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Therese
36. Jnn
box 6/2
NUMMER 24
DIE LITERARISCH
BUCH-CHRONIK DER
mann
Der neue Roman von Arthur Schnitzler
Erzähl
bedür
—glaubl, und das Mädehen weiß schmerzlich,
ARTHUR SCIINITZLER: TIIERESE.
pierur
dlaß es ihm untreu werden wird, trotzdem es
S. Fischer Verlag, Berlin
Er v
dadurch sein Leben zerslört. Warum? Der
Ein Roman, wie jeder frühere Schnitzler:
hübs
Valer, früher Offizier, stirbt im Irrenhaus,
Kultur der Sprache, sachlicher Ton in der
verb
ilie Mutter, halb kindisch geworden, schreibt
Schilderung, feine Psychologie, das Thema, das
Ver“
Kilschromane, das Leben ist bitter — Schnitz¬
par excellence seins ist: ein Frauenschicksal,
wir
lerscher Fatalismus —, und im Unterbewußt¬
ein Zug von Fatalismus über dem ganzen —
Stul
sein eben die Emanzipation: weg von 80
und doch durch den Inhalt von allen Früheren
fen
romantischen Begriffen der Treue. Während
Werken des Autors verschieden, wie das
Jose
sie seinen Zukunftsplänen lauscht, an ihn ge¬
Heute und Gestern vom Vorgestern verschieden
Fre
lehnt dasitzt, weiß sie, daß sie Geliebte
ist. Wo die andern aufhören, beginnt Therese.
wac
eines andern sein wird, verworfen, ledise
und
Berta Garlan war leidenschaftlicher Angriff
nichts läßt sich dagegen tun. Und
Mutter —
gegen eine verfaulle Moral, eine Aussage über
das Schicksal erfüllt sich schwer und unab¬
ralle
die Natur des Weiblichen, Anklage und For¬
wendbar; nicht gesellschaftlich sinkt sie, dort
sein
derung nach einer erotischen Freiheit, die der
ist ihre letzte Freiheit anerkannt — nicht für
Erw:
Mann längst hatte. Kampf zwischen Moral und
uns, denn wir empfinden um so wärmer für
Veranlagung, Sollen und Wollen war Inhalt,
sie, je mehr sie diesem und jenem und einem
Zim
Steigerung und Katastrophe — Fortsetzung ist
dritten Geliebte war, sondern in ihren eigenen
sich
Therese.
Ansprüchen an das Leben. Anfangs woilte sie
sägl
Was dorl Ziel war, ist hier erfüllte Voraus¬
von einem Manne geliebt werden, dann nur
zich
von einer Schülerin, nur vom eigenen Sohn,
setzung. Dort war es ein einziger Fehltritt,
und
hier sind es viele, um
endlich will sie nur allein und unbehelligt
um den es ging —
lich
lehen, so sinkt sie selbst da, wo sie vorüber¬
die es nicht geht. Das Problem „Freiheil
mor
gehend gesellschafflich steigt, bis der Sohn
oder nicht“ kann nicht mehr Kernpunkt
laus
eines Romans sein, da das Leben diese Frei¬
sie im Haß tôtet.
gend
heit längst fast legalisiert hat. Fragt es sich
Im Gegensatz zu früheren Romanen fehlt
mit
nur, ob die gepriesene, geforderte und endlich
hier die inhaltliche Spannung, das Gepeilschle,
schre
zugebilligte Freiheit jene Frau glücklich macht,
die verkrampfte Steigerung. alles ist nur ein
einer
die weder zur Intellektuellen noch zur Sports¬
gleichmäßiges Fallen. Kapttel um Kapitel schil¬
Verle
maschine wurde, sondern Frau blieb. (Diese
dert fast dasselbe, nur am Schluß merkt man,
Lieb
beiden Auswege übrigens waren in der Vor¬
daß sie einander doch nicht völlig gleichen“
Wel.
kriegszeit, in der der Roman in Wien spielt,
sondern Thereses Schicksal um eine weitere
Ist c
ja auch noch ziemlich ungebräuchlich.)
Nuance verdüstert haben. Das erscheint zu¬
die
erst als eine Schwäche; aber sie erhebt den
Mit 16 Jahren ist Therese ein Kind ohne
diese:
Roman dieser kleinen Hauslehrerin zu einem
Kindlichkeit, ohne Illusionen, ohne romantische
wider
Hoffnungen für die Zukunft. Ober die Schwär¬
Dokument des Gestern, und, wenngleich die
einme
Dekorationen gewechselt haben und Offiziere
mereien eines Jugendfreundes, der sie nach
Frcih.
und Praterrummel heute wohl fehlen, noch
beendigtem Studium heiraten will, lächelt sie
Jose
zu einem Dokument des Hleute. Das Zugeständ¬
lächelt mit einem stillen Zug von Resig¬
Milier
nis, das selbst die erotische Freiheit, die
nation und Ernst und Kennen des Lebens.
Mama
Berla Garlan nun glücklich für Therese er¬
Er träumt, sie weiß. Bezeichnend genug: frü¬
der
kämpft hat, auch nicht das Alleinseligmachende
her war der Mann der sachlich-brutale, die
Es ist
ist,sondern sehr wohl ein Leben auf ein
Frau die romanlische, jetzt haben sie die
Werte
lotes Gleis führen kann, und daß es daneben
Rollen gewechselt. Da ist der Bruch mit dem
Der
noch genug andere Nöle gibt, ist Gewinn.
Vorgestern: nicht der Mann verspricht, das
der
Und mit dieser Wahrheit gewinnt das Kunst¬
Mädchen glaubt und der Mann wird untreu,
bleibt
werk.
sondern der Mann verspricht, der Mann
Boris SILBER
seinen
sein s
Ironie
nichts übrig bleibe als es zu bejahen, daß
Otto Flake: Die erotische Freiheit
den
aber der Existenzkampf sie seiner nach und
S. Fischer Verlag, Berlin
nach müde machen müsse. Was „„
Die merkwürdige Zwischenstellung, die der Das können
Dichter Otto Flake seinem W
HaL