VII, Verschiedenes 11, 1912–1913, Seite 49

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Misceluneous
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„Neue Freie Worte“
Nr. 17
Ohr dem unverständlichen lateinischen Gemurmel erzieherisch bekämpft, im Gegenteil sogar durch
Zwang gefördert wird (Schulgottesdienste bis zur
zugelauscht, beim Glockenzeichen in die Knie
Oktava hinauf, Kinderkommunionen usw.).
gebrochen und wieder aufgestanden, zwischen¬
Die Romkirche versteht es, sich die blind
durch herumgeschielt, wer von den Bekannten
nachtrabende Herde zu sichern; sie legt schon
zugegen, wer einen neuen Mantel, ein fesches
auf das Schulkind Beschlag, gewöhnt es von
Hütlein, ein rosiges Schleierlein zur Schau trägt,
kleinauf ihren Vorschriften ohne Ueberlegung zu
das eigene neue Kleid ins beste Licht gedreht,
folgen, und bastelt sich mit Millionen Gläubiger,
dann mit den Fingerspitzen ins Weihwasser ge¬
die sich über jeden Gewissenszweifel mit einem
tupft, leise und vorsichtig, die Handschuhe nicht
„Nachdenken ist Sünde“ wegtäuschen, durch die
zu verderben, majestätisch hinausgerauscht und
Jahrhunderte. Nicht eher wird ihre letzte Stunde
mit artigem Kopfnicken von dem Gruße der draußen
schlagen, als bis die Menschen sich zu ihrem
Spalier bildenden jungen Herren Notiz genommen
schönsten Geschäfte entschließen, zum Denken, was
— das ist so ziemlich der regelmäßige „Gottes¬
allerdings immer zum Baum der Erkenntnis führt.
dienst“ unserer jungen Mädchen und mit geringen
Johanna Vellhorn.
(„Tiroler Wastl*).
Abänderungen der Durchschnittsfrauen. Und sie
würden wirklich Gott zu erzürnen glauben, wenn
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sie ohne besonderes Hindernis einmal diese merk¬
Pandämonium.
würdige Kirchenrennerei unterließen. Es ist doch
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klar, daß wer se primitiv seine Gottesverehrung
JungsJesterreich gewidmet.“
abzustatten glaubt, über den Gottesbegriff auch
Das ist eine'seltsamé Géschigffte, die wohl
nicht ein einzigesmal nachgedacht haben kann.
nie aufgekfärt werden wirck Urpfeislich, gegen
Und doch rümpfen solche Leute nicht nur über
Mitternacht war es##da erhob“ sich-ein. großes
die Leugner eines durch Gebet oder andere Be¬
Heulen und Zähneklappern und man sah eine
stechungen beeinflußten Weltordners, sondern auch
weiße Gestalt mit einem Dingsda; — es war
über die allerdemütigste „Ketzerei“ die Nase.
aber nicht der Engel des Gerichtes, sondern
Gedankenlos! Das ist eben der allgemeine
Moritz Benedikt im Nachthemd, den Schofar
Trott der Menschheit, das ist der Hemmschuh der
blasend. Und es taten sich auf die übertünchten
geistigen Völkerentwicklung. Wenig nützen der
Graber und daraus stiegen viele ausgemergelte
Weit die Galilei’ usw., solang das sinnlose, me¬
Gestalten, die riefen in schauerlichem Chorus:
ihr, mich zu beruhigen und ich lag nur stumm zu
ihren Füßen ... Vor meinen Augen erschien sie
plötzlich, sie, Maschka — die „Geliebte—Maschka“
und ich begehrte sie mit meiner ganzen Leiden¬
schaft — mit der Leidenschaft eines Mannes, der
ein Weib liebt, liebt bis ins Tolle ... Ich sprang
auf und stürzte wild auf das zarte Geschöpf los.
Ich war mir alldessen bewußt und trotzdem, daß
ich einigermaßen das Vernichten des Schönen, des
Idealen kommen sah — fiel ich in das Leben, in
das gemeine, schmutzige Leben herab ... Maschka
wehrte sich mit allen Kräften. Schließlich gelang es
ihr, sich von mir loszumachen und sie stöhnte nur
folgende Worte hinaus: „Heiny, ich kann nicht,
ich darf nicht ... weißt Du, ich bin verhei¬
ratet, ich bin Frau . ich werde bald Mutter...
Heiny!.“ Ich fiel zu Boden und sah nur, wie
sie sich langsam entfernte. Lange schaute ich ihr
noch nach und unbarmherzig schrie „etwas“ in
meinem Hirne: Sie ist .... Maser.... Die
Sonne ging gerade unter. Die rotgoldenen letzten
Strahlen guckten in mein Fensier hinein und
„etwas“ wiederholte lange .. lange . .. Mutter
. sie Mutter Hahaha
Nach einigen Tagen konnte man in der Zei¬
tung folgende Notiz lesen: In einer Zelle der
niesigen Irrenanstalt wurde ein unheilbarer Pa¬
tient: Herr Heiny B., gestern abends erhängt auf¬
gefunden