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30. Casanovas Heinfahrt box 4/10
Ane 4
— Lenwirausparter ein Terren dl bewden Regierungen zufallanengesetzt wird. ssingung nutionaler Lieder ein und besetzte alle
Er wird abgewiesen; nun will er das Unerreich¬
Leidensfurchen eines verfallenden Menschenantlitzes
v.n Fest zu Fest, daß es vielmehr die dumpfe, dunkle
bare ertrotzen, obzwar er durch Zufall weiß, daß
erzählt.
Angst war, die bange, nutzlose, die lächerliche Flucht
sein eigenes, um dreißig Jahre verjüngtes Ebenbild,
vor dem herannuhenden Alter, vor dem faden
der schöne, schmiegsame Lorenzi, bei der spröden
Fäulnishauch der Zerstörung, die er immer näher
Frauen über Frauen durste Casanova in ewigem
Marcoline Erhörung gefunden. Durch eine schwöde
und näher über seinem Haupte fühlte, ohne Gnade,
Suchen und Niemalsfinden besitzen, edle und gemeine,
List, durch einen schimpflichen Handel mit dem un¬
gleich dem verhängnisvollen Flügelrauschen eines
leidenschaftliche und kalte, Jungfrauen und Dirnen,
würdigen Liebhaber, gelingt es ihm, sich star Lorenzt,
schwarzen, unheimlichen Raubvogels. Noch betört
Gräfinnen und Kammermädchen, Sängerinnen und
verkleidet und unerkannt, im Schutze der Dunkelheit
zwar Cisanova, noch blendet er; aber es ist nur
Modistinnen, aber vor keiner noch hatte er je, los¬
bei ihr einzuschleichen. Das frühe Morgenlicht übere
mehr mühsam erkünstelte Lüge, nur mehr der ver¬
gelöst von allen Erinnerungen und Vergleichen, in
rascht ihn und reißt unerbittlich die Larve von dem
Rutende, verdämmernde Widerschein des flammenden
Verlangen und Hingabe so gebebt, in besinnungsloser
kläglichen Beirng. Und was Cosenova jetzt in dem
Glanzes von einst, die blasse. müde Aureole ferner,
Brunst und hilfloser Demut, wie zu Mantua vor der
mitleidigen, unendlich traurigen Blick des getäuscht
verschollener Trinphe, nur mehr das trammnhaft
klinen, verschlossenen und spröden Marcoline, einem
Weibes liest, ist nicht, was er tausendmal lieber darin
ausschwingende, unwirkliche Scho einer eins. heißen,
entzückenden und dabei sehr gelehrten jungen
gelesen hätte: Dieb, Schurke; er ließ nur das Wort,
vollen, welgerisch werbenden Melodie, abendliche,
Mädchen, das auf einem Landgut in der Nähe der
das ihm von allen das furchtbarste ist, das ihn
insgeheim weinende Flöten der Erinnerung in
Stadt bei ihrem Onkel, einem Freunde Casanovas,
sterbenden, herbstlich fahlen Gärten der Melancholie.
vollends zu Boden schlägt, da es sein end#
die Ferien verbringt. Marcoline ist eine eigenartig
gültiges Urteil spricht: Alter Mann. Armer alter
Qualvolle, heimlich zehrende Wehmut der Ent¬
fagung, blutlose Gespenster des Verfalls, ins Nichts zer= undurchsichtige, höchst reizvoll schillernde Mischung
Mann. Gebückt, mehr kriechend als gebend, Rr#
rinnende Phankome der Lebenslüge, bittersüßze aus Kindlichkeit, Liebreiz und männlicher Verstandes¬
er sich hinaus ins Leere, in die Verlassenheit, ge¬
schärfe; sie spielt mit den Kindern Ball und hat zu
neigten Hauptes wie nach einem letzten Abschied.
