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Tagebuch
27. Das
der Redegonda
bex 4/4
Das Tagebuch uus Reusganda
— die Jahrver—d#
#####rsprochener Arbeiterbevölkerung
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### und nie'nand kann es mir verübeln, wenn ich einander gegenübergestellt und wir wissen eindentig, sie tödlich vergiften wird, so; daß ihre Leibesfrucht
auf welcher Seite Schnitzler steht.
dafür soege, daß der nicht zu kurz dabei weg¬
stirbi und statt ihres Sohnes, des Bruders König,
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Schnitzler, der jenem Dichterkreis entstammt, den
kommt — gia, mehehehehe! —
schloß er, listig
ein Tyrann auf den Thron steigt und das Vaterland
mit den Aeuglein zwinkernd.
man kurz „das junge Wien“ gannte, wird von
zugrunde richtet. Die Frage Schuld und Schicksal
Soergel, dem bekannten Literarhistoriker u. a. sol¬
„Ah ja, ich verstehe,“ nickte Gabriele, und
wird aufgerollt, der Wert des ganzen Daseins in
gendermaßen charakterisiert: Als Wiener ist er da¬
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Zweifel gesetzt.
dann las sie den Brief, las ihn nochmals, und
heim (in Wien), als Jude wird es das unbehagliche
er
dann den Blicken des sie erwartungsvoll an¬
„Die drei Masken“, ein Einakter, zeigen drei
Gefühl des Fremdseins oder des Fremdwirkens nicht
sehenden Doktors begegnend, sagte sie perplex:
Menschen, den Dichter, den Journalisten und den
los. Er hat den Zug seines Volkes zur Skepsis, ikep¬
„Dieses Schreiben ist so — wie soll ich sagen,
Schaulpieler in gewollter Typserung. Die Charak¬
tisch ist er nicht wie Bahr gegenüber alten, auch
terzeichnung, namentlich ds eschauspielers, ist gro߬
so sonderbar, daß ich es Ihnen bester schriftlich
gegenüber neuen Wahrheiten, als Arzt ist er vorsich¬
artig, die Handlung nicht genz kur, irsofern als sie
übersetzen und Sie bitten möchte, es besser allein
tiger in der Diagnose, vor der Verwechslung der
sich in guten Treuen sehr verschieden interpretieren
für sich daheim zu lesen. Wenn Sie ein Blatt
Sympthome mit den Ursachen ist er sicher... Um
läßt. Der Journalist, im Leben ein Gescheiterter, jetzt
Papier und einen Bleistift hätten —
das Wortpaar „Tod und Leben“ kreisen gern die Ge¬
Todeskandidat, will vor dem Tode seinen ehemaligen
danken seiner Menschen: das Leben wird weich um¬
„Freund“ sehen, einen angesehenen Dichter, um ein¬
kost, die Angst aber, das Grauen vor dem Ende wird
mal die Maske fallen zu lassen und ihm die ganze
Arthur Schnitzler.
als menschlich natürlichste Regung gerechtfertigt, bei¬
Wahrheit zu sagen: daß er ihn für einen Charakter¬
H. W. Schnitzler gehört auch zu jenen Dichtern,
nahe heilig gesprochen. Von schinerzlicher, schwer= lump halte und für einen „gemachten“ Dichter. Dem
deren Name besser bekannt ist, als ihre Werke. Wenn
mutsvoller Süße erscheint das Dasein: ein einsomner
Schauspieler macht er in einer Generalprobe vor,
man om Donnerstagabend einen Teil der überaus
Gang durch rieselnden Nebel, unterbrochen von küc¬
welche Ausdrücke er dem Freund an den Kopf
zahlreich erschienenen Zuhörer auf Herz und Nieren
zeren oder längeren Sonnenblicken, in denen dann
werfen, wie er seiner Verachtung Ausdruck verlei¬
geprüft hätte, würde sich das Resultat ergeben haben,
alles zärtlich aufleuchtet, in denen sich zwischen
hen werde. Wie derselbe aber kommt, schweigt er.
daß alle von ihm gehört, manche von ihm noch nichts
Mensch und Mensch festere Beziehungen anzubah¬
Warum? Weil er mit ihm, der auch seinen Kummer
gelesen und einige wit seinem „Reigen“ Bekanntschaft
nen scheinen. Doch flüchtig sind sie, fast gibt ihnen
und sein Elend durchgemacht hat, dessen Glück nur
gemacht haben. Und doch hat Schnitzler vieles ge¬ nur Ahnung und Erinnerung Schönheit: tief auf
einscheinbares ist, Mitleid hat? Oder weil er ihn, der
schrieben, das ein Wesen meit besser spiegelt, als
dem Grunde aller Dinge lebt eine leise Traurigkeit.
