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Impression, musikalischer Refler auf Eindrücke von Kraftstellen nicht ganz aus. Namentlich die beiden
außen ist, und nur wenig von der Innenleben sei. Nachtmusiken fanden starken Beifall, die zweite
nes Schöpfens kündet. Was Mahlers Phantasie am hätte um ein Haar wiederholt werden müssen. Zum
meisten anregt sind Vorgänge des Volkslebens, Auf=Schlusse gab es enthusiastische Ovationen für Mah¬
züge, Märsche, Tänze. Der Alltag zieht ihn an, ler, der etwa ein dutzendmal vor die Rampe gerufen
eine Frivialität hat keine Schrecken für ihn, ja wurde. Das gehobene Gefühl, einem außerordentli¬
die Pleinairemusik bildet geradezu eine Spezialität chen künstlerischen Ereignis beigewohnt zu haben,
seines symphonischen Schaffens. Es ist Geschmack beherrschte Alle. Das Konzert war ausverkauft.
Dr. Richard Batka.
sache, ob eine Melodie wie das vom Cello geführte
Trio des zweiten Satzes, so hübsch es klingt, über¬
haupt noch als konzertsaalfähig gelten soll — und
nicht besser in freier Luft, draußen im Gartenpavil¬
lon zu spielen wäre. Mahler liebt solche äußerste
Leutseligkeit, die in schroffen Gegensatz steht zu sei¬
nen himmelhohen, wolkensernen Ekstasen. Les ex¬
trêmes se touchent. Nimmt man die Motive ein¬
zeln, so ist wohl keines im höheren Sinne originell.
Tongedanken, die uns als Eingebungen eines schö¬
pferischen Genies sofort überzeugen, fehlen ganz.
Musik.
Aber wie Mahlers starke Persönlichkeit diese Aller¬
welts=Motive ausprägt und ihnen ihren scharfen
Gustav Mahlers „Siebente".
Stempel ausdrückt, so daß sie mit einem Male
Relief und Charakter zeigen, ist eines der merkwür¬
Die Aufführung.
digsten Phänomene der Kunstgeschichte. Man nenne
Arthur Schnitzler soll jüngst in einem Privat
das nicht Mache. Es ist mehr. Es entspringt einer
gespräch gemein haben, wenn man nicht wüßte, daß fast dämonischen Kraft, das eigene Ich den Dingen
Richard Strauß Arier und Gustav Mahler jüdischen
aufzuzwingen, vielleicht einer Verachtung der Ob¬
Abstammung ist, würde man bei dem Schöpfer der
jektivität der Welt, die für Mahler erst Wert und
„Salome" unstreitig die üppige erotische Sinnlich Geltung gewinnt, wenn sie in seiner Subjektivität
keit, die orientalisch ausschweifende Phantasie, den
zu leben anfängt. Als eine Vereinigung stärkster,
Hang zum äußeren Effekt und das Talent
unausgeglichener seelischer Kontraste, als gewaltiger
Selbstausmachung, überhaupt das Geschick
Willensmensch und schwärmerischer Naturfreund,
wirtschaftlichen Verwertung seiner Arbeiten
als raffiniertester, alle Mittel der Tonkunst mei¬
spezifisch semitische Eigenschaften bemerken und ihm
sternder Könner und naiver, volkstümlicher Musi¬
Gustav Mahler, als den Mann der mystischen Ver
kant, als Beherrscher riesiger Orchestermassen und
beltheit, als gigantischen Felsblocktürmer, als
als delikatester Pointillist der Instrumentation bil¬
en keuschen Wunderhornsänger, der die Musik der der Mahler ein Problem, ein Rätsel, dessen Lösung
fahrenden Gesellen aus dem Volke symphoniefähig
uns nicht einleuchten will, obwohl wir das geistige
macht, als Idealisten, kurzum als den Typus des
Fluidum, das von ihm ausströmt, beinahe körperlich
germanischen Künstlers entgegenhalten. Es ist nicht
zu empfinden glauben.
meine Absicht, hier die heille Frage nach dem Ver
Man ist gewohnt, daß eine neue Orchester¬
hältnis von Kunst und Rasse auszurollen, ich streife
komposition Mahlers einige instrumentale Ueber¬
sie nur angesichts des Umstandes, daß Mahler auch
raschungen bringt. Reizend nehmen sich im zweiten
im Ausstellungskonzert als spezifischer Vertreter
Notturno die obligate Gitarre und Mandoline aus
des modernen deutschen Kunstschaffens ange
Herdenglocken und Ruthen kommen bei Mahler
sehen und aufgenommen wurde. Er, den das Urtei
schon in früheren Symphonien vor, werden aber
der Verständigen längst zum Generalmusikdirektor
nun, wie es scheint, nicht mehr programmatisch son¬
Oesterreichs ernannt hat, bildet als der Erste unter
dern rein koloristisch angewendet. Auch ein solistisch
den deutschen Musikern aus Böhmen
ohne hervortretendes Tenor=Horn verdient als ein apar¬
selbst zu wollen — ein Politikum. Und doch ist die des Kunstmittel gebucht zu werden, der tausend geist¬
Macht seiner Persönlichkeit eine so zwingende, daß reichen, von einem unvergleichlichen Klangsinn er¬
sie sogar die strengen Scheidewände zwischen der
hörten Kombinationen zu geschweigen.
