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10. Leutnant Gust!
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Arpeiter Zeitung.
Arbeiter=Zeitung
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Tages
Leutnent Gustl. Es
rsich sicht derselbe, mit
dem uns Schnithr vor zran
hren beianftt machte. Es
könnte aber sein Sohn sein. Wei
#s stammst er aus einer
Oifiziersfamilie. Dem Einsluß dselz#h# Vaters dankte er nach
seiner Ausmusterung aus der ##ttenschule eine angenehme
„Kommandierung“ ins Hinterla##nd hatte sich ehen bequem
auf eins längere Krieasdauer eingerichtet, als der Zusammen¬
bruch kam. Da sein Valer so vorsichnig gewessn war, eine reiche
Gutsbesitze###ochter zu beiraten, hatte Leutnant Gusek es nicht
nötig und fand es unter seine) Würde, sich für einen nützlichen
Beruf auszubilder. Seit Geenseigung des Krieges mit Leih und
Seele Soldat, bastrafte er die amtimilitaristische Republik
mit
seiner Verachtung und nahm nur insosern von ihr Notiz.
daß
er Gehaltsunsprüche an sie stellte. Sehr hart traf ihn
##
Verbot, Offiziersdistinktionert zu tragen. Er fügte sich ihm,
als
#r fah, naß mit seiner Durchführung Ernft gemacht wurde,
schried aber einen entrültesen Brief an die „Staatswehr“
den
diese mit der Unterschrift: „Ein Offizier aus der geinen
Steiermark“ veröffentlichte. Seit davials fühlt sich Gustl als
geistiger Arbeiter und liebt es, das Thema: „Assistent und
Waschfrau“ abeuwandeln. Aber ## hat er sich von seinen
glitzernden Sternen nicht getrennt. Wenn er zu einer Abend¬
gesellschaft eingeladen ist, „legt en sie ans. Wenn mman sie durch
einen Kragenschoner vurdeckt und dirüber den Offiziersmantel
anzieht, ist das ganz ungefährlich. Gerabe am Tage nach dem
Berliner Putsch war Leutnant Gustl zu einem Hausball ge¬
laden. Diesmal schlug sein Herz höber als soaft, wezn
en den besternten Rock anzog. Bielleicht infolgt der Aaf¬
regung hatte er das Halstuch nicht mit der gewohnten
Sorgfalt angelegt. Tatsache ist jedenfalls, daß er in der Gler¬
trischen die Blicke zmeier Arbeiter auf sich ruhen fühlte.
Seine erfte Bewegung war nach seinem Kragen. Er heigstete
(on und erkante zu seinem Schrecken, daß der eine Stern
nicht von dem Kragenschoner bedeckt war. Zwar beeilte er sich,
diesen Toilittefehler zu beseitigen, kannte sich aber von einem
Gefühl der Beklemmung nicht freimachen. Die beiden Arbeiter
schienen sich nicht weiter um ihn zu kümmern; troßdem hätte
er allzugern gewußt, was der Inhalt ihres mit leiser Stimme
geführten Gespräches war. Er war froh, am Ziel seiner Fahrt
zu sein, aber zu seinem Schrecken bemerkte er, daßder eine Arbeiter
hinter ihm ausstieg. Leutnent Gustl hatte keine Woffe bei sich,
da die schöne Zeit d.: Offiziersfäbel, leider vorbei ist. Daß er
es nur mit einen, Gehner zu tun hoben würde, konnte ihn
nicht trösten, denn dieser hätte sich wohl nicht von seinem
Kameraden getrennt, wenn er nicht seiner Sache sicher ge¬
wesen wäre. Da Leutnant Gustl es nicht darauf znkommen
lassen wollte, als gerupftes Hühnchen anstatt als stolzer Adler
vor den Damen des Hauses zu erscheinen, suchte er sich burch
eine schleunige „Umgruppierung“ von dem Feinde loszulösen.
Erst nach geraumer Zeit wendete er sich vorsichtig um. Von
dem Arbeiter war keine Spur zu sehen. Hatte er Gustl aus
den Augen verloren, hatte er sich gar nicht um ihn gekümmert?
Gleichviel! Die Gefahr war vorüber... Einige Minuten
später trat Leutnant Gustl in die hellerleuchtete Wohnung
##er Gastgeber. Den zerstreut stehenden und sitzenden Gruppen
wurden eben allerhand Leckereien gereicht. Trotz der Feierlich¬
keit dieses Augenblicks machte dos Erscheinen das besternten
Leutnants einiges Auffehen. Die Tochter des Hauses, die eben
beim Klavier saß, begrüßte den Helden, der es wagte, ein
einzelner Mann, der Republik Trotz zu bieten, mit den Klängen
des „Gott erhalte“. Als sie geendet hatte, wurde sebhaft
applaudiert. „Bravo!“ rief einer der anwesenden Schieber.
„Nieder mit der Judenrepublik!“ Und ein anderer wendete sich
zu Leutnant Gustl: „Nu, Herr Laiinant, jetzt wird's doch bei
uns auch bald losgehen wie in Daitschland? Uns gesagt, der
Lüttwitz!“ Leutnant Gustl verbeugte sich und lächelte viel¬
agend.

