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31. Fraeulein Else
box 5/1
ckenel 82 2
SERVER, SUNDAY, MARCI
NEW SCHNITZLER B00K
STUDF OF A GIRL OF
NINETEEN.
E
(From Dur Dwn Correspondent.)
BERLIN.
Imitators of“ La Gaxconne“ have been as
many as her predegessors on German book¬
stalls, pet a writer who needed no introduction
to the public at all has achieved the distinction
of interpreting the post-war young lady of
Central Europe in a manner which implies
finality. After“ Fräulein Else,?' by Arthur
Schnitzler, there remains too small a field of
analys's unexplored for angebing but genius to
vehtelre in. It is even quite probabie that this
verlr slort monologue, in which a man of sixty
Wri### Miss Elsie, aged nineteen, is the best
hing anv man has ever written about a girl.
It is the historv, in one chapter, of her thoughts
during sthe last six hours of her life, broken
he
only by the italics of scraps of floatirg conver¬
sation as they fall on her ears, and che mono¬
syliables in which she happens to ret or reply
ne
to a direct question.
#t
We meet Else, lovely, inscient, a fine tennis
50
player, a good dancer, sitting on à scat out¬
30
side the fashionable hetel in the Tyrol, where
hie has been invited by a wealthy aunt to
ig
spend a fortnight, watch the passers-by as she
118
sums them up mentally in the egotistical
ashion of youth. We are given to understand
how the various men react upon her, all too
cynically conscious of her youth, her beautv,
and her three pairs of silk stockings, one with
a ladder in it, and feel the horror of a dreades

letter frem home which she has been expecting
10
She has every right #ear it,
and fearing.
as her well-leved papa is a brilliant lawyer,
t,
of
Shortness
but an inveterate gambler.
money in Else’s home has always implied that
0
she must make a rich marriage some day to
.
But.
escape from it and help her parents.
thif letter is an unusual shock. Papa has usgé
trut money to speculate with, and will be
handed over to the police within twelve hours
h
unless his daughter asks a wealthy and elderl,
acquaintance, staying at the same hotel, for a
10
Her weak, good-natured mother writes.
and begs her to remain over 1ie weck-end.
Iwhatever hr #ens.
à
But nothing happens save the desire of
wealthy and elderly lover of beautiful things to
see and admire Else as a living statue, in return
for a loan, whiich, knowing papa all too well,
But Else’s overwrought
be regards as a g#ft.
1
nerves conceive dhe dreadful notion of not
6
wasting herself, if waste she must, on cne cold
6
sensualist alone. She goes to the public music¬
rcom of the hotel as a second Monna Vanna,
and after carrying out her scandalons intention
takes sufficient veronal to make death quick
and easy.
rs
The doctor in Schnitzler can describe an
hysterical attack and the symptoms of poison¬
ie
ing better than a mere novelist, and the artist
y
in him ean render a morbid subject pathetic.
16
Germanv has its literary sensation, and Strind¬
4
berg’s Miss Julia, unique hitherto among the
Frauleins of the Continent, has gained a serious
rival.
C
H
of
ar
Dr. Max Goldschmiet
Büro für Zeitungsausschnitte
BBRLIN N 4
Telefon: Norden 3051
Husschnitt aus:
Yossische Zeitung, Berlin
8 Märr 1927
Schnitzlers „Fräulein Eise.
Ein Novellenmonolog.
Schnitzlers Rovelle, auf die wir bei ihrer ersten Veröffent¬
lichung in der „Neuen Rundschau“ bereits hingewiesen haben,
erscheint jetzt als ein schmales Buch in Paul Zsolnays Verlag,
Berlin=Wien.
Nichts ist schwerer, als die Wirkung eines Buches auf den Leser
vorauszusagen. Aber in diesem Falle wagt man nichts bei der
Prophezeiung, daß niemand den Band aus der Hand legt, bevor
er ihn zu Ende gelesen hat. Denn diese Novelle ist nicht bloß
äußerlich das Erperiment einer neuen Kunstform. Dramatisches
und Episches paart sich in ihr. „Fräulein Else“ ist nämlich nichts
anderes als ein einziger, großer Monolog, gesprochen von einer
neunzehnjährigen Wienerin von morgens bis mitternacht. Das
junge Mädchen, aus der Klasse der Menschen, die sich Luxus¬
reisen gestatten dürfen, ist als Gast einer reichen Tante für die
Sommerferien im Alpenhotel abgestiegen. San Martino di
Tastrozza bietet den Hintergrund, das Dasein in einer inter¬
nationalen Herberge der Reichen bezeichnet das Milieu. Mor¬
gens geht Fräulein Else nergnügt vom Tennisplatz heim, um
Mitternacht vergiftet sie sich mit Peronal. Dazwischen liegt ein
Erpreßbrief und ein Telegramm aus dem Elternhause. Der
Vater, Advolat in Wien, hat Mündelgelder an der Börse ver¬
pielt und fleht die Tochter um Rettung un. Ein reicher Lebe¬
mann, Kurgast in San Martino, soll die Summe vorstrecken, die
den armen Sünder in Wien vor dem S.eatsanwalt retten kann.
Fräulein Else ist schön und gut gewachsen. So verlangt der
Lebemann als Preis, daß sie sich vor ihm entkleide. Alles in
ihr bäumt sich degegen auf, ein wenig Scham und sehr viel Trotz.
Ihre Entschlüsse wechseln, ihre Verwirrung steigt. Bis sie schlie߬
lich die geforderte Enthüllung vor aller Augen im Musiksalon des
Hotels vollzieht Großer Skandal. Ohnmacht, Selbstmord.
Wenn diese Geschichte auf landläufige Weise erzählt würde,
so wäre sie eine Novelle mehr zu anderen Novellen. In
Schnitzlers neuer Form aber jagt sie den Leser im Galopp mit
sich. Denn Elses Monolog, in den die Stimmen der Außenwelt
nur von fern hineinklingen, überträgt ihr Gefühl und alle seine
Schwankungen hemmungslos auf den Leser. Aus dem einfachen
Grunde, weil Else wirklich mit sich selbst spricht, keinem Puhli¬
kum ins Ohr. All die kleine Gedankenflucht des Alltags, alle
Stoßseufzer, Gebete, Wetten mit dem Schicksal steigen aus einer
*
gehetzten Seele hervor. Else ist eine Großstadterin von heute,
also jedem heroischen Pathos meilenfern. Ein bißchen blasiert,
ein bißchen oberflächlich, ein bißchen verbittert. Wunderhübsch,
wie sie niemals aus der Rolle der jungen Salondame fällt.
Virtnos, wie alle unsichtbaren Gestalten ihres Dramas, wie der
leichtsinnige Pater und die beschränkte Mutter daheim allmählich
ihr Gesicht enthüllen. Diese Wienerin lebt leicht und stirbt leicht.
Aber ohne die Grenzen ihres Vorstellungskreises zu überschreiten,
predigt auch sie die Schnitzlersche Lebensweisheit: die Einsamkeit,
die Hilflosigkeit des Menschen
Man soll Vortragskünstler nicht reizen. Aber wenn ein Re¬
zitator sein Publikum geschwind packen und für eine halbe
Stunde fesseln will, so lese er nicht anderes als Fräulein Else¬
M. J.
Bekenntnisse.