Nationen durchbricht und die tschechische Musikwel
Von den einzelnen Sätzen scheint mir der erste
sich zur Gefolgschaft bewegt. Während früher Sme
der kolossalste; der zweite der populärte, der vierte
tana und Dvorak die Tonkunst in Böhmen repräsen¬ ein Leckerbissen, der fünfte endlich der gemeinhin
tierten, ist der Held der Ausstellungskonzerte dieses wirksamste zu sein. Interessant sind sie alle, wie ihr
Sommers unstreitig unser Mahler gewesen, einfach Schöpfer, in dessen Entwickelungsgange die Sympho¬
darum, weil die Andern ihm von ihren Lebenden
nie unstreitig eine wichtige Etappe bedeutet. Mahler,
heute keinen mehr als ebenbürtig an die Seite oder der sonst durch das Ungeheure seines Wurfes auch
entgegen zu stellen haben.
denen imponierte, die ihn als Komponisten ablehn¬
Ueber die äußere Beschaffenheit der Sym¬
ten, ist in die Jahre künstlerischer Vollreife einge¬
phonie ist schon im Vorbericht das Nötigste gesagt treten und hat seinen Maßstab endlich in sich ge¬
worden. Sie hat fünf Sätze und hier stock ich schon.
funden. Das Konzentrierte seiner neuen Schaffens¬
Mahler, ist ja nicht der Erste, der die Zahl der
periode läßt die Geschlossenheit und Logik seiner
Sätze vermehrt. Die alte, vierteilige Symphonie
Formengebung und Tonsprache nun umso deutlicher
war das Erzeugnis einer klugen künstlerischen Aus¬
hervortreten. Mahler hat Bewundernswürdigeres,
lese unter den verschiedenen Möglichkeiten. Es er
geschrieben als diese Siebente, als er mit Quadern
schien zweckmäßig, den Komponisten von vornherein musikalisch Fangball spielte und in verzückter In¬
zu verpflichten, die drei Haupttypen des Empfin¬ brunst seinen Preisgesang auf Gott und Welt an¬
stimmte und mit dem großen Pan auf Du und Du
dens: das kämpferische Allegro, das gesangvolle
verkehrte. Aber es ist nichts Duftigeres, Poetischeres
Adagio, das rhythmische Scherzo zu durchmessen und
in seiner Phantasie erblüht, als die zweite Notturne.
das Ganze mit dem Jubel des Finale zu bekrönen
Ich persönlich vermute zwar, daß die Zukunft der Der Romantiker, der Mahler in der Tiefe seines
drei sätzigen Form gehört, aber es soll uns daneben Herzens doch ist, spricht sich da so ein und unnach¬
auch jede andere recht sein, die sich selbst plausibel ahmlich aus, daß die Bedenken, die man sich ange¬
sichts mancher Momente seines Schaffens nicht ver¬
zu machen weiß. Sollen wir aber nicht aus den
Bereich der Symphonie auf den Boden der Suite hehen kann, vor diesem köstlichen, klingenden Ju¬
geraten, so muß ein geistiges Band die einzelnen viel verstummen. Schade, daß es bei der Aufführung
im hell erleuchteten Saal etwas von seiner fü߬
Sätze des Gesamtwerkes zusammenhalten. Leider
heimlichen Wirkung einbüßt. Bei der Generalprobe,
huldigt Mahler dem Prinzip des verhaltenen Pro¬
gramms. Wir erfahren nicht und müssen's bloß er aus dem herrschenden Halbdunkel heraus war der
raten oder gedankenlos hinnehmen, warum auf die Eindruck noch suggestiver und intimer. Das wahr¬
marschmäßige „Nachtmusik" des zweiten Satzes ein haft dämonische Scherzo aber hat mich eigentlich
düsteres Scherzo=Capriccio und dann wieder eine erst am Abend so recht gepackt, wie denn die Sym¬
phonie mit jedem neuen Hören in geradezu über¬
„Nachtmusik" im Serenadencharakter folgt, wieso in
raschender Weise gewinnt. Manches, was anfangs
den zweiten und letzten Satz mit einem male Herden¬
te ich
n
Impression, musikalischer Refler auf Eindrücke von Kraftstellen nicht ganz aus. Namentlich die beiden
außen ist, und nur wenig von der Innenleben sei. Nachtmusiken fanden starken Beifall, die zweite
nes Schöpfens kündet. Was Mahlers Phantasie am hätte um ein Haar wiederholt werden müssen. Zum
meisten anregt sind Vorgänge des Volkslebens, Auf=Schlusse gab es enthusiastische Ovationen für Mah¬
züge, Märsche, Tänze. Der Alltag zieht ihn an, ler, der etwa ein dutzendmal vor die Rampe gerufen
eine Frivialität hat keine Schrecken für ihn, ja wurde. Das gehobene Gefühl, einem außerordentli¬
die Pleinairemusik bildet geradezu eine Spezialität chen künstlerischen Ereignis beigewohnt zu haben,
seines symphonischen Schaffens. Es ist Geschmack beherrschte Alle. Das Konzert war ausverkauft.
