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Die
im Mor
engrauen
box 6/1
34. Spzel in nergengraden
Leutnant Kasdas Stimmung kann sich jeder Den Tausender schickt er durch seinen Burschen
leicht vorstellen, insbesondere, wenn sie ein Meister dem ehemaligen Kameraden, der so gerettet ist. Er
Literatur.
wie Schnitzler malt. Auf der Suche nach den elftau= selbst aber zieht den Offiziersmantel an, schlägt den
send Gulden kommt er zu einem alten Onkel, einem
Kragen hoch und setzt sich in die Sofaecke. Dann
Der neueste Schnitzler“
Rentner der ihn früher einmal regelmäßig unter¬
kracht ein Schuß, und der k. u. k. Leutnant Willt
stützt sich dann aber vor ihm hat verleugnen lassen,
Kasdal hat seine Schuld bezahlt. Eine Stunde
Spiel im Morgengrauen.
um schließlich, Sonderling, der er immer gewesen, später klimmt der alte Onkel die Stufen zu Willys
ganz aus dem Blickfelde des Neffen zu versch=vinden.
Zimmer empor, er bringt die gewünschten elftausend
Ein entzückendes Buch, echtester Schnitzler,
Welch große Ueberraschung für den Besucher, zu Gulden, die seine Frau für den Herrn Leumant
eine altösterreichische Geschichte.
Der k. u. k. Leutnant=war Oesterreichs Lieb=lerfahren, daß der Onkel geheiratet hat, also über geschickt hat. Das Spiel ist aus, das Spiel im Mor¬
kind, vielleicht Oesterreichs Symbol. Ein bißl leichte sein Geld nicht mehr verfügt. Und wen geheiratetl gengrauen.
sinnig, aber voll Gemütt, nicht sonderlich klug, dafür Ein Dämchen, das der Neffe kennt, weil er vor
Doch nicht so sehr die Fabel als die Zeichnung!
durch und durch ehrenhaft. Das Volk, und nicht nur Jahren, von seinem Onkel eingeladen, mit eben dem
der Charaktere und der Aufbau der Handlung (na¬
das weibliche, schenkte dem Herrn Leutnant Liebe, Dämchen den Abend in einem Restaurant und
chen diese Meisternovelle. Szenen wie das verlusi¬
eine alte Tante, wo die Eltern arm waren, gab ihm dann, zu zweit, die Nacht in einem Stundenhote!
reiche Hasardspiel und die Fiakerfahrt bei grauen¬
etwas Geld, den Zuschuß zur kärglichen Monats-verbracht hat. Und dieses Dämchen ist Onkels Frau
dem Morgen von Baden nach Wien (Fiakerfahrt —
gage. Wer lich ihm die künstierische Steigerung, die geworden, von ihr hängt sein Schicksal ab, denn sie
welch alter Zauber) sind in ihrer Spannung und
Standeserhöhung zum Helden der Dichtung? Arthur verwaltet Onkels Geld so selbständig und so unab¬
sublimen Analyse einfach unerreicht. Worte und
Schnitzler, der wienerischeste Dichter der letzten Jahr- hängig, daß Onkel mit ihr nicht einmal zusammen¬
Wendungen des aljösterreichischen Offiziersdeutsch
zehnte Altösterreichs, war es. Arthur Schnitzler war wohnen, ja, sie nur über Aufsorderung in ihrer heimeln wie traute Erinnerungen an. Detailmalerei
Wohnung besuchen darf. Auf zu Onkels Frau, der aus dem Kasernhof macht entschwundene Bilder wie¬
der Dichter des k. u. k. Leutnants. Unvergessen ist
eigenen Gefährtin einer Liebesnacht! Welch ver¬
sein Leutnant Gustl, jetzt erscheint, im neuesten
der lebendig Das alte Oesterreich steht am Horizont,
ändertes Bild! Die Frau nicht wiederzuerkennnen!lganz unten, vor dem Versinken in Meere der Ver¬
Buche des Dichters, der Leutnant Willi Kasda.
