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ins Frei
23. Der Ne¬
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dem Buche von kunstlerischem Gesichtspunkte aus sehr bedenklich.
Schnitzler stellt neben diese Liebesgeschichte noch einen Ausblick-auf.
die Judenfrage, wie sie sich in Wien und in den dortigen bessern
Kreisen abspielt. Er ist selbst Jude und wollte sich gewisse
Empfindungen vom Herzen reden. Das kann man ihm nicht ver¬
argen, und es hätte dies ja auch als ein charakteristischer Beitrag
zum Wiener Milien der Geschichte in gewissen Grenzen Berechtigung
haben können; aber es drängt sich zu sehr vor und ist doch nur
äußerlich locker an die Haupthandlung angegliedert. Man findet
auch keine rechte, ein Mitgefühl bewirkende innere Bewegung. Es
handelt sich um gelegentliche lange Gespräche und um Reflexionen,
in denen ein vornehmer junger Jude sich darüber beschwert, daß
die christlichen Lebemänner, wenn sie auch im allgemeinen gar
keinen Antisemitismus bekunden, ihm doch gelegentlich zu verstehen!
geben, daß er nicht ihresgleichen sei. Das kränkt ihn, denn er
beansprucht gerade so gut Vollblut=Wiener zu sein wie so und so
viele andere, deren Ahnen auch von irgendwoher eingewandert und
keine Ureinwohner Wiens sind. In diesem Sinne verwirft er
auch die zionistische Bewegung, weil sie den Juden zumutet, frei¬
willig auf ein wichtiges Recht zu verzichten. Man mag das als
Zeitbild, als Aeußerung jüdischer Kreise interessant finden, es ist
aber nicht glücklich in das Kunstwerk eingefügt, das sonst in seiner leisen
Vornehmheit und feinfühligen Psychologie überaus sympathisch wirkt.
Weiter ist ein im Verlagshaus Vita in Berlin erschienener
Roman von Georg Engel Der Reiter auf dem Regenbogen
zu erwähnen. Nicht so bedeutend wie des Verfassers Roman Hann
Klüth, der Philosoph, aber immerhin eine wertvolle Probe. Der
auffällige Titel rührt von einem Gedicht her, das der junge Held
verfaßt hat. Wir haben in diesem Knaben Petersen wieder den
nicht mehr neuen jugendlichen Sonderling vor uns, der für Napo¬
leon I. schwärmt, selbst so etwas wie ein Napoleon zu werden
hofft und vom Gymnasium fortgejagt wird, weil er in einem
Aufsatz Catilina als Helden preist. Er kommt zu einem Antiqui¬
tätenhändler in die Lehre, was dem Verfasser die Gelegenheit zu
einer sehr hübschen, auch nicht mehr ganz neuen Milieuschilderung
gibt. Sein junges Herz schwankt zwischen zwei verschieden gear¬
teten Mädchen, einer leichtfertigen und einer sehr ernst gesinnten,
die durch die Kaste von ihm getrennt ist. Die eine geht mit einem
Wachtmeister nach Afrike, die andere heiratet einen sehr tüchtigen
Landrat, aber trotz der Tüchtigkeit ihres Gatten denkt sie doch
noch immer gern zurück an die leise, harmlose Liebelei mit dem
jungen Petersen. Der Landrat verunglückt bei einer Wassersnot,
und auch Petersen geht an den Folgen eines Sturzes im Wasser
zugrunde, so daß es ihm nicht vergönnt ist, seinen großen Plan
durchzuführen und an der Spitze der notleidenden Fischerbevölkerung
seiner Heimat nach Südwestafrika auszuwandern und dort eine
neue Ansiedlung an der Küste zu begründen. Viel Hübsches und
Zartes liegt in diesem Buch, namentlich das landrätliche Paar
gewinnt feinen Duft. Aber es geht uns nun einmal bei diesen
Entwicklungsromanen immer so, daß wir allerlei bekannte Klänge
nur in neuer Gruppierung heraushören, und wir haben wirklich
keine sonderliche Neigung für solche Knaben und Jünglinge, die man
uns als Eigenmenschen in eine heldenhafte Beleuchtung bringt und
deren Unreife und täppische Träumerei doch eigentlich so wenig Humor
und vor allem zu wenig von echter Jugendfrische hat.
O I. österr. behördl. Köff uufernemmen
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.
* Ausschnitt aus:
Kölnische Zeitung
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133
76.
E vom:
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Ein anderer Roman von ebenso leiser Zartheit und gelassener;
Beobachtung der menschlichen Dinge, wie sie mitten im allgemeinen
Treiben unbeachtet im kleinsten Kreise vor sich gehen, bietet der
in seinem bei
bekannte Wiener Dichter Agtl
S. Fischer in Berlin erschienenen Rog ins Freie.
Wir können das schöne Buch dem vorhergenannten nur deshalb
nicht gleichstellen, weil sein künstlerischer Aufbau nicht so rein und
weil es auch nicht ganz so reich an menschlichem Inhalt ist.
