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Tagebuch der Rede
27. Das
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# Dr. Mas Goldschmidt
Bureau für Zeitungsausschnitte
Telefon: Norden 3051.
BERLIN N. 4
Ausschnitt aus:
tieue Bürcher Zeitung, Zürich.
2 2 Jan. 1925.
rendes Verstehen. Der Hochgekommene legt eige= hinein, und wurstelnes so zu Ende im Wurstel¬
nen Kummer aus, und der Sterbende, was will er
Der Arthur Schnitzler=Abend.
prater. Es ist eine ganz verfeinerte Parodie auf
tun, als ihm die Hand reichen. Er konnte die große
den alten Pickelhering, der in Wien auf eine ruhm¬
E. K. In frühern Jahrzehnten, als man die
Szene der Rache nicht spielen. Aus Menschlichkeit.
reiche Tradition zurückblicken kann. Das ironische
Dichter noch um eine Locke des wallenden Dichter¬
Alle Elemente Schnitzlers sind in diesem Einakter:
Spiel meisterte Schnitzler mit seiner fein gestuften
plieses bedrängte, hätten im Geist die Verehrerin¬
Das Theaterchen im Theater, der Schein und das
Vortragsweise, so daß selbst die Bissigen, die bei¬
nen ihre Scheren gezückt beim Anblick Schnitzlers,
Sein, Schauspieler und Arzt, Karbolgeruch und
ßen, wenn sie lieben, dem Meister, den sie in den
dem eine einzige mächtige Lockenzunge bis zur
Sterben. — Schnitzler las bei seinem wilden Ka¬ hintern Regionen des Saales nur fragmentarisch
Schläfe reicht — noch ungebleicht. Ein aparter
tarrh ausgezeichnet, aber auch so bedrängt, wie ein
verstanden, huldigten.
Kopf! Arzt und Künstler haben ihn geprägt. So
Geiger, der merkt, daß seine E=Saite gefährdet ist,
Der Lesezirkel Hottingen hatte das Patronat
erschien er der großen, harrenden Gemeinde. Mit
aber noch seine Sonate zu Ende kämpft.
des Abends.
seinen Büchern, einer Teetasse und dem dazu kor¬
Während der Pause! Man fragt sich: Was
respondierenden Katarrh. Was er nach der Pause
wird Schnitzler noch lesen? Wir sind doch schlie߬
lesen würde, war eine Frage, die erst später die
lich kein Gartenlaube=Publikum? Er darf uns mit
Stimmbänder entscheiden konnten. So las denn
den Werken seiner letzien Schafsenszeit kommen,
Schnitzler zuerst das „Tagebuch der Redegonda“
denn sie weisen Vertiefungen auf. Aber der Komö¬
keineswegs eine der besten, aber eine auf den Schluß
diendichter ließ sie in der Vertiefung und beschloß
hin geladene Sache. Das könnten auch Schnitzler¬
den Abend luftig, duftig mit der Burleske „Zum
Epigonen wie Salten geschrieben haben. Und
Großen Wurstel“ aus den „Marionetten“. Der
dann aus dem Einakterzyklus „Lebendige Stun¬
brillante Vorleser (er ist es, auch wenn man ihn
den“ die in Zurich aufgeführten „Letzten Masken“.
nicht hörte. Ein um so größeres Aergernis und
Da liegt der arme Journalist Rademacher, der Zeit
Kümmernis für die, die seines Geistes kaum einen
seines Lebens „Buckerln“ machen mußte vor den
Hauch vernahmen) war nun beinahe „bei Stimme“.
Leuten im Extrakammerl des Krankenhauses. Sein
Auch hier wieder geht es im Theater ums Theater.
Exitus ist gewiß, aber Rache will er noch nehmen
Das Bublikum spielt ohne Gage mit. Die Glossen
in dieser letzten Stunde an seinem hochgekomme¬
verteilt das Kleeblatt des Bissigen, des Wohlwol¬
nen Jugendfreunde Weihgast. Zuerst probt er das
lenden und des Naiven, die alle zu dem „süßen
téte-à-tôte mit dem kranken Schauspieler Florian
Mödchen“ ihren Seim, wollen wir sagen, dazugeben.
aus. Sein Keulenschlug gegen den Freund soll das
Der Bissige, der, wenn der Naive applaudiert, auf¬
Bekenntnis sein, daß des hochgekommenen Dichters
braust: „Sie haben's aber eilig“; der Raisoneur
,
Frau zwei Jahre seine, des armen Teufels, Ge¬
des Stücks (der red't „entweder geistreich oder nix“
liebte war. Vor dem Schauspieler legt. er los.
der Direktor, der noch während des begonnenen
Aber das ist nur die Generalprobe. Jedoch wie nun
Stückes dem Dichter „Striche“ empfiehlt, die dro¬
der Dichter am Krankenlager erscheint, wandelt sich hende Zuschauerin, die nicht im Theater bleibt,
der Ernst des Spiels und der Begegnung in rüh=l wenn geschossen wird, alle sprudeln in das Stück