Der gute Kerl will seinem Frrunde helfen. er,
Eine hagere, spitze, bezwickerte Geschäftsfrau ohnel gessenheit. Der purpurne Nand dieser abendlichen
einen Schimmer ihrer einstigen Reize. Man kennt Stimmung umglänzt die Erzählung, ein Hauch von
der blutjunge Leutnant, einem Höheren, einem
Oberleutnant, der es freilich nicht mehr ist, nach- die Weibchen, die es einmal gewesen. Mit Vorbe= Tragik umweht sie. Ein echter Dichter kann von
dem er wegen einer standeswidrigen Affäre den dacht töten sie alle Weiblichkeit in sich, werden seinem Lieblingsthema nicht loskommen, wiewohl
Dienst hatte quittieren müssen. In vierundzwanzig Hasserinnen der eigenen Vergangenheit und sindses nicht mehr aktuell und doch noch nicht historisch
Stunden muß der Herr Oberleutnant a. D. tausend jnun nichts mehr als übertreu sorgande Gattin overlist. Aber schön war's und schön erzählt sich's noch
verbissen tüchtige Handelsfrau. Ilt es da ein Wun- heute. Wer die erste Zeile davon gelesen, legt die
Gulden haben, die er in seiner neuen Stellung als
Privatbeamter unterschlagen hat. (Unterschlagen —lder, daß Willy geschäftsmäßig kühl, ohne die leiseste Novelle nicht mehr aus der Hand. In einem Lug
dieser Ausdruck wird in wienerisch liebenswürdiger Anspielung auf jene schöne Nacht, empfangen und wird sie zu Ende gelesen, in einem Zug der einzige
Weise euphemistisch umschrieben). Wie soll Bruder mit einem Versprechen abgesertigt wird? Die frisch¬
Zauber einer entschwundenen Welt genossen, den
Leichtsinn helfen, da er selbst nichts hat? Ind lgebackene Tante verspricht ihm, nach einer wichtigen
ein Dichter mit bewundernswerter Kraft uns auf¬
er sich an den Kartentisch setzt und das verhängnisKonferenz ihren Entschluß an ihn in seine Woh¬
gefrisch hat.
1.—
volle „Spiel im Morgenarauen“ spielt. Eine Ha-nung gelangen zu lassen.
sardpartie in Baden, wohin Willy ausgeflogen ist,
Wird er das Geld von ihr bekommen? Am
bringt ihm zunächst Gewinn auf Gewinn; nicht nur
Abend soll er's bei sich in der Alserkaserne erfahrer.
der Freund kann auf den gewünschtan Tausender Allerhöchste Zeit, jede Minute wird zur Ewigkeit.
rechnen, er selbst wird sich neu equipieren und die Doch nicht nur ihm, sondern auch der Frau. E##ist
kühnsten Träume wirklich machen können. Doch nur in wahnsinnige Unruhe versetzt, weil er nicht wert,
bis nach Mitternacht währt diese mit Gewinst sob er die Spielschuld bezahlen und somit den Offi¬
wohlfundierte Hoffnung. Dann wendet sich jäh das lziersrock behalten wird können. Sie ist in schwere
Glück, undim Morgenarauen hat Willi eine Spiel= Unruhe versetzt, denn gegen die ehrsame Frau, die
schuld von elstausend Gulden, kontrahiert bei einemssie geworden kämpft das leichte Din das sie ge¬
seiner Partner, dem Herrn Konsul Schnabel. Die=wesen. Schließlich siegt das leichte Ding, es kommt
ser Herr Konsul ist eines jener in Großstädten zum Herrn Leutnant aufs Zimmer. Wieder nicht zu
nicht seltenen Exemplare, die in der Jugend nicht erkennen. Die abstoßende Geschäftsfrau hat sich ins
muntere Mädel rückgewandelt, so alänzend ist ihr
gut getan haben und, als mißratene Kinder, übers
der Kostümwechsel gelungen. Die Erinnerung an
große Wasser gegangen sind, um nach Jahren als
Vertreter eines amerikanischen Fabrikshauses und die einstmalige Liebesnacht wird lebenbig, so le¬
Konsuln eines Negerstaates zurückzukehren Derbendig, daß die einstmalige Liebesnacht jetzt repe¬
Konsul obligiert zu Noblesse, aber nur zur äußer-stiert wird. Als der Morgen angebrochen, macht On¬
lichen, der Vertreter hinwiederum zu Gerissenheitkels Gattin schleunigst Toilette, um des Leutnants
und Brutalität. Aus solchem Widerstreit der Ei= Zimmer zu verlassen, dieser aber ist zerquält und
genschaften erklärt sich ohneweiters, daß der Herr voll Spannung, ob er nun endlich das Darlehen
Konsul Schnabel zuerst dem armen, braven Herrn bekommen werde. Doch welch erschütternde Ent¬
Leutnant elftausend Gulden leiht, damit dieser mit täuschung! Statt der erhofften Elflausend=Anleihe
ihm spiele, und als er die elftausend Gulden gewon= wirft sie ihm nonchalant einen Tausender hin, und
nen, mit sadistischer Kälte darauf beharrt, die das als Liebeslohn! Ganz so, wie er ihr damals zehn
Spielschuld in zwei Tagen zurückzubekommen, weil Bulden als Liebeslohn gelassen hat. Entrüstung,
er sonst die Anzeige ans Regimentskommando ma= Szene. Abgang. Willy bleibt gebrochen allein, aber
chen „müßte.“ Damit ist dem k. u. k. Offizier der er rafft sich gleich wieder auf, ein ehrenhafter k. u. k.
Revolver in die Hand gedrückt, wir werden bald |Leutnani, der weiß, was er in solcher Lage zu tun
sehn, wie er losgeht
hat.