Musik des Abschiedes, durch die zuweilen ein schriller,
Bologna Philosophie studiert. Sie tollt ausgelassen schleppt sich nach Venedig. Casanovas Heimfahrt.
verwerter Aklord wie von Ohnmacht und Verzweif¬
über die blütentrunkenen Wiesen und führt einen
Daheim wird er als Spion ein schmachvolles, an¬
## stöhnt, dies alles weht einem aus Artur
abstrakten Briefwechsel mit dem berühmten Mathe¬
geekeltes Dasein führen, er. Casanova, Chevalier ##
(Schnitzlers jüngstem Buche „Casanovas Heim¬
Jahrt"*) entgegen gleich einem mild und leise ver= matiker Sangrenne in Paris; während sie einem
Seingalt, Doktor der Rechte.
Falter nachjagt, verwickelt sie Casanova in einen
nwebenden und doch hartnäckigen, unvergeßlich
heiklen Disput über Voltaire und die Sophisten. Sie
Man kennt sein Ende; in einem zerschli
sturden Duft, als würde nach langer, langer Zeit
verschmäht um der Wissenschaft willen jede Werbung,
Rock, eine groteske Velznlätze auf dem Kopf.
wieder der Decel einer schweren, kostbaren, ie
aber es gibt Tage, da ihr alle Philosophie und Logik
grobes wollenes Tuch um den mageren, fal
Schatten der Jahrhunderte nachgedunkelten Truhe
nur ein Spiel mit Worten scheint, edler freilich, doch
Hals irrt er noch einmal über die harten Stre
möffnet, und derin schlafen vergessene, alte, edle
auch finnloser als alle andern. ...
frender Länder, in Schuben, an denen die Schna
Seldenge webe, stolze, einsame Bvokate in verwitter¬
Und angesichts dieses jungen Geschöpfes, an fehlen. Dann erbarmt sich der Graf Waldstein seine
ten, verblichenen Farben. Aus dieser mit zarter, be¬
einem früchteschweren, golden wogenden Sommer= und nimmt ihn als Bibliothelar und l#er#
hutsamer und wieder gewaltiger Kunst mit instinktiv
tage, überfällt den alternde Casanova gleich einem
traueige Sehenswürdigkeit mit sich auf sein Schloß
sicherem historischem Stilgefühl geschaffenen und
grausamen Kampf von Reu##und letzter Hoffnung dienach Dux. Ein Bild ist dort in der Bioliothek za
fstgehaltenen Atmosphäre hebt sich im schwankenden
Erkenntnis: hier endlich ist, die er schon so oft, töricht sehen, und darunter steht: „Me quaero, ned adsum,
Zwielicht die tragische# asle des alternden Casanova
genug, zu erleben geglaubt, und die er noch niemals
kui.“ Ich suche mich, doch hin ich nicht mehr, ich war.
ab, und Schrützlers (frei erfundene) Geschichte von
wirklich erlebt hatte — Erfüllung und nicht nur Ver¬
Er war ein Gewesener, noch lange, ebe er im
dem letzten und tiefsten Erlebnisse des Ruhelosen
heißung. Hier ist Lust, die zur Andacht wird,
Jahre 1798 endlich sterben durfte undauf dem Barbara¬
wächst zugleich zu einer wundersam ergreifenden
Andacht, die sich in Lust wandelt, hier gleitet
friedhofe beigesetzt wurde: noch lange, ebe in den
Legende von Kummer und Glück empor, von be¬
Totenmatriken wirklich, schwarz auf weiß, zu lesen
grabenen Schmerzen und erloschenen Freuden, zu tiefster Rausch in Wachsein ohnegleichen, Wachsein
einer Legende, wie sie das Leben selbst durch die ohnegleichen in tiefsten Rausch über. Hier ist Rettung, war: „Herr Jakob Cassaneus, ein Venezianer,
—Friede, Asyl ven Verfall mid Tod. Vergessen und 84 Jahre alt.“ Nichts weiter.
.
. Dr. Moriz Schenen 1
n*) Erschienen bei S. Fischer, Berlin. 1
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