VII, Verschiedenes 10, Antisemitismus, Seite 53

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„OBSERVER
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Gerechtigkeit, dien,
vom: (N
22., 1934
C
Man muß nicht für
Nazitilme arbeiten.
Die diktatorischen Anmeßungen der
reichsdeutschen Filmproduktion in „Oester¬
reich, die Kontrolle über die „Reinrassig¬
— eine er¬
keit“ der Filmschaffenden
niedrigende Kontrolle, denn von Auslän¬
dern über Oesterreicher ausgeübt — waren
in der letzten Zeit schon oft Anlaß zu
der Wiener
Auseinandersetzungen in
Presse. Immer lauter wird das Verlangen
nach dem österreichischen Film, für dessen
Herstellung rein künstlerische und nicht
importierte „rassenideologische“ Grund¬
sätze zu gelten haben.
Daß man auf reichsdeutsche Stellen
nicht Rücksicht nehmen muß, wenn man
Rückgrat und Ehrgefühl besitzt, beweist
nachfolgender Brief, den wir hier ab¬
drucken. Eine Berliner Filmfirma wandte
sich an den österreichischen Schriftsteller
Dr. Kurt Sonnenfeld mit der Bitte.
ihr die Verfilmungsrechte eines seiner
Romane zu verkaufen. Das Antwort¬
schreiben des Dr. Kurt Sonnenfeld lautete:
Sehr geehrter Herr Direktor!
Mit bestem Dank bestätige ich den
Empfang Ihres Briefes, in dem Sic mich
auffordern, Ihnen die Filmvertriebs¬
rechte für meinen Roman „Die Ehen
des Doktor Wank“ zu übertragen, und
mir mitteilen, daß Sie sich auch für
eine eventuelle Verfilmung meiner
früheren Romane interessieren.
Wenn ich Ihren Vorschlag trotz
seiner liebenswürdigen Formulierung
ablehne, so betone ich ausdrücklich, dal
sich meine Haltung nicht etwa gegen
Sie persönlich richtet ... Für meine Ab¬
lehnung sind folgende grundsätzliche
Erwägungen maßgebend:
Selbstverständlich fühle ich mich mit
allen denjenigen vollkommen solidarisch.
die im heutigen Deutschland wegen ihrer
als Juden — oder
Abstammung
wegen ihrer Ueberzeugung Verfolgun¬
gen erdulden müssen. Ich möchte nicht
Filmhonorare aus einem Lande beziehen,
solange dessen Regime die Bücher
Artur
Tolstois, Siegmund Freuds,
Schnitzlers, Heinrich Manus, Jakob
Wassermanns und Franz Wertels ver¬
femnt.
Daß Sie es für aussichtsreich halten,
die „Ehen des Doktor Wank“ der neu
eingerichteten Berliner staatlichen Prü¬
fungsstelle zur Verfilmung vorzuschla¬
gen — obwohl ich aus meinem Juden¬
tum niemals ein Geheimnis mache —.
scheint mir folgende Ursachen zu haben:
In den „Ehen des Doktor Wank“
wird neben anderen Eheproblemen auch
der Fall einer Mischehe behandelt. Es
ist möglich, daß Ihnen dieses Sujet ge¬
genwärtig aktuell erscheint. Ich müßte
aber befürchten, daß durch eine Ver¬
filmung im heutigen Deutschland das
Thema eine Tendenz erhielte, die meinem
Buch vollkommen fremd ist.
Ergebenst
Dr. Kurt Sonnenfeld.
Nachbemerkung der Redaktion: Dok¬
tor Sonnenfeld gehört zwar der „raffenden
Rasse“ an, aber er verzichtete doch auf die
Filmhonorare aus Nazideutschland.