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Das Schicksal des Freiherrn von Leisenboh
17 m ung
B.E-N- A#N
Bühne und Welt.
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Ein Reigen von matten Schattengestalten hebt aus diesen Romanen ihr Haupt:
der Reigen derer, denen das Leben zu heiß war, denen die Flammen, auf die sie
traten, die Füße verbrannten, und die keine Flügel hatten, phönixgleich empor¬
zuschweben. Den die Kunst ein Beruf war, kein Selbstzweck. Was sie aber ent¬
hüllen, zeichnen, klagen, ist eine ernste, schwere Mahnung für die, welche wissen,
was das Theater ist und sein sollte. Eine Mahnung, das fortzuräumen, was eine
mehr und mehr industrielle, finanziell überschraubte Kultur hineintrug in die Kunst¬
anstalt, die das Theater einst gewesen und noch sein sollte, eine Mahnung, die Fallen und
Schranken fortzuräumen, die jenen den Sturz brachten und die auch Stärkere als Hemm¬
nis und Hindernis überwinden müssen — oft genug mit Preisgabe des Besten in ihnen.
Hand in Hand mit der Kunst geht auf der Bühne, halb verhüllt nur, lockend
und anreizend, das Schattenspiel des großen Liebesmarktes. Und so kann auch die
Gruppe von Romanen nicht fehlen, die das Dikante im Leben des Schauspielers,
des lady-man — oder der schönen Schauspielerin mit schillernden Forben zeichnen,
die die leichten Farben da aufsetzen, wo sie zugleich als bezaubernde Schminke auf
ein Dublikum wirken, das eben gerade wegen des Schauspielers oder der Schau¬
spielerin hingeht, aber um nicht nur den wirkenden Künstler, die gestaltende Künstlerin
in ihnen zu sehen.
Weit ab aber von dem Begriffe der Schauspielerin in diesem verfänglichen
Nebensinne steht die Künstlerin moderner Edukation — die Tochter aus guter Familie,
die, mit allen Idealen ausgerüstet, mit Tugend und Moral durch Generationen ge¬
wappnet, den schwierigen Weg auf die Bretter unternimmt und keinesfalls geneigt
ist, der Kunst oder ihren Vertretern irgendeine Macht über ihre Person einzuräumen.
Dieser Typus, den das Goethesche Weimor und auch manche andere große Cheater¬
zeit kannte und den uns eine neue Zeit wiederschentte, ist offenbar auch das Ideal
der modernen schriftstellernden Frau und wird mit reichlichem Idealismus und mit
der ganzen Schönfärberei der journalistischen Frauentechnik fein ausgemalt.
Das sind die Trpen der Romane, die uns zur Kritik vorlagen. Daß sie trotz
ihrer Fülle Reicheres und Charakteristischeres boten zur Zeichnung des Milieus als
Goethes „Wilhelm Meister“, als holteis „Dagabunden“ und der erste Band seiner
Biographie werden wir kaum behaupten dürfen. Otto Julius Bierbaum hatte uns
inzwischen mit seinem Stilpe das Ueberbrettl erschlossen, Wolfgang Kirchbach in seinem
Salvator Rosa mit breitem Pinsel das Renaissance=Weib der Bühne pastos hingemalt,
ehe die neuesten Werke entstanden.
Ein Lebensbild der modernen Bühne, das voller Kraft und Fülle, voll reicher
und tiefer Derspektiven ist, gab Korfiz Holm in seinem Roman „Thomas
Kerkhoven“ (Verlag Albert Langen, München). Ein Roman, der wirklich auf der
Höhe reifer Kunst steht. Hier ist keine Gestalt mit falscher Sentimentalität gesehen,
keine der Fragen zugunsten irgendeines Dorurteils verschoben und verbogen. Bis in
die letzte Konsequenz ist alles gut durchgezeichnet, überall ist die Stimmung stark und
wahrhaftig, die Sprache voll Kraft und Eigenart. Der junge nordische Kaufmanns¬
sohn, der mit seinen ästhetischen Kunstidealen in die Wirbelstürme einer Münchener
Schauspielerolique gerät, zum Theaterdirektor und Gatten einer oberflächlichen und
kaltsinnigen Schauspielerin gemacht wird — um schließlich sich und seine wahre
Kunst in die olte Heimat und in die Arme seiner inzwischen durch allerlei Schicksale
gereiften Cousine zu flüchten, das ist eine durchaus sympathische, lebensechte Natur.
Die inneren Konsequenzen, die er aus dem Erlebten zieht, adeln den übersensiblen
Charakter und geben ihm die Kraft, sein und ihr Lebensglück auf einem starken und
großen Dergessen aufzubauen.
Auch in Heinrich Manns Roman „Die Jagd nach Liebe“ (Albert
Langen, München) ist der Held der feine, sensible, ästhetische Sproß einer reichen