nach kaum zweijähriger Tatigkeit von einem offensicht¬
lich unfertigen Werke abberufen. Viele seiner Absichten
ließen sich freilich auch nach seinem Tode noch verwirk¬
lichen und der Spielplan wurde fast ein halbes Jahr
lang noch mit den Stücken bestritten, die er zur Auf¬
führung bestimmt hatte. Dann setzte die Arbeit des pro¬
visorischen Leiters erst voll ein. Wie gut oder schlecht sie
gewesen sein mag, sicherlich ist die Linie des Anstieges,
in die Baron Berger das Theater mit Vehemenz hinein¬
gerissen hatte, nicht ungebrochen fortgesetzt worden. Denn
Berger war ein Theaterdirektor von zu starker Persön¬
lichkeit, als daß sein Nachfolger, wer immer es auch ge¬
wesen wäre, sein unfertiges Werk mühelos und mit
gleichem Erfolge wie er hätte fortsetzen können. Immer¬
hin hat Hugo Thimig in großen Zügen Baron Bergers
Programm verfolgt, nämlich: Ergänzung des Schau¬
spielerbestandes und Wiederbelebung des alten, arg ver¬
nachlässigten klassischen Programmes. Mancher gute
Griff ist ihm da gelungen, manche anerkennenswerte
Arbeit ist da getan worden. Wir haben eine Reihe guter,
neuer Schauspieler (die freilich fast ausnahmslos zu
wenig beschäftigt werden) bekommen und ein paar seit
Jahrzehnten nicht mehr gespielte Klassiker haben eine
Auferstehung gefeiert, wenn auch freilich keine solche zu
ihrem ehemaligen Glanze. Immerhin, dies sind unbe¬
streitbare Erfolge, und sie sind sicher nicht mühelos er¬
rungen worden. Weniger glücklich aber war der provi¬
sorische Leiter, wenn er auf die Suche nach Neuheiten
ging. Da gab es Mißerfolg über Mißerfolg, Stücke, die
mit großem Aufwand von Mühe und Kosten inszeniert
worden waren, um schon eine Woche später vom Theater¬
zettel zu verschwinden, oder Stücke, die zwar volle Häu¬
ser machten, aber ein so tiefes literarisches Niveau hat¬
ten, daß sich heute schon ihrer niemand mit Behagen er¬
innert, als der Kassier. Allgemach nervös geworden,
traute sich der Theaterleiter eigene Neuentdeckungen schon
nicht mehr so recht zu, sondern brachte Stücke als Neu¬
heiten in den Spielplan, die an andern Wiener Bühnen
längst die Feuerprobe bestanden hatten und seither wie¬
der in Vergessenheit geraten waren.
Bedenken muß man freilich, daß ihm die lange
Unsicherheit seiner Stellung möglicherweise die rechte
Arbeitslust benahm. Denn es ist nicht jedermanns
Sache, an eine Aufgabe, von der er in jedem Augenblick
weggerufen werden kann, sein Allerletztes, Allerbestes
hinzugeben. Provisorische sind fast nirgends und nie¬
mals vollwertig gewesen.
Ueber eine Erscheinung aber muß man offen
reden: eine Willfährigkeit Thimigs gegenüber der in
der Literatur augenblicklich herrschenden Clique. Wir
haben es in der letzten Zeit mehrfach betont, daß es eines
Burgtheaterdirektors nicht würdig ist, sich ganz und gar
einer eben im Schwange befindlichen Augenblicksmode
auszuliefern. Daß ein Schnitzler, von den die Presse be¬
herrschenden Stammesgenossen in den Himmel der Un¬
sterblichkeit gehoben, gerade hoch im Kurs steht, darf
für einen Burgtheaterdirektor kein Grund sein, nach
einem Stück dieses Dichters mit solcher Beharrlichkeit zu
fahnden, daß, wenn ein neues Stück dieses Dichters nicht
aufzutreiben ist, eben ein altes, wohl nicht am Burg¬
theater, jedoch irgend wo anders längst abgespieltes
Stück herhalten muß. Schnitzler zu spielen, darf für eine
Wiener Hofbühne keine unumgängliche Notwendigkeit
bedeuten. Solche Zugeständnisse der herrschenden Lite¬
raturelique zu machen, muß eine Hofbühne zu stolz sein.
Sie darf nicht hinter den Modegötzen des literarischen
Augenblickes herjagen, darf nicht einem bis auf die
Knochen anrüchigen Wedekind freudestrahlend die
Türen zu einem uns christlichen Wienern hochstehenden
Theater öffnen, darf nicht, um sich das Wohlwollen des
Kritikers Salzmann zu sichern, das schlechte Drama
eines Salten in ihren Spielplan aufnehmen! Sie muß
sich vielmehr unabhängig und unbeeinflußt halten von
Clique und Kritik, von Mode und Augenblick. Sie muß
andere, höhere Ziele im Auge behalten, als das durch
ständige Tribute bedingte Wohlwollen einer durchaus
jüdischen Literatenkaste.
