VII, Verschiedenes 11, 1917–1920, Seite 18

1. Miscellaneens
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ihr##cken gegenüber benehmen. Man findet unter ihnen
Väter; die ihre geistigen Kinder lieben und hätscheln, andere
wieder sind ziemlich phiegmatisch, ja sie verachten sogar den ganzen
äußeren Theaterapparat und wenden ihm gern den Rücken. Sie
lieben ihre Stücke nur am Schreibtisch, freuen sich an jedem
Gedanken, leiden auch schöpferisch — denn wer von Schöpfer¬
freuden spricht, hat nur Mücken geboren, sagt die Ebner=Eschen¬
bach —
aber ihren ixdischen Theaterwert verfolgen sie nicht
weiter
Artur Schnitzler gehört zu den Autoren, die sich ihre
eigenen Stücke nur sehr sellen ansehen. In der letzten Spielzeit
hatte ihn Direktor Wallner eingeladen, einer Vorstellung von
„Liebelei" und „Abschiedssouper“ beizuwohnen. Der Dichter
leistete ausnahmsweise dieser Aufforderung Folge. Sonst bleibt er
dem Theater am liebsten fern, fremden Premieren weicht er nach
Möglichkeit aus. Nur bei den Gastspielen von Barnowski und
Reinhardt ist er zuweilen zu sehen. Man konnte beobachten, daß
der Dichter an seinen ewig=jungen Werken — an „Liebelei“
hängt er begreiflicherweise — schöpferische Freude hatte und die
Leistung des Fräuleins Keller als Christine gefiel ihm ganz be¬
sonders. Stolz lief die Schauspielerin umher und erzählte es
jedermann.
Karl Schönherr pflegt sich jedes seiner Stücke einmal
anzusehen.
Hermann Sudermann findet an seinen Stücken mehr
Gefallen. Von einer Loge aus prüft er den ganzen Abend das
Publikum. Er verfolgt die Wirkungen, freut sich, daß jeder
Effekt präzis funktioniert. Er blickt nur selten auf die Bühne.
Im Antlitz des Zuschauers liest ein so gewandter Bühnenautor
alles — da spiegeln sich für ihn deutlich die Wirkungen. Wenn
Scherze und Pointen einschlagen, schmunzelt er. Allen seinen
Premieren im Burg= und Volkstheater hat Sudermann gerne
beigewohnt.
Ludwig Fulda liebt seine Stücke und reist den Erfolgen
in wichtigen Städten nach. Nach Wien kommt er immer.
Franz Molnar pflegt sich in Budapest öfter im Theater
zu zeigen, aber nicht, um sich an seinen Werken zu berauschen.
Er besucht die Schauspieler in den Garderoben, macht einen geist¬
reichen satirischen Witz über dies und jenes, oft auch über sein
eigenes Stück. Dann prüft er, ob auf der Bühne alles in
Ordnung sei — er ist bekanntlich ein hervorragender Regisseur.
Und zum Schluß macht er sich gern einen lustigen Abgang und
läßt die Schauspieler lachend zurück .
Karl Rößler, der Autor der „Fünf Frankfurter“ ist
auch im Leben stets in bester Laune. Sein legerer Humor erfreut
sich großer Beliebtheit. Bei seinen Premieren —
hie und da
wohnt er einer bei — ist er nie aufgeregt. In einem nahe
gelegenen Restaurant ißt er während der Vorstellung ausgezeichnet.
ze An seinem Appetit läßt er nicht „rütteln". Zum zweiten Akt¬
#schluß wird er von einem Bühnenarbeiter geholt: „Ist es schon
so weit?“ — fragt er phlegmatisch — und wenn er gerade gut
zin aufgelegt ist, erscheint er auch, erstens weil es ihm Spaß macht
ldl und dann auch wegen der Schauspieler. Und zuletzt auch ein
zen bißchen wegen des Publikums. Wiewohl er sonst kein Freund der
jet.
Hervorrufe ist. Ihm macht dieser ganze Apparat des Erscheinens
sost
(Herausholen des hinter den Kulissen offiziell „zittern den" Autors)
keine Freude und wenn er es vermeiden kann, so geschieht es.
en=Andere Autoren erscheinen auf den ersten Ruf. Komponisten haben
zu- stets ein Ensuitelächeln auf den Lippen ..
des
Hermann Bahr interessiert sich für seine Stücke nur so
zen, lange er sie schreibt. Sein „Konzert“, das bekanntlich ein Welt¬
zen erfolg war, hat er — so wird erzählt — im Deutschen Volks¬
sich theater überhaupt nicht gesehen! Auch zu der Wiener Premiere
an der „Kinder“ erschien er nicht.
die
Felix Salten, der einer der trefflichsten Regisseure
seiner Stücke ist, wohnt steis der Berliner Uraufführung seiner
i3= Komödien bei. Die Uraufführung findet prinzipiell nicht
je¬
in Wien statt! Gewöhnlich kommen seine Stücke erst nach Wien,
in
wenn sie bereits die Runde über die Bühnen gemacht haben. Sein
en
Einakterzyklus „Kinder der Freude“
einer der stärksten
hr
Bühnenerfolge der letzten Jahre — hatte seine Uraufführung
in Zürich.
Ein anderer sehr bekannter Wiener Schwankdichter ist so
maßlos aufgeregt, daß er sich an Premierenabenden überhaupt
nicht zeigt. Meist ist er „unpäßlich“. Die Hervorrufe mag er
nicht. „Das kommt mir vor, wie wenn der Restaurateur im
* Er sieht sich seine Stücke zumeist
Lokal die Gäste begrüßt..
am Sonntag an, da er sich vor Bekannten geniert. In seinen
Possen zeigt er allerdings weniger Schamgefühl.
Ein erfolgreicher Lustspielautor hat sich seine Naivetät
bewahrt. Er lacht über seine eigenen Scherze und zum Aktschluß
applaudiert er eigenhändig Der gute Mann hat sich trotz zwanzig¬
jähriger fleißiger und fast immer ehrlicher Dramenproduktion seine
*
I llusionen bewahrt ...