Faksimile

Text

box 3/2
23. Der Nec ins Freie
aaen K. enee n Seche enen enen en ene en e een en 1. 1
Neue Romane und Novellen
551
der Ruhe gerät, das hat Holzamer mit großer Feinheit und ohne überflüssige
Worte geschildert. Unschematisch treten vier Männer nacheinander in das Leben
dieser Frau, und mit voller Lebensechtheit ist es gegeben, wie sie nach dem
Verlust des ersten, der sicherlich der ganz für sie bestimmte war, die Brücke
zu zwei andern nicht findet und dann endlich an der Seite des letzten, der
wenig von ihr verlangt, ausruht. Die Gestalt wird einem lieb, man weiß nicht
wie, und obwohl sie ganz nur aus ihrer Heimat zu begreifen ist, fehlt ihr doch
jede Enge. Was in Holzamers „Peter Nockler“ noch flach war, hat sich hier
gerundet zum lebendigen Werk, und wir empfinden aufs neue den Schmerz
darüber, daß uns dieser Dichter so sehr früh verlassen mußte.
Die Bücher der Gräfin Adeline zu Rantzau haben alle ein reines und
feines Menschentum; ihr „Unmöglicher Mensch“ war zugleich ein Aufschwung
zur Kunst, ein seltnes Buch von tiefem Gehalt und ungewöhnlicher Gestaltungs¬
kraft. So viel Gutes läßt sich der Novelle „Aus dem Untergrund des Lebens“
(Berlin, Martin Warneck) nicht nachrühmen. Wieder ist viel menschlich Feines
darin, aber der Stoff ist Adeline Rantzau entglitten, die Schilderung ist un¬
gleichmäßig geworden, zwischen Szenen, die uns ganz ergreifen, stehn tote
Stellen. Der Dichter, der sich im Aufstieg zur Meisterschaft verzehrt, der Christus
mit dem Kreuz den Berg emporwandeln sieht, ist nicht ganz überzeugend
herausgekommen, wir glauben ihm nicht recht, daß er schließlich das Leben
und seine Darstellung ganz gefunden hat. Wir hoffen, daß uns die Gräfin
Rantzau noch andres, Geschloßneres, Größeres geben wird.
Ein Talent von starker Konzentration ist Jakob Schaffner, der in seinem
Novellenbuch „Die Laterne“ (Berlin, S. Fischer) vielleicht das Reifste geschaffen
hat, was wir in den letzten Jahren von jüngern Novellisten erhalten haben.
Es sind Sachen ersten Ranges darunter, Sachen von ganz skurrilem Humor
und wieder voll tiefsten Ernstes, dem ein gehaltnes Lächeln nicht fehlt. Da¬
zwischen steht eine Skizze „Der Kilometerstein“ von einer großartigen Grä߬
lichkeit, die dem Dichter kaum jemand nachschreibt. Schaffner wirkt zuerst fast
gewollt apart, aber nach den ersten zwei Seiten merkt man, daß seine Eigenart
wirklich gewachsen, persönlicher Stil ist, mag sie nun phantastisch durch Sturm
und Regen gehn, mag sie realistisch am Ofchen der Handwerkerstube sitzen. Dazu
liegt über allem ein schwäbisch=schweizerischer Ton von großer Wärme. Da ist
nichts Zerflatterndes und Unhaltbares, nichts, was aus der selbst gewählten
Form fällt, und eine unbekümmerte Aufnahme und Wiedergabe des Lebens.
Es steht dem Stoff nach Gewöhnliches und Ungewöhnliches nebeneinander, aber
alles vergoldet von einer herzhaften, dem Leben nicht entfremdeten Kunst.
Menschen des starken Tuns, Geschichten mit dem Aufeinanderprall von
Handlung und Gegenhandlung bietet freilich auch Jakob Schaffner nicht. Auch
bei ihm steht die Stimmung obenan. Er gibt leidende Menschen oder behaglich
zurückschauende, mit Humor sich schickende. Und auf der Suche nach einem
Roman der lebhaften Handlung glaubte ich, in dem neuen Buch von Clara
Viebig „Das Kreuz im Venn“ (Berlin, Egon Fleischel & Co.) die Erfüllung
meines Wunsches zu finden. Aber, bezeichnend genug, biegt auch dies Buch
ganz wo anders hinaus, als wir es erwarteten, und die Ausklänge kommen
von Menschen her, die unter Zwang und Druck äußerer Verhältnisse, innerer
Begierden zucken und kämpfen. Nicht, daß der Mensch stärker sei als sein
Schicksal, sondern daß Leben und Leidenschaften stärker seien als der Mensch,
ist auch dieses Buches letzte Weisheit. So bleibt es denn in der Linie, die