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ins Freie
23. Der Neo
RRRRRARAAssesessAAae
rlicht unch nich.
Gestalt zeigt, verknüpft. Wergenthin ist ein unbewußtes
schte Natur neuen
Freundschaftsgenie, nichts weniger als enthusiastisch in der
t verbraucht, ohne
Annäherung, aber ein ausdauernder Kamerad, einer von
Freiheit nur eine
dem seltenen Geschlechte der guten Hörer; von der stillen
nd Genießen heftet.
Teilnahme seines nachgiebigen, energielosen Wesens geht ein Hauch
und um das frag¬
aus, der die Saiten im Innern der Freunde wie Aeolsharfen er¬
robleme der Ge¬
klingen macht. So vertrauen sich ihm alle an, ohne ihm menschlich
von vermeintlichen
allzu nahe zu kommen. Der Ironiker, der aus seiner stillen Ueber¬
in jene moderne
legenheit und stolzen Einsamkeit einen Panzer gegen die Stiche der
Zug einer durch¬
feinsten Antipathie geschmiedet hat, der Zionist, der gegen die still¬
t dem verwegensten
schweigende Ausweisung aus dem engeren Nationalverbande eine
dlichkeit gegen jede
Zuflucht in einem neuen, angeblich alten Nationalgefühl sucht, das
überreizten oberen
keine Wurzeln in der lebendigen Kultur hat und das sich krampfhaft
rvor: der geborene
an eine geschichtliche Fiktion klammert, und der tiefsinnige Grübler,
chen, die exaltierte
der den Zweifel von allen gegen sich selbst kehrt und durch rastlose
benteuer wie ein
Zergliederung seines Wesens bis zur Selbstzerrüttung gelangt. Es
e im Denken und
ift ein eigentümliches Virtuosenstück Schnitzlers, ale diese Spiel¬
Leben mit dem
arten der Stimmung, die der Antisemitismus erweckt, in Gesprächen
llschaftsdame, die
und Episoden, die außerhalb der Haupthandlung liegen, breit zu
edigt, das Dirnen¬
entfalten und uns dennoch nicht zu ermüden. Ich möchte keinem
n die Formen des
zweiten Autor raten, ein ähnliches Wagestück auszuführen, seinen
ann, der sich in
Helden so zum Publikum einer Gruppe von Sprechern zu machen,
ein Stück Demos
die auf sein Schicksal keinen Einfluß haben und deren leises Nach¬
christelnder Sohn
klingen in seinem Gemüte nur der feingestimmte Leser erraten
alieren gleich zu
kann. Schnitzler hat die Macht der Darstellung, diesen im Sinne
gespielter Origi¬
der herkömmlichen Komposition unergiebigen Gesprächen einen zwei¬
sich in beißender
fach fesselnden Reiz zu geben: einmal in der Art, wie sich der
an unauslösbaren
Hörende, der unbewußt einen wortkargen Chorus bildet, aufnehmend
ahrhaftigkeit ohne
und beobachtend charakterisiert, dann durch die wechselnde Beleuchtung
dabei die auf¬
des Problems in tatkräftigen, streitenden und leidenden Naturen.
aus an bedeuten¬
Was die verschiedenartigen Menschen darüber aussagen, steht
cht hat, in allen
ganz im Zuge ihrer persönlichen Bedingtheit, so daß wir das
piele aufschäumen.
Leben selbst zu hören meinen, und der gestaltende Dichter unterläßt
schriften handelt es
es durchweg, aus diesen Protokollen einen Schluß zu ziehen und
in den Tagen der
seinerseits ein inappelables Urteil zu fällen. Tiefes wird ausge¬
Gift der Fremd¬
sprochen, namentlich von dem leidenschaftlichen, unbarmherzigen
d der verstohlenen
Denker Heinrich Bermann, das tiefste vielleicht dort, wo dieser
en durchsetzt, und
Grübler, den Wergenthin lächelnd beschuldigt, selbst ein Antisemit
Ar die Opfer eines
zu sein, darauf erwiedert: „Im gewissen Sinne haben Sie schon
Kraft verzehren.
