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Casanovas Heimfahrt
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Dee Lasteckalte
lagshaus Simon und Schuster. Da
aber diese Moralkämpfer=Gesellschaft
Casanova
bisher mit ihren Verfügungen selten
Gegen die Veröffentlichung von
endgültig durchgedrungen ist, leisteten
Schnitzlers „Casanovas Heim¬
die Verleger keinen Widerstand und
fahrt“ in englischer Sprache hat die
stellten sogar ein paar Lastkraftwagen
New=Yorker „Gesellschaft für
zur Beförderung der Bücher äußerst
Unterdrückung des Lasters“
bereitwillig zur Verfügung. Sie waren
eine einstweilige Verfügung erwirkt.
um so höflicher, als sie genau wissen,
Von drei Detektiven begleitet, leitete
daß derartige vorübergehende Be¬
der Reinlichkeitsfanatiker John Sum¬
schlagnahmen später zur angenehm¬
(—
ner persönlich eine Razzia im Ver¬
sten Erhöhung der Auflage führen.
HEMSTREET
96-WARREN STREET
NEW YORK CITY
4
330
TIMES
From Late Editions of Yesterday’s Timzs.
CASANOVA BOOK IS SEIZED.
Sumner Gets Summonses for Pub¬
lishers of Schnitzler Work.
Acting under a special warrant
signed by Magistrate Maurice H.
Gotlieb, John S. Sumner of the New
York Society for the Prevention of
Vice, seized several copies of“Casa¬
nova’s Homecoming,“ by Arthur
Schnitzler, yesterday and ordered
the publishers, Simon & Schuster,
386 Fourth Avenue, to appear in the
Vorkville Court Aug.
18. Sum¬
monses were also served on two
salesmen.
The seized copies were removed to
the society’s offices, where, Mr. Sum¬
ner declared, they would be kept
until after the charges against the
defendants had been heard. If the
charges are dismissed the books will
be returned to the publishers.
eile
ab
für
14
70
10. August 1930
und Jenny Berger 200 S., Berta Kaufmann 50 S., Ella Weigl.
Lilly Marle und Geza Berger, Zagreb, 65 S. zu.
(„Casanovas Heimkehr“ wird beschlagnahmt.) Der
Newyorker Gesellschaft zur Bekämpfung des Lasters bietet sich ein
ungeheures Betätigungsfeld. Das „unterirdische Newyork“ ist
sprichwörtlich geworden. In einer Hafenstadt von so riesenhaften
Dimensionen gibt es selbstverständlich zahllose Schlupfwinkel für
dunkle Existenzen. Die Opiumkneipen, die Verbrecherhöhlen des
Chinesenviertels, die Verschwörungsnester des Ku=Klux=Klan, die
Schlupfwinkel des Mädchenhandels sind Brutstätten des Lasters.
Obwohl der Kampf der Behörden gegen diese Giftpilze der Welt¬
stadt gigantische Formen angenommen hat, muß dennoch zur Ab¬
wehr so furchtbarer Gefahr auch die Hilfe privater Organisationen
immer hochwillkommen sein. Die Newyorker Gesellschaft für die
Unterdrückung des Lasters müßte also, sollte man meinen, mit
Arbeit überhäuft sein. Auch würde man sich von Herzen freuen,
wenn es ihr gelänge, die heimliche Kolportage pornographischer
Schriften, die einem in Newyork auf Schritt und Tritt und nicht
bloß in verrufenen Lokalen angeboten werden, einigermaßen zu
unterbinden. Warum hört man nichts von einem Feldzug gegen
diese Seuche des Kettenhandels mit Pornograzhie? Bitte sehr,
diese Gesellschaft ist anderweitig beschäftigt. Ihr Präsident, Herr
John Summer, hat nämlich der wirklichen Literatur den Krieg
erklärt, der echten und rechten Literatur und nicht der Literatur
unter Anführungszeichen. Der Fall ist nicht tragisch zu nehmen.
Herr Summer hat als gebildeter Mann wahrscheinlich einmal von
Casanova gehört. Da Herr Summer ein Sittlichkeitsfanatiker ist,
hat er vielleicht sogar Casanovas Denkwürdigkeiten gelesen, um
sich davon zu überzeugen, ob ihr Inhalt denn wirklich so skandalös
sei. Man darf getrost annehmen, daß er, nachdem er Casanovas
Memoiren beendet hatte, ehrlich entrüstet war. Nun erfuhr er
durch Zufall, daß soeben „Casanovas Heimkehr“ von Arthur
Schnitzler in einem Newyorker Verlage in englischer Sprache
erschienen sei. Arthur Schnitzler? Wer ist Arthur Schnitzler?
Man kann doch von Herrn Summer nicht verlangen, daß er die
europäische Literatur so genau kenne, um zu wissen, wer Arthur
Schnitzler ist. Ihm genügte es, daß der Held dieser Erzählung
Casanova ist, Casanova, dieser frivole Tausendsassa, der — mit
einem Wort: shocking! Herr Summer schäumte: „Das Buch
muß beschlagnahmt werden!" Er mobilisierte das Gericht. Der
Verlag wäre kein amerikanischer Verlag, wenn ihm die Riesen¬
reklame einer Konfiskation und eines bevorstehenden Sensations¬
prozesses nicht hochwillkommen gewesen wäre. Darum empfingen
die Verlagsinhaber den Herrn Präsidenten Summer, der die
Razzia nach den Büchern persönlich zu leiten die Güte hatte, mit
äußerster Liebenswürdigkeit und stellten ihm zum Transport der
Bücher zu Gericht sogar ihren eigenen Lastkraftwagen zur Ver¬
fügung. So kam es, daß „Casanovas Heimkehr“ dieses zarte
und kostbare Meisterwerk Arthur Schnitzlers, das durch seine
psychologische Hellsichtigkeit bezaubert, beschlagnahmt wurde. Diese
jublime Erzählung, die mit allen Feinheiten der Seelenkunde und
mit überlegener Kunst der Menschengestaltung die Tragikomödie
eines Alternden darstellt, wurde konfisziert und das Gericht wird
darüber zu entscheiden haben, ob Herr Summer wirklich eine
literarische Instanz ist. Glücklicherweise sind aber Herr Summer
und Amerika keine identischen Begriffe. Arthur Schnitzler genießt
beim amerikanischen Publikum und bei den prominentesten Wort¬
führern der amerikanischen Literatur die größte Verehrung, und
darum darf man hoffen, daß „Die lächerlichen Preziösen“ bild
in ihre Schranken verwiesen werden dürften.
(Aerztliche Nachrichten.) Zahnarzt Dr. Max Kulka
ist vom Urlaub zurückgekehrt und ordiniert I. Wollzeile 10.
Telephon R-24-7-77.
Sernalstärunan#. v 0. — Marim. Steiner. Fachgwet k¬