dennoch den Mund voll Phrasen hat, im Augenblick
jene „Komödie der niederen Liebe“, wie der Rei¬
Um Leben und Tod geht es auch in der knappen,
so verachtet, daß er sein Innerstes vor ihm nicht zu
gen mit Recht genannt worden ist. Wir möchten da¬
aber höchst spannend und lebendig ge hilderten Er¬
entblößen vermag? Oder was der simpelste Grund
mit in keiner Weise über diese Dichtung ein abfäl¬
zählung „Die dreifache Warnung", d: der Dichter
wäre, weil jener so drauflos schwatzt, daß er selbst
liges Urteil fällen, sondern nur dartun, daß sie dur.
als erste, wenn auch nicht köstlichste Gabe darbot.
gar nicht zum Worte kommt?
aus nicht als Krönungswerk Schnitzlers zu betrachten] Wichtiger als da.. Was erscheint uns das Wie dieser
A's Meister der Situation, sei sie so oder anders,
ist. — Diejenigen geschätzten Leser, die vor einem
Geschichte. Der Dichter will zeigen, welche ungeheu¬
als stets beweglicher Regisseur, der seine Gestalten
Jahr der Aufführung der „Liebelei“ im Stadttheater
ren Wirkungen kkeine Urfsachen haben können. Ein
nicht nur schafft, sondern auch führt, für den es keine
beigewohnt haben, werden mir ohne welteres recht Jüngling verscheucht mit seinem Hauch ein Schmet¬
Grenzen zwischen Wirklichkeit und Nichtwirklichkeit
geben. Denn dort werden eben Liebe und Liebeleji terling, der sich auf den Hals der Königin jetzen undl gibt, erweist sich der Dichter in seiner vor etlichen
Dach a###lt

— —
26 allein auf die Stadt Veln 22


Jahren entstandenen Groteske „Der grünel
Kakadu“. Es handelt sich um eine Spelunke im
Paris des Jahres 1789, am Tage des Bastillensturms.
Prospère, ein ehemaliger Theaterdirektor, hat den
sei
klugen Einfall gehabt, seine ehemaligen Schauspieler
lic
in seiner Kneipe Verbrecherszenen aufführen zu las¬
se
sen, um seine Gäste im Wahn zu halten, sie befänden
ha
sich an einem der unheimlichsten Orte von Paris.]
Die Sache zieht, wenn der Trick auch bei den Stamm¬
ri
gästen allmählich bekannt wird. Und nun hören wir
in
die Schauspieler ihre Rolle sprechen, wir erleben alles
der
in größter Errigung mit. Unsere Erregung steigert
sich, wie Henri, der Begabteste von ihnen, erzählt, Un
De
er habe den Liebhaber seiner gestern angetrauten
im
Frau, einen Herzog, erdolcht. Ist es wahr oder nicht?
im
Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit! Jetzt tritt der
Herzog ein und Henri stößt ihm den Dolch in den uns
Hals. Flucht der adligen Gäste, der Pöbel strömt beit
herein und gröhlt Freiheitslieder. — Aber auch hier glei
erst
tritt diese leise Traurigkeit zutage, von der oben die
gen
Rede war. Bevor Henri weiß, daß seine Frau, die er
oft
gestern vor den Altar geführt, mit dem Herzog be¬
ethi
trogen wird, malt er sich aus, wie er seinem Beruf
und
Valet sagen und auf dem Lande ein stilles und
nati
zurückgezogenes Dasein in Liebe und Zufriedenheit
emp
führen wolle. So viel Weichheit und Innigkeit liegt
H0
in jenen Sätzen, aber auch schon die Skepsis gegen¬
letzt
über dem Glück, das da kommen, soll.
gold
Schnitzler ist nicht nur ein Dichter, er ist auch
buf
ein gewandter und mitreißender Vortragskünstler,
unge
der seinen Werken ein vorzüglicher Interpret ist. —
läßt
Der stürmische Beifall der Anwesenden wied ihn
nie.
davon überzeugt haben, daß seiner Kunst Beachtung
gäng
des Geistes wie des Herzens zuteil wurde.
ausge