recht; ich gestatte mir ja schließlich auch Anti=Arier zu sein, jede Rasse
schen Schriftsteller¬
als solche ist natürlich widerwärtig. Nur der Einzelne vermag uns
Grade assimiliert,
zuweilen mit den Widerlichkeiten seiner Rasse zu versöhnen.“ Er
nit den mannig¬
oder Schnitzler hätte hinzufügen können, daß in der Regel derjenige
ihre wechselnde
die allerbreiteste Basis seines Selbstgefühls, also die der Rasse, sucht,
der sie am wenigsten in seinem erarbeiteten Selbst finden kamn,
daß schon das Volkstum die Ueberwindung der Rasse bedeutet, die
an den rohen Naturstand anknüpft, und daß Volksgefühl und
Rassengefühl nicht miteinander gehen, sondern Gegensätze bedeuten,
wie stumpfe sinnliche Abhängigkeit und kulturelle Unabhängigkeit
von den brutalsten Trieben. Und weiter, noch viel weiter hätte sich
dieser Gedanke fortspinnen lassen. Aber all solche Versuche, zu
Resultaten zu gelangen, die über den inneren und äußeren Ent¬
zweiungen schweben, sind mit feiner Absicht vermieden; gerade in
den andeutenden Naturlauten, in den unbewußten Lebensepigrammen,
die zum Nachdenken auffordern, liegt der springende Punkt des
Lebendigen, der höchste Reiz der intimen Mitteilung, den Schnitzler
den natürlich eingewobenen Gesprächen verleiht. So ergibt sich das
Außerordentliche, daß sie uns spannen, wie nur jemals äußere
Vermittelungen, und uns mit der unendlichen Melobie ihrer Fragen
in Atem halten, wie nur jemals Intriguen und schwebende äußere
Schicksale.
Keine Frage wird in dem Schnitzlerschen Buch gelöst, weder
die nach dem persönlichen Schicksal des Helden, noch eine von jenen
sozialen des modernen Ueherreizes, der individuellen Auflehnung
gegen alles Herkommen und der schleichenden Entfremdung zwischen
den Intellektuellen, von all den Problemen, in die die mit meister¬
hafter Tresssicherheit gezeichneten Gestalten der Wiener Gesellschaft
verstrickt sind. Kein Definitivum, keine Antwort, an die man sich
klammern kann. „Ist das nun etwas?“ könnte mancher mit
Shakespeare fragen, und ist das ein Etwas, das ein Recht hat, sich
den „Weg ins Freie“ zu nennen? Es ist, dünkt mich, etwas, einer
Zeit so an den Puls zu greifen, einer Gesellschaft, die zwar nur
einen kleinen Teil der Welt bedeutet, aber in ihren Irrungen und
Kämpfen den Stempel unserer Uebergangsperiode an der Stirne
trägt, ihr Geheimstes so auf den Kopf zuzusagen, daß sie sich ge¬
troffen und ergriffen fühlt, und durch Offenbarungen des inneren
Lebens uns zu Fragen aufzufordern, die wir an uns selbst richten
müssen. Und so wenig im Grunde ein Titel bedeutet, hat solch ein
Buch ein Recht, sich den „Weg ins Freie“ zu nennen. Ich glaube
nicht, daß damit der Lebensweg von Georg Wergenthin gemeint ist,
essen Befreiung mir sehr problematisch scheint, auch nicht, daß alle
die Anschauungen über soziale Fragen, die von so verschiedenen
Naturen bewußt und unbewußt geäußert werden, Anspruch auf be¬
freiende Kraft erheben. Aber uns vor uns selbst hinstellen, das
Geheimnis unseres Inneren erfragen, mit Wahrheitsmut ein¬
bekennen, was in Menschen unserer Tage vorgeht, — ein solcher Zug
künstlerischer Selbsterkenntnis ist zu allen Zeiten ein — Weg ins
Freie gewesen.