VII, Verschiedenes 11, 1917–1920, Seite 20

——
box 41/6
1. Miscellancens
endlich. Die neidischen Herren Kaffeehauskollegen erklärten lächelnd:
„Na, Sie werden eine anständige Kriegsgewinnsteuer bezahlen
müssen.“ Worauf ein Kritiker malitiös bemerkte:
„O nein, von Haupttreffern zahlt man vorläufig
keine Kriegsgewinnsteuer.“
Die meisten Tantiemen verdienten Ludwig Fulda mit dem
Lustspiel „Die verlorene Tochter“, die Herren Möller und
Sachs mit dem Lustspiel „Meine Frau, die Hofschauspielerin“
und Karl Rößler mit den „Seehunden". Jedes dieser Stücke
wird auf eine Viertelmillion Mark geschätzt, was ziemlich viel ist
da ja jetzt das Ausland entfällt. „Husarenfieber“ „Im weißen
Rößl“, von „Alt=Heidelberg“ zu schweigen, haben übrigen¬
in Friedenszeiten unvergleichlich mehr Tantiemen abgeworfen.
Das beweist, daß die Konjunktur für gute Stücke zu allen
haben vor¬
Zeiten
da ist. Von den Operetten
nehmlich „Das Dreimäderlhaus“ und die „Czardasfürstin“
für die Direktoren Millionen ins Rollen gebracht.
Die Kurse der Operettenbörse sind ins Maßlose gestiegen. Das
Johann=Strauß=Theater zum Beispiel spielt prinzipiell jede
Operette die ganze Saison durch. Die anderen Theater versuchen,
sich diesem Prinzip anzuschließen. Besondere Konjunkturen gibt
es hier genau so wie in jeder bürgerlichen Branche. Die
Tantiemen machen eine Ausnahme von anderen Artikeln, die
werden immer — fetter.
Der Steuerkommissär durchleuchtet nun die Kriegsgewinner
des Theaters wirklich mit Röntgenstrahlen, um ihre Geheimnisse
zu erforschen. Es geht der Literatur jetzt überhaupt an den
Kragen. Man setzt, seitdem sie für so viele ein goldenes Hand¬
werk und die Kunst lange nicht nur nach Brot allein
an.
Steuerschraube etwas kräftiger
geht, die
Die
Literatur wird
jetzt auch „oben“ gebührend ge¬
chätzt.
Und die Steuerbehörde macht,
seitdem sie
ihr Argusauge noch geschärft hat, die besten Erfahrungen.
Man würde es kaum glauben, wie große Summen das Theater
dem Staate abgibt. Ein bekannter Librettist hat im Vorjahr weit
über zweimalhunderttausend Kronen selbst fatiert. Einer seiner
Kollegen soll ausgerufen haben: „Was muß der Mann erst wirk¬
lich verdienen!“ Das ist wohl nur ein Scherz, den ehrlicher
kameradschaftlicher Neid geboren hat.
Vor kurzem wurde ein viel aufgeführter Autor vorgeladen,
weil man die Höhe der von ihm angegebenen Einnahmen zu ge¬
ring fand. Er konnte sich legitimieren und er bedauerte es am
meisten, daß seine literarische Bedeutung von der Steuerbehörde —
überschätzt wurde. Bei einem Schwankdichter, der auch Lokalpossen
schreibt, die über Oesterreich nicht hinauskommen, bezweifelte man
ebenfalls die Richtigkeit der Angaben. Der Arme erhält
seine Tantiemen leider in Briefmarken. Er antwortete:
„Wenn die löbliche Steuerbehörde einen armen Schwankautor so
sekkiert, kann er leicht den Humor verlieren. Das wäre dann
direkt Betriebsstörung.“ Eine lustige Episode soll hier festgehalten
werden. Ein Autor, der gern ausgiebig Reklame macht, wurde
vorgeladen. „Es ist unmöglich, daß Sie bloß 20.000 Kronen
jährlich verdienen“, wurde dem Manne vorgehalten. „Ich verdiene
wirklich nicht mehr“, erklärte der Librettist mit seinem großen
(Kaffeehausehrenwort. „Das ist kaum glaublich“, erwiderte der
Kommissär und zog den Akt des betreffenden Herrn hervor.
19 r. 19- Aoles Wiener Jeurnal Win
„Sehen Sie nur her“, und er wies auf den Akt hin. Aus ver¬
schiedenen Zeitungen waren folgende Notizen aufgeklebt:
„Direktor Vollmer Hansen hat die neue Operette
von X, die im Y-Theater täglich ausverkaufte Häuser macht, für
Die Kriegsgewinner des
Skandinavien erworben.“
„Da sich die Zugkraft der Operette . . . von & von Tag
Theaters.
zu Tag steigert, wurden alle anderen Werke, die an dieser Bühne
(Höchstpreise für Operetten. — Eine Viertelmillion Tantiemen. — Die
zur Aufführung bestimmt waren, auf die nächste Saison verschoben,
Betriebsstörung. — Besteuerte Reklamenotizen.)
so daß die Schlageroperette bis zu Ende der Spielzeit auf den
Handwerk hat einen goldenen Boden. Auch das Theater¬
Repertoire verbleibt.“
handwerk. Selbst hier gibt es sozusagen Kriegsgewinner. Auch
„Das Y=Theater erzielt mit der Operette ... von & die
auf dem Theater werden jetzt die „Stoffe“ glänzend bezahlt.
größten Einnahmen seit seinem Bestehen. Die ersten hundert Auf.
Einige Autoren hatten noch gute, alte Ware auf Lager. Sie
führungen brachten eine Bruttoeinnahme von 800.000 Kronen.“
erzielten hohe Preise. Es kommen hier ebenfalls Preistreibereien
Dem Librettisten wäre, sein Notizenruhm fast teuer zu stehen
vor. Einer unserer erfolgreichsten Komponisten hat vor kurzem
gekommen. Besteuerte Eitelkeit! Billige Reklame kostet Geld.
den Antrag erhalten, für die Eröffnungsvorstellung einer neu
Es gibt eine ganze Reihe Autoren, die bei der Steuer¬
adaptierten Berliner Operettenbühne eine Operette zu schreiben.
behörde großes Ansehen genießen, weil man sicher weiß, daß sie
Er refusierte die ihm angebotene Garantiesumme von 20.000 Mark
ganz ehrlich fatieren. Artur Schnitzler. Hermann Bahr, Karl
mit dem Bemerken: „Das reizt mich nicht" Da er in
Schönherr und andere bekennen die Erträgnisse ihrer Werke auf
der verflossenen Spielzeit ein dramatischer Kriegsgewinner
Heller und Pfennig. Einzelne legen die Abrechnungen ihrer
war, kann sich der gute Mann das ruhig erlauben. Verleger vor. So war man in Steuerkreisen erstaunt über die
Aber dieses Beispiel ist symptomatisch. Ein Theaterdirektor,
großen Einnahmen des „Weibsteufel" (in jenen Städten, in
der diesen in eingeweihten Kreisen viel besprochenen „Fall“
denen er nicht verboten ist).
erfuhr, meinte: „Man sollte auch bei Operetten Höchstpreise
Daß auch literarische Stücke so viel tragen können wie
einführen“
and
Einiahrsoveretten, hätte man nicht geglaubt
in Deutichte