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Casanovas Heimfahrt
box 4/10
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96 Mniinimiminmnnmmmmmmnnnmmmmmnnmm Literarische ?
am Ende in einer Anmerkung noch ausdrücklich
versichert, frei erfunden hat, und darüber geht 1
die Anbefangenheit, die so einer italienischen Re¬ 1
naissancenovelle eigen sein könnte, in die Brüche.
Im Florenz und Neapel des Mittelalters mag
es nichts so Unerbörtes gewesen sein, ein drei¬
zehnjähriges Mädchen, wie dieser Casanova es
vor unsern Augen tut, mit dem Atem der Gier
und Leidenschaft zu vergiften — in der Sprache
unsrer Tage, von einem Dichter unsrer Zeit
vorgetragen, der doch gewiß nicht mit einem
Pornographen verwechselt sein möchte, muß es
als Frivolität wirken, vor der man nichts andres
als Ekel empfinden kann. Entlarvt mag dieser
hündische Zynismus eines armen und leeren
Lebens auch bei Schnitzler werden, verabscheut
oder verworfen wird er nicht. Und das ist die
faule Stelle dieser Frucht, die erst ihr Gehäus
und dann sie selbst zerfrißt.
—in Ding oder ein Mensch, sie seien nochsso
Carg verleumdet — eines Tags ersteht ihnen
ihr Retter und Vergelter. Seit Arzeiten ist
sich das Sprichwort aller Völker über nichts so “
einig wie über die Bosheit und Gefährlichkeit
der Schwiegermutter, und unsre Witzblätter kön¬
nen es sich bis auf den heutigen Tag nicht ver¬
K
sagen, diese Volksweisheit zum Behagen ihrer
ge.
telt
Leser breit und platt auszumünzen. Da kommt
Johanna Wolf, die Ostpreußin oder, wenn
Prod
man e
man für die Sechzigjährige lieber ihre neue Hei¬
mat gelten lassen will, die Hamburgerin, die¬
steller:
selbe, deren Art und Kunst uns kürzlich Peter
len, d. h. unverg#
Petersen skizziert hat (Februarheft 1918), und
schenken will. Das tut Graf Ed. von Keyser¬
bricht für die „Schwiegermütter¬ —
ling in seinem Buche „Fürstinnen= (Ber¬
so heißt ihr neuestes bei Cotta erschienenes Buch
lin, S. Fischer). Der „Inhalt= ist mit wenigen
— nicht eine, nein, gleich sechs Lanzen in Ge¬
Worten berichtet: Eine kleine Prinzessin erlebt
stalt von kleinen Geschichten, die alle auf eine
ihre erste Liebesenttäuschung, zwei andre gehen
Ehrenrettung, eine Reinwaschung, eine Verherr¬
in die Ehe, gehorsam und phrasenlos, wie es
lichung dieser vielverkannten und vielgescholtenen
in diesen Kreisen Brauch und Herkommen ist;
Menschenklasse ausgehen. Johanna Wolf hat
über einen abligen Herrn kommt an der Schwelle
Tieferes und Kunstvolleres geschrieben aber des Alters noch einmal ein tiefes, echtes Lie¬
kaum etwas, was so rein und unverfälscht, so
besgefühl, aber die Parze schneidet ihm den
voll und saftig aus dem geläuterten Volksgefühl
späten Trieb des Herzens unbarmherzig entzwei.
emporquillt und von einer so gesunden, geraden
Wie simpel, wie alltäglich scheint das! Aber
und tapferen Lebensanschauung erfüllt wäre.
wie vornehm, wie unterhaltsam und wie an¬
Manchmal, wie in der Erzählung von Brita
regend ist es erzählt! Kopf, Herz und Gemüt
Gehlsen, der entschlossenen Holmsmüllerin, die
kommen gleicherweise auf ihre Rechnung, und
ihrem Sohn und der anfangs gar nicht gern
ein Klang zittert nach, der lange noch ein inni¬
gesehenen Schwiegertochter mit heilsamem Lachen
ges Wohlbehagen in uns zurückläßt. Außerdem
über eine gefährliche Fußangel ihres Glücks hin¬
empfehlen wir von Keyserling noch die Novellen¬
weghilft, geht es wohl etwas bäuerlich derb
bücher „Im Winkel= und =Am Süd¬
dabei zu; manchmal, wie in der Geschichte von
hang= (ebenda), beide nicht stark in der Hand¬
der Totengräberin Dorothea Zinn, die mit ihrem
lung, aber desto bezwingender in ihrer zarten
Spaten lebt und stirbt und dem in mehr als
verschleierten Stimmung, ihrem Lebensduft.
einer Beziehung unsicher auf den Füßen stehen¬
den Schwiegersohn schließlich sogar das Fried¬
QDeter Altenberg ist nicht mehr — kurz
hofsamt abnimmt, wird mit etwas billigen, ka= 4 gesagt. Doch eigentlich, müßte man sich
lenderhaften Mitteln gearbeitet — was tut's! bei ihm nicht noch viel kürzer ausdrücken?
Im Grunde haben wir hier durchweg prächtige, Etwa so: P. A. †.