Ein junger Wiener Baron, der die Absicht hat, sich zum Kapell¬
meister auszubilden, und daneben sich im Kreise wohlhabender!
und eleganter Genossen an der Anmut des Wiener Lebens ergötzt,
lernt ein junges Mädchen aus kleinbürgerlichen Kreisen kennen,
das sich als Privatlehrerin ernährt. Es entsteht eine echt
Schnitzlersche Liebelei, das Mädchen gibt sich dem jungen Manne
sehr bald hin, und ebenso bald zeigen sich die Folgen. Der Baron
benimmt sich sehr anständig, aber die Sache ist ihm doch unbequem,
und er hütet sich, über zarte Aufmerksamkeit hinaus weiter zielende
Versprechungen zu machen. Das Mädchen kämpft den Kampf der
sogenannten Gefallenen im Grunde doch allein mit sich aus und
tut dies in aller Tapferkeit, des Kindes erwartungsvoll harrend.
Diese Psychologie eines tüchtigen Mädchens, das sich mit den
Folgen eines Fehltrittes abzufinden hat, ist überaus zartsinnig
durchgeführt, ohne irgendwelche laute Szenen, auf Grund einer ganz
modernen großstädtischen Lebensanschauung, die nicht die Geschmack¬
losigkeit begeht, mit solchen Geschehnissen Tendenz zu treiben,
sondern darin eben nur das sehr häufige, nicht aus der Welt zu
schaffende Kritisierbare, aber doch stets Wiederkehrende sieht, das
den Beteiligten freilich wehtut, das diese aber auch als ein Schick¬
sal ansehen, das eben überwunden werden muß. Das Kind wird
geboren, stirbt aber kurz nach der Geburt. Das Mädchen wird!
schwer von diesem Tode betroffen, denn all die seelischen Leiden und
Bangigkeiten, all die Furcht, sie waren vergebens, die Mutterfreude
ist ihr nicht geworden, nur ihre Reinheit hat sie verloren. Es ist
eine bittere Lehre für sie, und sie wird sich besinnen, noch einmal
den Lockungen der Sinne zu folgen. Auch auf den Baron, der
zugegen war, hat der Tod des Kindes einen tiefen Eindruck gemacht, und
die Vateridee mit ihren Verantwortlichkeiten ist ihm klarer geworden,
aber glücklicherweise ist er ihren praktischen Folgerungen entronnen.
Die beiden Menschen gehen auseinander, sie zurück in ihre klein¬
bürgerliche Alltäglichkeit, er ist Intendant an einem kleinen Hof¬
theater geworden und wird dieselbe Lebensperiode, die für das
Mädchen eine Offenbarung war und diesem ein neues Weltbild
gegeben hat, bald in andern galanten Erlebnissen vergessen. Er
ist eben ein Wiener, ein guter Mensch, der vorübergehend sehr
gerührt sein, sehr bereuen kann, aber die Charakterstärke nicht
besitzt, diese allgemeine Gutmütigkeit zu einem sittlichen Ernste zu
entwickeln. Manche Leser mögen ja einen solchen Schluß ohne
Spitze tadeln, und namentlich das Damenpublikum dürfte er ver¬
stimmen, deshalo darf er aber doch nicht als verfehlt angesehen
werden. Es liegt in ihm eine stille Ironie der Dinge, an der der
Lebenskenner nicht zweifeln kann. Viel Leidenschaft, viel Lust
und Schmerz wird in dieser Welt unserer modernen, nicht mehr
allzu gefühlsstarken Kultur ziellos vertan. Etwas anderes ist in
dem Buche von künstlerischem Gesichtspunkte aus sehr bedenklich.
Schnitzler stellt neben diese Liebesgeschichte noch einen Ausblick auf
die Judenfrage, wie sie sich in Wien und in den dortigen bessern
Kreisen abspielt. Er ist selbst Jude und wollte sich gewisse
Empfindungen vom Herzen reden. Das kann man ihm nicht ver¬
argen, und es hätte dies ja auch als ein charakteristischer Beitrag
zum Wiener Milieu der Geschichte in gewissen Grenzen Berechtigung
haben können; aber es drängt sich zu sehr vor und ist doch nur
säußerlich locker an die Haupthandlung angegliedert. Man findet
auch keine rechte, ein Mitgefühl bewirkende innere Bewegung. Es
handelt sich um gelegentliche lange Gespräche und um Reflexionen,
in denen ein vornehmer junger Jude sich darüber beschwert, daß
die christlichen Lebemänner, wenn sie auch im allgemeinen gar
keinen Antisemitismus bekunden, ihm doch gelegentlich zu verstehen
geben, daß er nicht ihresgleichen sei. Das kränkt ihn, denn er
beansprucht gerade so gut Vollblut=Wiener zu sein wie so und so
viele andere, deren Ahnen auch von irgendwoher eingewandert und
keine Ureinwohner Wiens sind. In diesem Sinne verwirft er
auch die zionistische Bewegung, weil sie den Juden zumutet, frei¬
willig auf ein wichtiges Recht zu verzichten. Man mag das als
Zeitbild, als Aeußerung jüdischer Kreise interessant finden, es ist
aber nicht glücklich in das Kunstwerk eingefügt, das sonst in seiner leisen
Vornehmheit und feinfühligen Psychologie überaus sympathisch wirk
Weiter ist ein im Verlagshaus Vita in Berlin erschienener“