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10. Leutnant Gust

an
Arthur Schnitzler und
gein Leutnant Sustl.
Der talentierteste Jungwiener Schriftsteller Arthur
Schnitzler ist vom militärischen Ehrenrate zu Wien
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einer Offizierscharge verlustig erklärt worden. Diese
der
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harte Maßregelung eines Mannes, dessen Name dem
inn
österreichischen Offiziersstande eher zur Zier ge¬
ier
reicht, ist darauf zurückzuführen, daß Schnitzler
die
n seiner kürzlich veröffentlichten novellisti¬
en,
schen Studie „Leutnant Gustl“ angeblich der
Ehre des österreichischen Offizierkorps zu nahe
ge¬
treten ist und außerdem auf eine scharfe und
be¬
persönlichem Tone abgefaßte Kritik des Werkes, die
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in einem Wiener Blatt erschienen ist, nicht reagiert
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hat. Er hat also einerseits den Offizierstand durch
die Darstellung des Leutnants Gustl beleidigt und
ken¬
andererseits sich nicht „schneidig“ benommen. Schnitzler
ist zwar nicht aktiver Offizier, aber er ist Regiments
arzt der Reserve, und so war der verbrecherische Fall
Ver¬
im Sinne der Soldatenehre bald konstruiert
Dr. Arthur Schnitzlet wird also auf seiner Visiten¬
llius
karte nicht mehr den Untertitel führen: „K. K. Regi¬
am
mentsarzt d. R. Das ist wohl im Sinne des
box 1/9
4h#, du. I. De. Calberdes eit, vougerian.
Rencontre mit einem dicken Bückameister. Gustl ist
schlechter Laune und fährt den Bäker grob an. Der
aber wird noch gröber, und wie Gustl, der sich als
Offizier nicht beleidigen lassen darf den Säbel ziehen
vill, packt der kräftige Bäcker den Griff und sagt
halblaut, aber drohend: „Sie, wem Sie das geringste
Aufsehen machen, zieh' ich den Säbel aus der Scheide,
zerbrech' ihn und schick' die Stück' an Ihr Regiments¬
kommando, verstehn' Sie mich, Sie dummer Bub'?“
Der Leutnant glaubt zu fiebern, so unerhört er¬
cheint ihm solche Rede. Und der Bäcker sagt noch
leiser: „Es hat's niemand g’hört, ich will Ihnen die
Karriere net verderben. Hab' die Ehr'!“
Leutnant Gustl hat nur das tiefschmerzende Gefühl,
eine schwere Beschimpfung erlitten und sie nicht nach
Offiziersart bestraft zu haben. Er verlebt eine Nacht
der Qualen. Wenn der Vorfall dem Regiments¬
kommando zu Ohren kommt, muß er quittieren. Und der
Bäcker wird nicht schweigen. Es bleibt also nur ein
einziger, ehrenvoller Ausweg aus dieser schimpflichen
Lage, und das ist die Kugel. Einen Bericht ans
Regiment und dann eine Kugel in die Schläse. Da
kommt ihm im letzten Augenblick der Zufall zu Hilfe.
Den Bäcker hat nämlich in derselben Nacht der
Schlag getroffen. Sein Mund ist für ewig ge¬
schlossen, und Gustl kann unbesorgt sein liebes
Leutnantsleben weiter leben.
Das ist der Vorgang, nackt, in den Thatsachen.
Schon als zu Weihnachten die jetzt als Buch bei
S. Fischer in Berlin erschienene Novelle im Feuilleton
der „Neuen Freien Presse“ abgedruckt war, hieß es,
Schnitzler habe sich mißliebig gemacht. Er gehöre
selbst dem großen Körper der österreichischen Armee
an, und darum hätte er niemals einen k. k.
Offizier
als sorglosen, lüderlichen Feigling
darstellen dürfen, der, in seiner Ehre be¬
schimpft, ruhig weiter der k. k. Armee angehört
Daß der Beschimpfer gestorben ist — war nur ein
Zufall. Nach einem bestimmten Ehrenkodex durfte
er nur von der Hand des Beschimpften ins Jenseits
befördert werden. Daß sich da die Vorsehung als
deus ex machina einmischte, das ist wohl
ein Dichtertrick, aber liegt nicht im Sinn
der Säbel=Ehre. Der Ehrenrat stellte
sich
auf den S#andpunkt: der Armee dürse kein Gustl
angehören, denn der Tod des Beleidigers hat die
Ehre Gustls nicht wieder hergestellt.
