Mi
aus
box 44/6
ne Wienern /
bei Präsident Hobel.
Die Rezitatorin Margarete Bach im Weißen Hause.
Von unserem amerikanischen Korrespondenten Dr. Heinrich Reichlin.
New-York, im Februar.
Die bekannte Wiener Rezitatorin Margarete Bach hat
mit ihrer Kunst in den fünf Monaten ihres Aufenthaltes in
den Vereinigten Staaten an vielen Stätten des großen Landes
bedeutenden Erfolg erzielt. Der deutsche Generalkonsul in
Chicago Dr. H. Simon veranstaltete zu Ehren der Vortrags¬
künstlerin einen Empfangsabend, zu dem siebenundfünfzig
Gäste erschienen waren. Vertreter der beiden Universitäten in
Chicago, die bekanntesten Führer der Deutschamerikaner, unter
ihnen Dr. Otto Schmidt, der eine bedeutende Rolle in den
Vorbereitungsarbeiten für die kommende Weltausstellung in
Chicago innehat, zählten zu der interessanten Zuhörerschaft.
Von Chicago ging es schnell nach Washington, wo sie bereits
einmal früher im Radio zu sprechen Gelegenheit hatte, und
diesmal erwartete sie eine ganz große Auszeichnung in der
politischen Metropole Amerikas: Präsident Hoover lud
Fräulein Bach zu einer Privataudienz ein, eine Ehre, die nur
in den seltensten Fällen zuteil wird. „Der Empfang im Weißen
Hause erfolgte am 7. Februar. Stellen Sie sich meine Ueber¬
raschung vor, als mein Reisegepäck, das ich in Chicago ganz
übermüdet aufgegeben hatte, in jenem Zeitpunkt noch nicht an
Ort und Stelle war. Ich erschien daher vor Präsident Hoover
genau so wie Sie mich da sehen, in meinem Reisekleid
meinte Fräulein Bach. Sie trug ein schwarzes Kleid und eben¬
solchen Hut. „Unser politischer Vertreter in Washington
Gesandter Prochnik erwartete mich vorerst in unserem wunder¬
schönen Gesandtschaftsgebäude, um mich sodann, den üblichen
Vorschriften entsprechend, dem amerikanischen Staatsoberhaupt
vorzustellen. Minister Prochnik trug Jackeit und Zylinder.
Zuerst in die Kanzlei des Kabinettchefs und von dort in das
sich unmittelbar daran anschließende Zimmer des Präsidenten.
Draußen vor dem Raume versahen Detektive ihren vorschrifts¬
mäßigen Dienst. Das große, helle Office des Präsidenten auf¬
fallend in seiner Einrichtung: wenn man es betritt, erblickt
man zur Rechten einen großen Schreibtisch, dahinter zwei
Fahnen. Die eine ist die amerikanische Flagge, die andere
konnte ich, da sie eingerollt war, ihrer Nationalität nach nicht
erkennen.
Als Prochnik und ich das Zimmer betraten, kam Prä¬
sident Hoover uns freundlich entgegen und begrüßte mich mit
warmen Händedruck. I know, Miß Bach, you are from Vienna,
and I am indeed very glad to meet you." (Ich weiß, Fräulein
Bach, Sie sind von Wien, und ich bin wahrlich erfreut, Sie zu
treffen.). Er erkundigte sich freundlich während der einstündigen
ungezwungenen Unterredung über meine Vorträge, plauderte
über europäische Universitäten und stellte mit vergnügtem
Schmunzeln an mich die ein wenig überraschende Frage,
welches Erlebnis während meiner umfangreichen Tourneereise
auf mich eigentlich den größten Eindruck gemacht hätte. Nun
ereignete sich in Chicago der folgende Fall: Nach meiner
Rezitation kamen zwei Studentinnen auf mich zu und meinten,
sie hätten infolge ihrer mangelnden Kenntnisse der deutschen
Sprache fast gar nichts von dem Inhalt meiner Vorträge ver¬
standen, doch zu einer Ueberzeugung wären sie gelangt: nach
dem Klang bloß zu urteilen, müßte die deutsche Sprache sehr
schön und interessant sein. Als ich diesen Vorfall dem Präsidenten
darauf erzählte, steigerten sein Schmunzeln zu einem herz¬
lichen Lächeln. Nach Beendung der einstündigen Audienz be¬
gleitete uns Präsident Hoover bis zur Tür und verabschiedete
sich gleichfalls mit herzlichem Händedruck.
Fräulein Bach meint, daß die Bibel, Goethe, Gerhart
Hauptmann und Schnitzler hier am „gesuchtesten“ sind. Ueberall
begegnet man in den seinen Gesellschaftskreisen Amerikas, auch
außerhalb der Universitäten größtem Interesse für deutsche
Literatur. Die zahlreichen Veranstaltungen, bei denen Fräulein
Bach in Privathäusern rezitierte, beweisen es deutlich. „Un¬
vergeßlich wird mir der Abend bleiben, den Frau Felix War¬
burg veranstaltete. Die große Halle war bis aufs letzte Plätzchen
besetzt und unter den erschienenen illustren Gästen waren, was
mich ganz besonders freute, drei Generationen der einzig gast¬
freundlichen Familie Warburg anwesend: Mrs. Jakob Schiff,
die entzückende Mutter der Frau Warburg, Herr und Frau
Felix Warburg sowie Frau Warburg junior, bekanntlich eine
scharmante Wienerin, die eine bedeutende Rolle im amerikanischen
unstleben spielt."
aus
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ne Wienern /
bei Präsident Hobel.
