VII, Verschiedenes 10, Antisemitismus, Seite 32

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WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
12 Uhr Blat,
Vien
27.9. 1933
vom:
Dominikus:
Kameradschaft mit Ullmann?
Nach jener Generalversammlung des Penklubs im Juni,
die zu den ersten Austrittserklärungen von Mitgliedern
führte, glaubte die „Wiener Allgemeine Zei¬
tung“ aufatmen zu können. Man sah Herrn Ludwig
Ullmann triumphierend vor der Bundeslade tanzen.
Aber er tanzte zu früh, der Penklub schrumpfte seither
immer mehr ein, er litt an galoppierender Schwindsucht,
und jetzt mußte das voreilige Blatt sein — Ende melden.
Einst war es den Austretenden „dankbar“ dafür, daß sie
„aufgestanden“ sind; jetzt? Jetzt schreibt es mit wehmütiger
Resignation: „Es kann nicht geleugnet werden, daß man
offenbar in einem großen Irrtum befangen war, als man ...!
befriedigt erklärte, nunmehr sei die völlige Einigkeit und
kulturpolitische Korrektheit (!) des Wiener Penklubs ge¬
sichert.“ Es gibt zu, daß jene Schriftsteller, „die damals
höhnisch erklärten, sie würden den Wiener Penklub sprengen,
gesiegt haben“. Und Herr Ludwig Ullmann... Herr
Ludwig Ullmann hat nun den Nekrolog geschrieben.
Mit betrübter Miene nimmt er Abschied von dem Klub,
dessen „Geistigkeit“ bis zu ihm herunterreichte; dieser merk¬
würdige Klub hatte auch für Leute Platz, deren Stil allein
schon... zum Davonlaufen ist. Herr Ullmann bedauert die
Sprengung „kameradschaftlicher Bindungen“, und zwei
Spalten später spricht er wieder von „geistig kameradschaft¬
lichen Menschen“. Kameradschaftlich mit Herrn¬
Ullmann? Ja, das könnte ihm so passen. Mit wunder¬
barem Feingefühl findet er genau das Wort, das die Un¬
möglichkeit jeglichen Kontakts mit ihm erweist.
Was bleibt als Trost für geschlagene Sieger? Dieser
Herr Ullmann, für den das „geistige" Deutschland nur in
der Emigration existiert, wiewohl doch die ber Ihmte¬
sten Deutschen, die wahren Deutschen, Gerhart Haupt¬
mann, Richard Strauß, Furtwängler usw., nicht emi¬
griert sind, dieser Herr Ullmann legt schließlich wieder ein¬
mal die — österreichische Walze ein, wozu man nur sagen
kann: ausgerechnet er! „Von Österreich, davon, daß wir
alle österreichische Schriftsteller sind, war
eigentlich überhaupt nie die Rede.“ Ja, das ist es eben:
Wolf, Fuchs und Schakal gaben her das Ihre;
„wir alle“ — das war zu viel! Er, ausgerechnet er, wirft
Nur eins vergaß der Ehrenmann: den Mut!
Da brückt' er ihm die Nase ein voll Wut
gewissen Penklub=Mitgliedern von einst „Mangel an öster¬
Und rief: „Lump, werd' ein Ind und rezensiere!“
reichischem Gefühl und an österreichischer Überzeugung"
Wie wird Ihnen, Herr Ullmann? Übel? Das ist gut.
vor. Das ist barock — und so barock wie Herr Ullmann
Und Schnitzler? Schnitzler verfaßte ein kleine Schrift,
sind die wirklichen Österreicher halt nicht. Schließlich
die von Ihrer jüdischen Presse seinerzeit teils hämisch glos¬
wirkt er noch für eine „vaterländische Front des Geistes“,
siert, teils totgeschwiegen wurde; ihr Titel lautet: „Der
was schon mehr als barock, was schon zum Schießen
Geist im Wort und der Geist in der Tat“. Was da von den
ist, und er beendet seinen Schmus mit der Heraufbeschwö¬
Journalisten und Literaten a la Ullmann gesagt ist, das ist
rung — Grillparzers und Schnitzlers. (Schnitzler muß
wieder einmal Völker erwachen zu Gott, steht Christus er¬
natürlich dabei sein...)
nicht schlecht, das muß man lesen. Daß Schnitzler die „Jour¬
Grillparzer war gewiß „vaterländisch“; trotzdem schrieb
naille" haßte und verachtete, gereicht ihm zur Ehre. Nicht
er folgende Verse:
leinmal mit Schnitzler haben Sie also Glück, Herr Ullmann.
Der Teusel wollte einen Mörder schaffen
Und nahm dazu den Stoff von manchem Tiere:Geben Sie endlich Ruh und packen Sie ein!