Die österreichische Armee ist eine tapfere und eine
ehrenvolle Armee; ihre Offiziere sind voll Schneid,
sie sind Muster des Mutes, der Disziplin und der
Ritterlichkeit. Aber nie werden sie verhindern können,
daß einer unter ihnen das Schicksal Gusils erlebt
Denn dieser Gustl ist gar kein Feigling. Er ist ein
liebenswürdiger, reizender Kerl, ein echt österreichischer
Leutnant. Er hat in einer ärgerlichen Laune, die
ihn umfing, wie ein Traum, etwas Schlimmes erlebt,
arrangieten= wil.. Die Ioee son sogar schon reatistert
und eine Truppe bereits engagiert sein. Zu dem
Ueber=Brettl hat sich so jetzt die Uebersee=Bühne ge¬
sellt. Ein Schauspieler schlägt dem „N. W. Tagbl.“
dem Wesen dieses Wasserkbeaters angepaßtes Reper¬
oire vor. Bei der Ausfahrt, zum Beispiel aus
Bremen, müßte das Orchester den Walzer „Nordsee¬
bilder“ spielen, oder bei der Durchfahrt durch das
Rote Meer Strauß' „Egyptischen“ und später den
„Persischen Marsch“ oder die „Nilfluten“. Ist es schön,
spielt man „Meeresstille und glückliche Fahrt“, re¬
belliert die See und fordert Opfer, dann singt die
Primadonna „Ozean,
du Ungeheuer“. Auf der Fahrt
nach Mexico kommt
Spontinis „Ferdinand Cortez“
Meverbeers „Die Afrikanerin“
auf jener zum Cax
War schlechtes Wetter, dann wird
zur Aufführung
vielleicht Halévys Oper „Der Blitz“ oder Shakespearet
„Der Sturm“ eventuell Grillparzers „Des Meeres
und der Liebe Wellen“ dem Publikum als passendste
Darbietung erscheinen. Kurz, an zugkräftigen Vor¬
stellungen kann es nicht mangeln. Auch an Darstelleri
dürfte es nicht fehlen. Die Kunst, die nach Brot geht
wird auch nach —
Schiffszwieback gehen, und die
Schauspieler werden gern wieder werden, was sie
einst waren: fahrendes, respektive seefahrendes Volk.
Die Hauptsache ist nur, daß das Projekt der Uebersee¬
bühne nicht Schiffbruch erleidet und — zu Wasser
wird!...“
Dies und Das. In der heutigen Eröffnungs¬
vorstellung der Sommer=Oper im Carl
Weiß=Theater sind die Rollen im „Trouba¬
dour“, folgendermaßen besetzt: Leonore: Marg
König, Graf Luna: Clemens. Schmidek, Ferrando:
Karl Rettschlag, Azucena. Julie Raddatz, Maurico:
Desider Matray, Ruiz: Georg Clemens. Die Regie
liegt in Händen des Herrn Rettschlag. Herr Direk¬
or Zimmermann selbst wird das Orchester leiten. —
Theater des Westens. Die teilweisen neuen
Einlagen des von Wolzogenschen Ueberbrettl in der
Posse „Robert und Bertram“ sind mit dem gleicher
Beifall aufgenommen, wie die früheren Darbietungen.
Die beliebte Posse bleibt in derselben Besetzung mit
den Herren Schmasow und Gordon in den Titelrollen
bis zum 24. d. Mts. auf dem jetzigen Spielplan des
Theaters.
Ein Künstlerhonorar. Reinhold Begas be¬
kam für das Bismarck=Nationaldenkmal als Künstler¬
honorar 500 000 Mark.
Prof. Dr. Neumayer, der verdienstvoll
Leiter der Hamburger Seewarte feierte gesteen seinen
75. Geburtstag. Theoretisch und praktisch vorgebildet,
hat er sich als Geophysiker, Hydrograph und Meteoro¬
oge hervorragend bethätigt, und als Organisator steht
er in allererster Reihe. Das hatte schon 1857 die
englische Kolonialregierung erkannt, als sie ihm die
Gründung und Leitung des Falstaff=Observatory zu
Melbourne übertrug. Geh.=Rat Neumayer ist auch
eine der treibenden Kräfte für die neue und erste
deutsche Südpolar=Expedition, deren Kommission er
leitete nachdem er schon seit einem Menschenalter als
beredtester Vorkämpfer für die antarktische Forschung
eingetreten war.