Freilich, um heute in Dingen der Kunst mit Be¬
harrlichkeit und Entsagung gegen den Strom zu schwim¬
men, um eine eigene, nichtjüdische Ueberzeugung durch¬
zutrotzen und durchzukämpfen, dazu bedarf es eines
Mannes der feurigen Tat, eines starken, kraftvollen
Charakters. Ist Hugo Thimig ein solcher? Die Zukunft
wird es lehren.
lich unfertigen Werke abberufen. Viele seiner Absichten
ließen sich freilich auch nach seinem Tode noch verwirk¬
lichen und der Spielplan wurde fast ein halbes Jahr
lang noch mit den Stücken bestritten, die er zur Auf¬
führung bestimmt hatte. Dann setzte die Arbeit des pro¬
visorischen Leiters erst voll ein. Wie gut oder schlecht sie
gewesen sein mag, sicherlich ist die Linie des Anstieges,
in die Baron Berger das Theater mit Vehemenz hinein¬
gerissen hatte, nicht ungebrochen fortgesetzt worden. Denn
Berger war ein Theaterdirektor von zu starker Persön¬
lichkeit, als daß sein Nachfolger, wer immer es auch ge¬
wesen wäre, sein unfertiges Werk mühelos und mit
gleichem Erfolge wie er hätte fortsetzen können. Immer¬
hin hat Hugo Thimig in großen Zügen Baron Bergers
Programm verfolgt, nämlich: Ergänzung des Schau¬
spielerbestandes und Wiederbelebung des alten, arg ver¬
nachlässigten klassischen Programmes. Mancher gute
Griff ist ihm da gelungen, manche anerkennenswerte
Arbeit ist da getan worden. Wir haben eine Reihe guter,
neuer Schauspieler (die freilich fast ausnahmslos zu
wenig beschäftigt werden) bekommen und ein paar seit
Jahrzehnten nicht mehr gespielte Klassiker haben eine
Auferstehung gefeiert, wenn auch freilich keine solche zu
ihrem ehemaligen Glanze. Immerhin, dies sind unbe¬
streitbare Erfolge, und sie sind sicher nicht mühelos er¬
rungen worden. Weniger glücklich aber war der provi¬
sorische Leiter, wenn er auf die Suche nach Neuheiten
ging. Da gab es Mißerfolg über Mißerfolg, Stücke, die
mit großem Aufwand von Mühe und Kosten inszeniert
worden waren, um schon eine Woche später vom Theater¬
zettel zu verschwinden, oder Stücke, die zwar volle Häu¬
ser machten, aber ein so tiefes literarisches Niveau hat¬
ten, daß sich heute schon ihrer niemand mit Behagen er¬
innert, als der Kassier. Allgemach nervös geworden,
traute sich der Theaterleiter eigene Neuentdeckungen schon
nicht mehr so recht zu, sondern brachte Stücke als Neu¬
heiten in den Spielplan, die an andern Wiener Bühnen
längst die Feuerprobe bestanden hatten und seither wie¬
der in Vergessenheit geraten waren.
Bedenken muß man freilich, daß ihm die lange
Unsicherheit seiner Stellung möglicherweise die rechte
Arbeitslust benahm. Denn es ist nicht jedermanns
Sache, an eine Aufgabe, von der er in jedem Augenblick
weggerufen werden kann, sein Allerletztes, Allerbestes
hinzugeben. Provisorische sind fast nirgends und nie¬
mals vollwertig gewesen.
Ueber eine Erscheinung aber muß man offen
reden: eine Willfährigkeit Thimigs gegenüber der in
der Literatur augenblicklich herrschenden Clique. Wir
haben es in der letzten Zeit mehrfach betont, daß es eines
Burgtheaterdirektors nicht würdig ist, sich ganz und gar
einer eben im Schwange befindlichen Augenblicksmode
auszuliefern. Daß ein Schnitzler, von den die Presse be¬
herrschenden Stammesgenossen in den Himmel der Un¬
sterblichkeit gehoben, gerade hoch im Kurs steht, darf
für einen Burgtheaterdirektor kein Grund sein, nach
einem Stück dieses Dichters mit solcher Beharrlichkeit zu
fahnden, daß, wenn ein neues Stück dieses Dichters nicht
aufzutreiben ist, eben ein altes, wohl nicht am Burg¬
theater, jedoch irgend wo anders längst abgespieltes
Stück herhalten muß. Schnitzler zu spielen, darf für eine
Wiener Hofbühne keine unumgängliche Notwendigkeit
bedeuten. Solche Zugeständnisse der herrschenden Lite¬
raturelique zu machen, muß eine Hofbühne zu stolz sein.
Sie darf nicht hinter den Modegötzen des literarischen
Augenblickes herjagen, darf nicht einem bis auf die
Knochen anrüchigen Wedekind freudestrahlend die
Türen zu einem uns christlichen Wienern hochstehenden
Theater öffnen, darf nicht, um sich das Wohlwollen des
Kritikers Salzmann zu sichern, das schlechte Drama
eines Salten in ihren Spielplan aufnehmen! Sie muß
sich vielmehr unabhängig und unbeeinflußt halten von
Clique und Kritik, von Mode und Augenblick. Sie muß
andere, höhere Ziele im Auge behalten, als das durch
ständige Tribute bedingte Wohlwollen einer durchaus
jüdischen Literatenkaste.
Freilich, um heute in Dingen der Kunst mit Be¬
harrlichkeit und Entsagung gegen den Strom zu schwim¬
men, um eine eigene, nichtjüdische Ueberzeugung durch¬
zutrotzen und durchzukämpfen, dazu bedarf es eines
Mannes der feurigen Tat, eines starken, kraftvollen
Charakters. Ist Hugo Thimig ein solcher? Die Zukunft
wird es lehren.