Die Rezitatorin Margarete Bach im Weißen Hause.
Von unserem amerikanischen Korrespondenten Dr. Heinrich Reichlin.
New-York, im Februar.
Die bekannte Wiener Rezitatorin Margarete Bach hat
mit ihrer Kunst in den fünf Monaten ihres Aufenthaltes in
den Vereinigten Staaten an vielen Stätten des großen Landes
bedeutenden Erfolg erzielt. Der deutsche Generalkonsul in
Chicago Dr. H. Simon veranstaltete zu Ehren der Vortrags¬
künstlerin einen Empfangsabend, zu dem siebenundfünfzig
Gäste erschienen waren. Vertreter der beiden Universitäten in
Chicago, die bekanntesten Führer der Deutschamerikaner, unter
ihnen Dr. Otto Schmidt, der eine bedeutende Rolle in den
Vorbereitungsarbeiten für die kommende Weltausstellung in
Chicago innehat, zählten zu der interessanten Zuhörerschaft.
Von Chicago ging es schnell nach Washington, wo sie bereits
einmal früher im Radio zu sprechen Gelegenheit hatte, und
diesmal erwartete sie eine ganz große Auszeichnung in der
politischen Metropole Amerikas: Präsident Hoover lud
Fräulein Bach zu einer Privataudienz ein, eine Ehre, die nur
in den seltensten Fällen zuteil wird. „Der Empfang im Weißen
Hause erfolgte am 7. Februar. Stellen Sie sich meine Ueber¬
raschung vor, als mein Reisegepäck, das ich in Chicago ganz
übermüdet aufgegeben hatte, in jenem Zeitpunkt noch nicht an
Ort und Stelle war. Ich erschien daher vor Präsident Hoover
genau so wie Sie mich da sehen, in meinem Reisekleid
meinte Fräulein Bach. Sie trug ein schwarzes Kleid und eben¬
solchen Hut. „Unser politischer Vertreter in Washington
Gesandter Prochnik erwartete mich vorerst in unserem wunder¬
schönen Gesandtschaftsgebäude, um mich sodann, den üblichen
Vorschriften entsprechend, dem amerikanischen Staatsoberhaupt
vorzustellen. Minister Prochnik trug Jackeit und Zylinder.
Zuerst in die Kanzlei des Kabinettchefs und von dort in das
sich unmittelbar daran anschließende Zimmer des Präsidenten.
Draußen vor dem Raume versahen Detektive ihren vorschrifts¬
mäßigen Dienst. Das große, helle Office des Präsidenten auf¬
fallend in seiner Einrichtung: wenn man es betritt, erblickt
man zur Rechten einen großen Schreibtisch, dahinter zwei
Fahnen. Die eine ist die amerikanische Flagge, die andere
konnte ich, da sie eingerollt war, ihrer Nationalität nach nicht
erkennen.
Als Prochnik und ich das Zimmer betraten, kam Prä¬
sident Hoover uns freundlich entgegen und begrüßte mich mit
warmen Händedruck. I know, Miß Bach, you are from Vienna,
and I am indeed very glad to meet you." (Ich weiß, Fräulein
Bach, Sie sind von Wien, und ich bin wahrlich erfreut, Sie zu
treffen.). Er erkundigte sich freundlich während der einstündigen
ungezwungenen Unterredung über meine Vorträge, plauderte
über europäische Universitäten und stellte mit vergnügtem
Schmunzeln an mich die ein wenig überraschende Frage,
welches Erlebnis während meiner umfangreichen Tourneereise
auf mich eigentlich den größten Eindruck gemacht hätte. Nun
ereignete sich in Chicago der folgende Fall: Nach meiner
Rezitation kamen zwei Studentinnen auf mich zu und meinten,
sie hätten infolge ihrer mangelnden Kenntnisse der deutschen
Sprache fast gar nichts von dem Inhalt meiner Vorträge ver¬
standen, doch zu einer Ueberzeugung wären sie gelangt: nach
dem Klang bloß zu urteilen, müßte die deutsche Sprache sehr
schön und interessant sein. Als ich diesen Vorfall dem Präsidenten
darauf erzählte, steigerten sein Schmunzeln zu einem herz¬
lichen Lächeln. Nach Beendung der einstündigen Audienz be¬
gleitete uns Präsident Hoover bis zur Tür und verabschiedete
sich gleichfalls mit herzlichem Händedruck.
Fräulein Bach meint, daß die Bibel, Goethe, Gerhart
Hauptmann und Schnitzler hier am „gesuchtesten“ sind. Ueberall
begegnet man in den seinen Gesellschaftskreisen Amerikas, auch
außerhalb der Universitäten größtem Interesse für deutsche
Literatur. Die zahlreichen Veranstaltungen, bei denen Fräulein
Bach in Privathäusern rezitierte, beweisen es deutlich. „Un¬
vergeßlich wird mir der Abend bleiben, den Frau Felix War¬
burg veranstaltete. Die große Halle war bis aufs letzte Plätzchen
besetzt und unter den erschienenen illustren Gästen waren, was
mich ganz besonders freute, drei Generationen der einzig gast¬
freundlichen Familie Warburg anwesend: Mrs. Jakob Schiff,
die entzückende Mutter der Frau Warburg, Herr und Frau
Felix Warburg sowie Frau Warburg junior, bekanntlich eine
scharmante Wienerin, die eine bedeutende Rolle im amerikanischen
unstleben spielt."