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Gust
10. Leutnant
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besonders schwachen, moralisch haltlosen, leichtfertigen Charakter
zum Träger seiner Novelle wählt, trifft er den Nagel vollends
auf den Kopf, weil gerade solche Naturen — wie die Er¬
fahrung lehrt — am häufigsten an das Standesprivilegium
appelliren, blind im Sinne anerzogener, widerspruchsvoller, da¬
zu geistig nicht verarbeiteter Ehrbegriffe handeln, sich in der
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uage“] 91:
Folge das moralische und materielle Verderben, dem Stande
(„Suni1e
aber, dem sie angehören, nichts weniger als „Ehre“ bereiten.
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Wenn also Dr. Schnitzler die Schäden der Duellmanie
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im Allgemeinen und die Mängel unserer militärischen Gesetzes¬
paragraphe im Besonderen an den Pranger stellt, so erwirbt
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er sich nicht nur ein eminentes Verdienst um die Gesellschaft
sep 181
und das Officierscorps, sondern steht auch vollkommen auf dem
Boden jener Auffassung, wie sie auch von der Kriegsverwaltung
sneliog
getheilt und gegenüber der Volksvertretung wiederholt zum
irgsi8
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Ausdrucke gebracht wurden. Von den Anschauungen des Grafen
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Ledochowski weicht Arthur Schnitzler allerdings erheblich ab.
Ersterer erklärte sich bekanntlich außer Stande, den bestehenden
Duellgesetzen zu gehorchen, indes Schnitzler, gleich vielen Offi¬
cieren von Beruf, seine persönliche Ueberzeugung in dieser Sache
den Anforderungen des Standes immerhin zu opfern bereit
ist. In der Tendenz der Schrift vermögen wir sonach kaum
ein Substrat für die ehrenräthliche Maßregelung des Verfassers
zu erblicken, umsoweniger, als die darin entwickelten An¬
schauungen über den Duellzwang mit denen der leitenden Kreise
vollkommen übereinstimmer.
Erübrigt also nur noch die andere der oben bezeichneten
Varianten, die Annahme nämlich, daß die militärischen Sitten¬
richter in vollständiger Verkennung der tiefernsten, durchaus
zeitgemäßen Satyre des Aufsatzes, die Form für die Sache,
das Mittel für den Zweck, die Aeußerlichkeit für den Kern
der Erzählung genommen haben und dem Verfasser im Ernste
eine absichtliche Herabsetzung des Officiersstandes zur Last legten.
Daß Officiere vom Schlage „Lientenant Gustls“ bisweilen
in der Armee vegetiren, kann allerdings niemand leugnen.
Niemand vermag aber in der künstlerischen Verarbeitung einer
Charakterfigur zugleich eine Herabwürdigung des betreffenden
Standes zu erblicken, es sei denn, daß man an zuständiger
Seite Ursache hat, sich im Sinne der Mahnung Friedrichs des
Großen: „Wen's juckt, der kratze sich“ ausdrücklich dagegen zu
verwahren.
Gleichwohl glauben wir, daß der Typus des „Lientenants
Gustl“ in jedem anderen Stande häufiger und ausdauernder
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vertreten ist, als in der Armee und im Officierscorps. Die
Regierung ist zwar seit Jahren bestrebt, das System der Be¬
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vormundung und der geistigen Beschränkung auch im Officiers¬
corps wieder nach vormärzlichem Muster herzustellen, die Officiere
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selbst über ihre active Dienstzeit hinaus in geistloser Willfährig¬
keit und kasernenmäßiger Abhängigkeit zu erhalten — vide
Militär=Pensionistenverein — aber eine solche Flachheit des
Denkens und Fühlens, eine solche Einseitigkeit in Bildung und
Lebensanschauung, wie sie „Lientenant Gustl“ offenbart, trifft
man dermalen in unserem Officierscorps nicht. — Wir sagen
dermalen, weil die Militär=Akademien und Cadettenschulen
zur Zeit wenigstens noch die Hälfte des systemisirten Zöglings¬
standes aufweisen und weil es dermalen noch nicht nothwendig
ist, zur Deckung dieser Abgänge auf die — Bürgerschulen
zu greifen.
Aber in Zeitläuften, welche fast allwöchentlich eine oder
mehrere Säbel=Affairen zu Tage fördern, hätte man glauben
sollen, daß gerade die maßgebendsten militärischen Kreise der
Schnitzler'schen Studie eine andere, ernstere, tiefere Würdigung
zu Theil werden lassen, als jene, deren letzter und einziger
Schluß die brutale Gewalt, der Hinauswurf — die Ent¬
lassung ist. Geschieht ihm übrigens Recht, dem Dr. Schnitzler!
Warum hat er sich nicht unseres treuen Verbündeten erinnert
und seinen Helden nicht als „Lientenant Fritz“ in preußischer
Uniform „Unter den Linden“ und im Berliner Thiergarten
vorgeführt? Da hätte er sogar die „Wiener Abendpost“ zur
Aufnahme seiner Studie bereit gefunden und der ganze Ehren¬
raths=Rummel wäre ihm erspart geblieben.
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Sannenrngesentsetrhelthenstensechsenschenuc
2
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
Nr. 75
„OBSERVER
Mat
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Ausschnitt aus:
Folkstribüne, Wien
1714
vom
Soziale Bilder.
Der österreichische Schriftsteller Arthur Schnitzler,
welcher auch Regimentsarzt in der Reserve ist, wurde von
einem militärischen Ehrenrath seiner Offizierscharge
verlustig erklärt. Herr Schnitzler soll durch eine vor
Kurzem veröffentlichte Novelle mit dem Titel „Leutnant
Gustl“ der Ehre des österreichischen Offizierkorps nahe ge¬
treten sein und auf eine im persönlichen Tone geschriebene
Kritik dieser Novelle nicht geantwortet haben. Der Mili¬
tarismus duldet keine anderen Götter neben sich. Wer nicht
bereit ist, ein Opfer des Charakters zu bringen und sich
Für
inclusive
den unsinnigsten, veraltetsten Anschauungen desselben über
Porto.
Ehre 2c. zu unterwerfen, für den ist keine Stelle in dem

Zahlbar
2Kreise der „Auserwählten der Nation“, so sich Offizier#

im Vorau#
5korps nennt. Wer sich aber gar Angriffe auf die Einrig
„ 10tungen des Militarismus erlaubt, wird schin
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