Faksimile

Text

asanovas Heimfahrt
30. Cesa.as box 4/10
CASANOL—
Freicher als je. Und doch erfasst ein
Grausen, ein Schauer vor seinem grei¬
STEFAN ZWEIG: & Casanovan; Ed.
senhaft alterndem Antlitze die junge
Victor Attinger.
Flau, in deren Kammer er sich auf
ARTHUR SCHINTTZLER: 6 Je Re¬
bstrügerische Weise geschlichen hat¬
toursanova n; Ed, Victor
te. Es ist dies die unausbleibliche
Attinger.
Sühne für den Kult des Fleischlichen,
dem sich Casan#va hingegeben hatte.
Wenn man heutzutage in Paris oder
Wir sind ven Staub und werden zu
in Berlin von Casanova redet, so wer¬
Staub — und alle Künste Casenovas
den hier wie dort die meisten wahr¬
haben daran nichts ändern können.
scheinlich sofort an die vornehmen
Nachtlokale denken, die in beiden
L. v. GRUENWALDT.
Hauptstädten den Namen des grossen
Hm#n
italienischen Abenteurers auf ihr
Schild gesetzt haben. Der Verfasser
KOLLEKTEUFPAET UND
der unsterblichen Memoiren scheint
00
dem gegenüber mit seiner Person in
INDIVIDUUM
den Hintergrund gerückt zu werden
— ein Charakteristikum unserer Zeit!
Ein neu# Maeterlinck-Buch gestal¬
tet sich irerser zu einem Ereignis. Sei
Wer verfügt auch heutzulage über die
genügende Musse, um ein sechzehn-nem hohen Gedankenschwung geling
es, uns söfort aus der Sphäre des ba
bändiges Werk, so interessant es auch
sein mag, zu bewältigen. Stefan Zweigilen Allläglicken zu den grössten Prob
kommt uns da zu Hilfe. Seine, mit ge-lemen zu erlieben, die je die Mensch
wohnten Glanze entworfene Charek-Theit beschäftigt haben. So ist auc
teristik Casanovas gibt nicht nur infsein (Leben der Ameisens (Mauric
knappen kurzen Zügen das Wesent- Macterlinck: & La vie des fourmis
liche aus dem Lebenslaufe des denk¬
Fasquelle) gleich dem vorangegang
würdigen Italieners wieder, sondern hen Leben der Ameisen und Termite
versteht es auch, ihn zum Symbol des tausendmal mehr als eine naturwi
Homo eroticus zu gestalten, denn in Isenschaftliche Skizze. Wenn Maete
jeder anderen Hinsicht — als Dichter, Ilinck die Eigenart der kleinen Inse
als Weltmann, als Verbrecher — istiten, ihr merkwürdiges Treiben un
Casanova unvollkommen. Nur ein Lie¬
Wirken vor unseren Augen entwir
besleben, das er mit einer Aufrichtig-/so geschieht dies nur, um eine Fra
keit ohnegleichen schildert, macht ihnj zu beleuchten, die weit über den Ra
zum unnachahmlichen Phänomen.men der Soziologie hinaus gehend i
In der Aufrichtigkeit seiner Leiden- Komische hinüberspielt. Die Amei
schaft, die er gegenüher jedem Ge-#ist für Maeterlinck gar nicht das ke
schöpfe weiblichen Geschlechtes ver-Ige, geizige Geschöpf der Fabel.
spürt, symboliert er Casanova, n denAmeise sei im Gegenteil d eins d
Manno als solchen, das personifizierte ledelsten, mutigsten und aufopfern
sten Geschöpfe von allen, die unse
männliche Geschlecht. Umsonst wür
de man bei Casanova eine Sublimie.Erde trägt. v Aber die Ameise ) ih
rung dieses physischen Triebes su- Individualität der Allgemein
opfert und geht in derseiben
chen.
Ist dier nicht vielleicht das Schicks
Vier Strophen Goethes geben uns
ein besseres Versländnis als die sech-das auch der Menschheit beschiedt
zehn Bände Casanovas von den Tie-ist? Der Sozialismus und Kommuni
fen des Gefühls und von Eros’ eksta- mus unserer Tage mögen vielleiel
tischen Zonen. Was aber Casanova al-bloss Elappen auf einem weiten W.
ledem zum Trotz sympathisch und ge sein, der uns vom Streben, von de
nach Zweig’s Ausspruch, zum Gegen- Sehnsucht nach individueller Unsterb
slandes des Neides für jeden männli-lichkeit zum Triebe nach kollektivel
chen Leser macht — ist das Unmittel- Sterblichkeit führt.
bare, Urwüchsige und Aufrichtige
seines Liebeslebens. Das Sexus'le, das
er in sich vergöttert, verge irt er
Nicht umsonst haben schon einige
auch bei den Frauen, die ihm a.shalb) Kritiker Maeterlincks Werk dem neu¬
eine dankbare-Erinnerung fün eine en Duhamel'schen Buche & Scènes de
einizige Liebesnacht bewahren. Welch
la Vie future „ (Mercure de rance)
ein Gegensatz zu Don Juan, der ja nur
gegenüber gestellt, das anf Grund von
deshalb zur Jagd auf seine Mille e Eindrücken von einer amerikanischen
Tren ausgehl, um die Frau zu ernied-Reise gewisse Prognosen für die zu¬
rigen, ihr die Ehre zu rauben und ihr künftige soziale Gestallung des
Idealbild in den Slaub zu zerren. Zweigmenschlichen Geschlechtes stellt. Du¬
ergänzt seine psychologische Skizze
hamel erklärt in seinem Vorwort, dass
eeein