Dr. Richard Batka.
sache, ob eine Melodie wie das vom Cello geführte
Trio des zweiten Satzes, so hübsch es klingt, über¬
haupt noch als konzertsaalfähig gelten soll — und
nicht besser in freier Luft, draußen im Gartenpavil¬
lon zu spielen wäre. Mahler liebt solche äußerste
Leutseligkeit, die in schroffen Gegensatz steht zu sei¬
nen himmelhohen, wolkensernen Ekstasen. Les ex¬
trêmes se touchent. Nimmt man die Motive ein¬
zeln, so ist wohl keines im höheren Sinne originell.
Tongedanken, die uns als Eingebungen eines schö¬
pferischen Genies sofort überzeugen, fehlen ganz.
Musik.
Aber wie Mahlers starke Persönlichkeit diese Aller¬
welts=Motive ausprägt und ihnen ihren scharfen
Gustav Mahlers „Siebente".
Stempel ausdrückt, so daß sie mit einem Male
Relief und Charakter zeigen, ist eines der merkwür¬
Die Aufführung.
digsten Phänomene der Kunstgeschichte. Man nenne
Arthur Schnitzler soll jüngst in einem Privat
das nicht Mache. Es ist mehr. Es entspringt einer
gespräch gemein haben, wenn man nicht wüßte, daß fast dämonischen Kraft, das eigene Ich den Dingen
Richard Strauß Arier und Gustav Mahler jüdischen
aufzuzwingen, vielleicht einer Verachtung der Ob¬
Abstammung ist, würde man bei dem Schöpfer der
jektivität der Welt, die für Mahler erst Wert und
„Salome" unstreitig die üppige erotische Sinnlich Geltung gewinnt, wenn sie in seiner Subjektivität
keit, die orientalisch ausschweifende Phantasie, den
zu leben anfängt. Als eine Vereinigung stärkster,
Hang zum äußeren Effekt und das Talent
unausgeglichener seelischer Kontraste, als gewaltiger
Selbstausmachung, überhaupt das Geschick
Willensmensch und schwärmerischer Naturfreund,
wirtschaftlichen Verwertung seiner Arbeiten
als raffiniertester, alle Mittel der Tonkunst mei¬
spezifisch semitische Eigenschaften bemerken und ihm
sternder Könner und naiver, volkstümlicher Musi¬
Gustav Mahler, als den Mann der mystischen Ver
kant, als Beherrscher riesiger Orchestermassen und
beltheit, als gigantischen Felsblocktürmer, als
als delikatester Pointillist der Instrumentation bil¬
en keuschen Wunderhornsänger, der die Musik der der Mahler ein Problem, ein Rätsel, dessen Lösung
fahrenden Gesellen aus dem Volke symphoniefähig
uns nicht einleuchten will, obwohl wir das geistige
macht, als Idealisten, kurzum als den Typus des
Fluidum, das von ihm ausströmt, beinahe körperlich
germanischen Künstlers entgegenhalten. Es ist nicht
zu empfinden glauben.
meine Absicht, hier die heille Frage nach dem Ver
Man ist gewohnt, daß eine neue Orchester¬
hältnis von Kunst und Rasse auszurollen, ich streife
komposition Mahlers einige instrumentale Ueber¬
sie nur angesichts des Umstandes, daß Mahler auch
raschungen bringt. Reizend nehmen sich im zweiten
im Ausstellungskonzert als spezifischer Vertreter
Notturno die obligate Gitarre und Mandoline aus
des modernen deutschen Kunstschaffens ange
Herdenglocken und Ruthen kommen bei Mahler
sehen und aufgenommen wurde. Er, den das Urtei
schon in früheren Symphonien vor, werden aber
der Verständigen längst zum Generalmusikdirektor
nun, wie es scheint, nicht mehr programmatisch son¬
Oesterreichs ernannt hat, bildet als der Erste unter
dern rein koloristisch angewendet. Auch ein solistisch
den deutschen Musikern aus Böhmen
ohne hervortretendes Tenor=Horn verdient als ein apar¬
selbst zu wollen — ein Politikum. Und doch ist die des Kunstmittel gebucht zu werden, der tausend geist¬
Macht seiner Persönlichkeit eine so zwingende, daß reichen, von einem unvergleichlichen Klangsinn er¬
sie sogar die strengen Scheidewände zwischen der
hörten Kombinationen zu geschweigen.
