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„OBSERVER
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WIEN, I.,
Wollzeile 11 : Telephon R 23-0-43
Ausschnift aus
vom
St. Wien
A.DEZ
„Fräulein Else in der
sosefstadt.
Aus der Novelle Axtur Schnitzlers ist nun¬
mehr ein Schauspiel geworden! Ernst Lothar hat sie
für sein Theater dramatisiert und bringt seine Legiti¬
sich über die Möglichkeiten dieser Dramatisierung einmal
mit dem inzwischen heimgegangenen Dichter unterhielt,
ondern vielleicht mehr noch dadurch, daß er selber ein
Dichter ist. So kann es nicht weiter wundernehmen, daß
wir sein Bemühen, den Stoff aus der epischen Form in
die dramatische überzuleiten, von soviel Glück begleitet
sehen, wie dies nur irgend möglich ist. Restlos konnte es
nicht glücken, denn die Idee der Handlung ist eine an sich
schon epische und wäre sie dies nicht, so hätte sie den
Dramatiker Schnitzler wohl schon im ersten Augenblicke
sprungen. Erstaunlich aber und aller Ehre wert, wie
Lothar den Gang der Novelle, die bekanntlich aus einem
einzigen, ungesprochenen Monologe besteht, in Szenen
und Dialoge aufzulösen versteht und wie er durch
mancherlei Dazuerfinden dem Theater zu geben weiß,
was des Theaters ist. Meisterhaft vor allem ein Bild, in
dem er die Eltern Elses in das Spiel einführt und die
Bedrängnis des in äußerste Gefahr geratenen Vaters, der
von dem Wiener Elternhause aus mit dem in den Süd¬
tiroler Berger weilenden Mädchen telephonisch spricht, als
treibendes Moment in das Spiel einsetzt, als eines jener
Momente, die zur Katastrophe führen. Die Figur dieses
Vaters ist frei und dichterisch erfunden, wie mancherlei
anderes an der Dramatisierung.
Bei aller Achtung vor der Arbeit Ernst Lothars ver¬
mag man indessen nicht zu verschweigen, daß dieser Abend
nicht wie lebendiges Theater aus heutiger Welt wirkt,
sondern wie Beschwörung von Schatten aus einer Welt
von gestern und vorgestern. Schnitzlers Stücke sind ja, mit
ganz wenigen Ausnahmen, gestriges und vorgestriges
Theater geworden, die heutige Bühne weiß mit ihnen
kaum noch etwas anzufangen. Welchen Raum und Rang
sie in unserer Erinnerung einnehmen mögen, sie sind
Erinnerung geworden und die jungen Menschen von heute
haben zu ihnen keine Beziehung mehr. Naht ihr euch
wieder schwankende Gestalten? Sie nahen sich wieder:
Die verheiratete Frau, die sommerliche Wochen im
Gebirge dazu benützt, ein Verhältnis mit einem jungen
aber
Burschen anzufangen, das Mädchen aus „gutem",
verarmten Hause, das Geld herbeischaffen soll, den Preis,
der dafür gefordert wird, nämlich Verleugnung aller
mädchenhaften Scham und Zucht, wohl bezahlt, aber
solche Demütigung ihres Stolzes nicht verwindet, sondern
nach vollbrachtem Opfer in den Tod geht. Der alternde
Mann, den seine unnatürlich aufgepeitschen Lüste dazu
verleiten, von dem Mädchen diese Tat brutal zu ver¬
langen. Alle diese Menschen sind Schnitzlers Menschen,
spielerisch ihren Lüsten und Leidenschaften verhaftete
31.
Fraeulein Else
Nichtstuer oder angekränkelt von des Gedankens Blässe,
wurmstichige Menschen ohne Saft und Kraft. Ihnen in
der heutigen Welt wiederzubegegnen, die helläugige
gesunde Jugend benötigt wie kaum eine andere zuvor,
ergibt kein erfreuliches Wiedersehen. Und solches Theater
weist wahrhaftig keinen neuen Weg in die Zukunft,
sondern erzählt nur von dem verdienten Verfall einer
Gesellschaft, der wir nicht nachtrauern.
Die Aufführung der Josefstadt, der ausgezeichneten,
alle Peinlichkeiten zart dämpfenden Regie
Hans
spielerischen Belangen auf respektabler Höhe stehenden
Theaterabend. Die etwas spröde, trotzig=stolze Mädchen¬
haftigkeit der Rose Stradner als Else ist sehr
PALMERS
Strümpfe
Grönring-Strumpf 260
Extra-Zwirnstrumpf
2.90
Korea-Strumpf, feinmeschig 4
im KRAMPUS-Sacen
glücklich in das Spiel gesetzt, Herr Bassermann
beherrscht das eine, einzige Bild, in dem er auf der
Bühne ist, mit der ganzen Gewalt seiner edlen Mensch¬
lichkeit, in kleineren Rollen bieten Frau Geßner,
Frau Bassermann, Herr Frey, Frau Skalla,
Frau Woiwode, Herr Brebeck überaus gerundete
und gereifte Leistungen. Die Sensation des Abendes
aber bildete das erste Auftreten eines neuen Mannes:
Kaspar Brandhofer. Er kommt mit krasvoll
wuchtigen Schritten unmittelbar aus den Tiroler oder
Salzburger Bergen auf die Bühne, ein Bauer, dem
inbrünstig eigenes Ringen soviel Können verschafft hat,
wie nur wenigen anderen Künstlern die besten Schulen.
Er tritt als völlig Fertiger auf den Plan, fertig
in
410
Spiel und Sprache, ausgezeichnet durch das höchste Glück
der Erdenkinder und der Schauspieler im besonderen:
Persönlichkeit. Diese Persönlichkeit hat in ihrer Kraft
bisweilen etwas Bedrohliches und Beklemmendes. Wieviel
große Aufgaben könnte man sich für ihn denken! In
der Rolle freilich, die seine erste ist, kann er nichts mit¬
bringen von der reinen Luft seiner Heimatberge. —
Bühnenbilder von Niedermoser und Haas
sind
von außerordentlichem Reiz. Das Publikum feierte
türmisch immer wieder vor allem die Hauptdarsteller,
Bassermann, Brandhofer, die Stradner, und zum Schlusse
auch den Direktor des Hauses.
B.
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