antikes Heldenepos dar, dem es an allen Schärfen und
dramatisch wirksamen Pointierungen mangelt, sprachlich
zeigen sich mancherlei Schwülstigkeiten und viel Un¬
###tes. Dennoch ist dieses Drama reich, und das ist
das Beste, was man hin nachsagen kann. Man hat
sonst geineinhin bei dem meisten, was jetzt auf diesem
Gebiete gemacht wird, den Eindruck, als sammelten die
Dichter im Schweiße ihres Angesichts die letzten
Tropfen eines zerrinnenden Quells. Hier habe ich die
Empfindung, als habe der Autor aus dem Vollen
schöpfen dürfen und so viel davon verschwenden, als er
ben für notwendig hielt. Es ist eine wohlthuende
Freiheit, ein schöner Zuxus der schöpferischen Kraft in
diesem Stück. Daß diese Freiheit zuweilen zur Willkür,
dieser Luxus zu leerem Pomp ausartet, braucht nicht
zu erschrecken angesichts der tiefen, stillen und bewußten
Kraft, mit der etwa die Gestalt des Sängers in
ihrer klaren, besiegenden Weisheit psychologisch und
prachlich ausgearbeitet ist. Das Phrasenhafte an
manchen Stellen des Dialogs dürfte leicht auf das rein
stoffliche Moment zurückzuführen sein, das mit seiner
heroischen Pose zum Bombast verführen mochte. Wenn
Holm einen Stoff für sich findet, der nicht schon von
vornherein Manier ist, wird sich seine Sprache dem
Echteren in echteren Formen anschmiegen, und wenn
er überdies gelernt hat, sich in der Behandlung des
poetischen Ausdrucks auf das wahrhaft Individuelle zu
beschränken, wird er uns ein Ganzes und Bedeutungs¬
volles-schaffen.
Leo Greiner.
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Wien. Unser Theaterleben ist
nicht armi an
Premièren. Aber die wenigsten bieten Anlaß zu kriti¬
scher Betrachtung. Direktor Schlenther hat sich durch
die Kassenergebnisse des „Apostel“ („Bahr und Zimmer¬
nann“ nannte der Foyerwitz dieses Stück, das seinen
#lg der glänzenden Inszenierung des Parlaments¬
tes dankte) nicht zu dem Wagnis einer nächsten Urpremière
hinreißen lassen. Dörmanns „Herr von Abadessa“ hat
zwar den Bauernfeldpreis erhalten, aber ein vorsichtiger
Bühnenleiter will doch erst die Aufnahmen in München und
Hamburg abwarten. Schnitzler ist durch einen persön¬
ichen Konflikt, den ungeschickte Hände, wie erinnerlich,
im Vorjahre durch alle Blätter zerrten, für den Direktor,
durch seinen „Leutnant Gustel“ für die Hofhühne un¬
möglich geworden. Dies erscheint bei einem Hoftheater
licht unbegreiflich; eine unverantwortliche Angstmeierei
aberist es, wenn Direktor Bukovies die günstige Gelegenheit,
unseren ersten Antor ans deutsche Volkstheater zu fesseln,
aus Furcht vor einer Boykottierung seines Hauses durch
die Offiziere der Garnison leichthin fallen ließ. Den Dichter
mag der berliner Erfolg seiner „Lebendigen Stunden“ leicht
über solche Nichtigkeiten lächeln lassen, für das wiener
Publikum aber bedeutet es einen großen Verlust, wenn
s darauf verzichten muß, den heimischen Dichter zu
hören, einen Verlust, der weder durch die seichte Zotig¬
keit von Herrn Mischs „Ewig=Weiblichem“ noch durch
die ebenso seichte Harmlosigkeit der „Miß Hobbs“ ge¬
deckt wird. Die Berührung dieser rein persönlichen
Gründe, auf gut wienerisch nennt man das „Tratsch“
mag in einem ernsten, den Geräuschen des Tages ab¬
gewandten Blatte befremdlich erscheinen. Aber leider
greifen diese persönlichen Verhältnisse, greift dieser Tratsch
in der „Theaterstadt“ Wien überall schädigend ein, wo
es sich um ernste, wahrhafte Kunst handelt. So darf
ein Bericht, der ein getreues Abbild vom Stande unserer
dramatischen Produktion geben will, leider diese klein¬
lichen Intriguen nicht mit Stillschweigen übergehen; sie
vollenden das Vernichtungswerk der Zensur, die gerade
im letzten Jahre wieder so manche Probe ihrer hemmen¬
den Kraft geliefert hat. Saltens „Der Gemeine“ und
Kranewitters „Andre Hofer“ sind verboten worden, jedes
Stück, das ernste Zeitfragen ernst behandelt, wird ver¬
boten oder verstümmelt, und wo die Zensur nicht gegen
die Direktoren auftritt, da tritt sie für die Direktoren
auf — natürlich gegen die Autoren. Denn die Fälle
sind nur allzu häufig, in denen ein Bühnenleiter seine