Nationen durchbricht und die tschechische Musikwel
Von den einzelnen Sätzen scheint mir der erste
sich zur Gefolgschaft bewegt. Während früher Sme
der kolossalste; der zweite der populärte, der vierte
tana und Dvorak die Tonkunst in Böhmen repräsen¬ ein Leckerbissen, der fünfte endlich der gemeinhin
tierten, ist der Held der Ausstellungskonzerte dieses wirksamste zu sein. Interessant sind sie alle, wie ihr
Sommers unstreitig unser Mahler gewesen, einfach Schöpfer, in dessen Entwickelungsgange die Sympho¬
darum, weil die Andern ihm von ihren Lebenden
nie unstreitig eine wichtige Etappe bedeutet. Mahler,
heute keinen mehr als ebenbürtig an die Seite oder der sonst durch das Ungeheure seines Wurfes auch
entgegen zu stellen haben.
denen imponierte, die ihn als Komponisten ablehn¬
Ueber die äußere Beschaffenheit der Sym¬
ten, ist in die Jahre künstlerischer Vollreife einge¬
phonie ist schon im Vorbericht das Nötigste gesagt treten und hat seinen Maßstab endlich in sich ge¬
worden. Sie hat fünf Sätze und hier stock ich schon.
funden. Das Konzentrierte seiner neuen Schaffens¬
Mahler, ist ja nicht der Erste, der die Zahl der
periode läßt die Geschlossenheit und Logik seiner
Sätze vermehrt. Die alte, vierteilige Symphonie
Formengebung und Tonsprache nun umso deutlicher
war das Erzeugnis einer klugen künstlerischen Aus¬
hervortreten. Mahler hat Bewundernswürdigeres,
lese unter den verschiedenen Möglichkeiten. Es er
geschrieben als diese Siebente, als er mit Quadern
schien zweckmäßig, den Komponisten von vornherein musikalisch Fangball spielte und in verzückter In¬
zu verpflichten, die drei Haupttypen des Empfin¬ brunst seinen Preisgesang auf Gott und Welt an¬
stimmte und mit dem großen Pan auf Du und Du
dens: das kämpferische Allegro, das gesangvolle
verkehrte. Aber es ist nichts Duftigeres, Poetischeres
Adagio, das rhythmische Scherzo zu durchmessen und
in seiner Phantasie erblüht, als die zweite Notturne.
das Ganze mit dem Jubel des Finale zu bekrönen
Ich persönlich vermute zwar, daß die Zukunft der Der Romantiker, der Mahler in der Tiefe seines
drei sätzigen Form gehört, aber es soll uns daneben Herzens doch ist, spricht sich da so ein und unnach¬
auch jede andere recht sein, die sich selbst plausibel ahmlich aus, daß die Bedenken, die man sich ange¬
sichts mancher Momente seines Schaffens nicht ver¬
zu machen weiß. Sollen wir aber nicht aus den
Bereich der Symphonie auf den Boden der Suite hehen kann, vor diesem köstlichen, klingenden Ju¬
geraten, so muß ein geistiges Band die einzelnen viel verstummen. Schade, daß es bei der Aufführung
im hell erleuchteten Saal etwas von seiner fü߬
Sätze des Gesamtwerkes zusammenhalten. Leider
heimlichen Wirkung einbüßt. Bei der Generalprobe,
huldigt Mahler dem Prinzip des verhaltenen Pro¬
gramms. Wir erfahren nicht und müssen's bloß er aus dem herrschenden Halbdunkel heraus war der
raten oder gedankenlos hinnehmen, warum auf die Eindruck noch suggestiver und intimer. Das wahr¬
marschmäßige „Nachtmusik" des zweiten Satzes ein haft dämonische Scherzo aber hat mich eigentlich
düsteres Scherzo=Capriccio und dann wieder eine erst am Abend so recht gepackt, wie denn die Sym¬
phonie mit jedem neuen Hören in geradezu über¬
„Nachtmusik" im Serenadencharakter folgt, wieso in
raschender Weise gewinnt. Manches, was anfangs
den zweiten und letzten Satz mit einem male Herden¬
te ich