludwig
Anzengruber, blieb er im Lande. So gewannen den Preis:
1875 Wilbrandt („Gracchus, der Volkstribun“), 1884 Wilden¬
bruch („Harold“), 1887 Anzengruber („Heing'funden"),
1890 Wilbrandt („Der Meister von Palmyra“), 1896, 1899
Hauptmann („Hanneles Himmelfahrt“ „Fuhrmann Hen¬
schel"), 1902 Hartleben („Rosenmontag“), 1905 Hauptmann
(„Der arme Heinrich“).
Heuer einigte sich der einstimmige Beschluß der Preis¬
richter Hofrat Prof. Minor (für die Kaiserliche Akademie
der Wissenschaften), Dr. Paul Schleuther (als Direktor des
Hofburgtheaters), Ludwig Hevesi (Delegierter des Wiener
Schriftsteller= und Journalistenvereins Konkordia), Prof.
Erich Schmidt und Hofrat Dr. Mar Burkhard (die Vertreter
des norddeutschen und des süddeutschen Schrifttums) für
Artur Schnitzlers Komödie „Zwischenspiel“. Die Ehrung
des Dichters ist wärmstens zu begrüßen! Sein Schaffen
ist so sehr der künstlerische Ausdruck unserer Empfindungen
und Kultur, daß eine offizielle Anerkennung sich endlich
einstellen mußte. In Artur Schnitzler leben und pulsen
die empfindsamen, feinnervigen Züge der alten kunstsinni¬
gen, schicksalsreichen Kaiserstadt. Er ist ein echter Wiener,
ein Sohn einer neuen Zeit, einer unablässig nach Schön¬
heit suchenden Sehnsucht. In Schnitzler gehen die Züge
der jungen Wiener Kultur ineinander: Jnnigkeit und
Leichtlebigkeit, Ironie und Gemütstiefe, Weltflucht und
Weltmann, Raffinement und Vorstadtlyrik, Grillparzer
und die mondänen Franzosen, Erotik und Tod. Man
glaube aber ja nicht, daß er in Wien dominiere; außer¬
halb literarischer Kreise wird er hier fast nicht gekannt,
er ist keine lokale Größe. Im Gegenteil. In Deutsch¬
land hat er sein Publikum, in Wien nur einen Kreis von
Schätzern.
Artur Schnitzler wurde am 15. Mai 1862 zu Wien als
Sohn des berühmten Laryngologen Prof. Johann Schnitzler
geboren. Er ist praktischer Arzt, lebt aber fast völlig seinen
literarischen Arbeiten. Mit dem Einakterzyklus Anatol“
trat er 1893 vor die breitere Öffentlichkeit. Er war sofort,
der er heute ist. Welt und Weltanschanung ruhen in dieser
eleganten Literatur. Die positive Kritik mag finden, diese
Welt entbehre einer Anschauung wie ieglicher Tiefe ine
—
Illustrirte Zeitung.
Artur Schnitzler.
der Veatrice“ eine Dichtung von prachtvollen Schönheiten.
„Der grüne Katadu“ zeigte ihn auf der Höhe dramatischer
Kunst, divinatorischer Bildnerkraft.
Heute nun ziert den früher feuilletonistisch stilisierten
Dichterkopf keine mehr so sorgfältig gepflegte Locke. Auch
Schnitzler wurde Hausvater, zog weg von der großen
Stadt, hinaus auf die lichte Hügelreihe, von wo aus der
Blick das Häusermeer gewahrt. Neine Waldluft vom
nahen Gebirge! Er wird nicht viel gesehen in Wien, und
wer es nicht weiß, der fühlt aus seinen letzten Dichtungen
die Poesie und Herrlichkeit köstlicher, seliger Einsamkeit
strömen. Der Schnitzler von heute wird vom Drang ins
Dunkle, Antwortlose erfüllt. Der Tod ist sein tönendes
Grundmotiv; in dieser Vorliebe, diesem Grübeln nach dem
andern Leben ruht vielleicht ein künstlerisch gebändigtes
Grauen vor dem Tod. Aus dem Lebejüngling Anatol
ward ein nachdenklicher, sehnsüchtiger Lebenskünstler.
Fragen an Leben und Tod wurden so die „Lebendigen
Stunden“; „Der einsame Weg“, „Der Ruf des Lebens“.
Eine bange Frage, eine künstlerische Befreiung einer
zweifelnden Seele ist auch das „Zwischenspiel“. Das Pro¬
blem einer brüchigen Ehe erfährt darin eine virtnose Durch¬
führung. Seine abstrakten Diskussionen und psychologi¬
schen Delikatessen entsprechen aber allerdings nicht den
Anforderungen der landläufigen Dramaturgie.
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