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31. Fraeulein Else
box 5/1
A 4. C E I n m
Aergelts nach Sasis Au1— —1
.. K. Ausstaldischen

Tribüne aus in die Verhandlungen der Kammer,
Mach.,
besetzte Kroja, wodurch die Verbindung zwischen Tirana
indem sie den Redner durch laute Zwischenrufe wieder¬
veranlassen.
holt unterbrach, bis sie durch die Ordner aus dem Saale
und Durazzo und Tirana und Skutari abge¬
ie ganz auf¬
entfernt wurde.
schnitten wird.
Aufstands¬
schon getötet worden; was dann noch vor sich geht, daß
Einsamkeit, auf sich selbst angewiesen, alles, was
sie, wie Monna Vanna, einen Mantel um den nackten
ihm Halt geben konnte, existiert nicht mehr. Aus einem
Leib schlägt und sich vor der versammelten Hotelgesell¬
Typus wird es blutende, leidende Kreatur, seine arme,
schaft enthüllt, geschieht eigentlich schon in einem andern
eingeschnürte Seele wird plötzlich hellsichtig. Erschiene
Leben. In eine fingierte Ohnmacht sinkend, sieht sie
ihm jetzt, in seiner Schicksalsstunde ein Retter, es könnte
lette.
plötzlich Welt und Menschen so klar und unbarmherzig
sogar vielleicht noch ein Mensch werden. Wie oft aber
scharf, wie nur Sterbende sie sehen. Daß sie dann noch
kommen Retter zur rechten Zeit? Den Leutnant Gustl
zu dem längst vorbereiteten Glase mit Veronal greift,
ochter eines
erlöst im letzten Augenblick noch ein Zufall; für die
ist letzten Endes nur das äußere Symbol eines vor
enossen, wie
arme kleine Else kommt er nicht, und ihr könnte wohl
Stunden schon erfolgten Todes.
ten jungen
auch kein Zufall helfen.
Vielleicht stammt auch diese ganze Problemstellung
teil wurde:
Dies ist ihr Schicksal, daß sie eines Sommerabends,
aus den neunziger Jahren. Viele junge Mädchen von
en und der
als Gast reicher Verwandter in einem Dolomitenhotel
heute, gewöhnt, im Schwimmanzug viele Stunden lang
Heirat, und
weilend, einen Brandbrief von daheim empfängt: der
an der Seite junger männlicher Gefährten zu ver¬
t kam oder
Vater hat Mündelgelder unterschlagen, leider nicht zum
bringen, werden vielleicht die Achseln zucken über die
oder gesell¬
erstenmal, aber diesmal ist die Katastrophe unabwend¬
Geschichten, die da wegen ein paar Zentimeter Stoff ge¬
esen wäre,
bar. Nur Else kann helfen, indem sie einen zufällig im
macht werden; manche von ihnen würden wahrscheinlich,
he und ent¬
gleichen Hotel wohnenden Bekannten, einen reichen
ironisch lächelnd, dem alten Lüstling das Vergnügen
unabsehbar
älteren Lebemann, um das Geld bittet.
machen, der in unsern Tagen freilich eine ähnliche Zu¬
Auf großen
Die törichte Mutter, die diesen Brief schrieb, hat
mutung nicht zu stellen brauchte, da er schon aus der
wurde man
sicherlich nicht gewußt, was sie damit forderte; ob der
gewöhnlichen Straßenkleidung in der Lage wäre, genaue
ig gekleidet,
kluge Vater, der ihn diktierte, ahnungslos war, bleibt
Schlüsse auf die Reize eines bewunderten Wesens zu
e, denn es
dahingestellt. Der jungen Eise soll jedenfalls rasch
ziehen. Neugierde in dieser Hinsicht ist kaum ein Laster
s, daß man
genug Klarheit werden. Denn der freundliche Don Juan
unsrer Zeit, wo die Antworten früher erfolgen, als die
die übrige
erklärt sich herzlich gern bereit, dem schönen Mädchen
Fragen gestellt worden sind. Aber die junge Else steckt
Schicksals¬
das Geld zu überlassen, nur knüpft er eine ganz kleine
noch körperlich und seelisch eng eingepreßt in dem Fisch¬
Flirt, mit
Bedingung daran: daß sie sich in seinem Zimmer eine
beinpanzer, den man der Frau damals anlegte.
ung fremder
Viertelstunde lang unverhüllt seinen Augen darbiete.
Die Schmerzen dieser armen kleinen Rhodopenseele,
die Ehe und
Er ist bescheiden, nur den Augen. Und an der Not¬
die zu jung, zu schwach, zu zerbrechlich ist, um eine
wendigkeit dieses Opfers, das durch ein neuerliches
Schuld auf sich zu nehmen und sich von ihr erhöht zu
unberührten
fühlen, legt Schnitzler mit einer Eindringlichkeit und
dringendes Telegramm unabweisbar wird, geht das
niemand die
Zartheit bloß, welche völlig an das Blendende seiner
kleine Mädel zugrunde.
ühren, stellt
Technik vergessen läßt, die sich zu immer atem¬
Mit rasender Hast jagt das Schicksal sie ihrem
)Genau wie
raubenderem Krescendo steigert. Voll Mitleid ist
Untergange zu. Man liest kein Buch mehr, man erlebt
enstück diese
dieses Buch und — vielleicht — auch voll Sehnsucht
mit versagendem Atem das Absterben eines Menschen.
ist, greift er
nach einer Zeit, die vermutlich nicht besser war als die
Nicht, daß sie ihren Körper fremden, kühl abschätzenden
hes Geschöpf
unsre, in der aber das Wort Hebbels, des tiefsten
Augen schmachvoll preisgeben muß, schmachvoller, als
ur in dieser
Deuters aller Keuschheitsprobleme, noch Bedeutung
wenn er in wilder Glut genommen würde, ist das
ieses sorgsam
hatte: „Man muß nicht immer fragen: was ist ein
Schlimmste; sondern vielleicht die Erkenntnis eigener
un¬
das
Ding? Zuweilen auch: was gilt's?
dunkler Wünsche, geheimnisvoller Wirbel, die sie un¬
Schicksal mit
Es ist ein Zufall und ist doch keiner, daß diesem
bekannten Abgründen zutreiben können, wie es ja auch
Menschen¬
zarten Pastellbild des Mädchens von gestern von einem
der andern Heldin Schnitzlers, der Aurelie in der
schauerlicher
andern großen und reinen Dichter, Romain Rolland,
„Komödie der Verführung“, ergeht. Keiner ist da, ihr
in einem gewaltigen Triptychon das Bild der denkenden,
die Rätsel ihres Temperaments gütig zu deuten. Das
(Verlag Paul
junge Mädchen Else ist im Grunde in diesem Augenblick kämpfenden, leidenden Frau von heute geegnübergestellt