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Geronimo und se
Bruder
9. Der blinde
box 1/7
# A A GUERHIISIn M
Ausschnitt auseder Allgemeine Zeitung, Wien
4— 6. 1915
——
Anntnnt iel. Drsche Pertag
Im Verlage von S Fischer, Berlin, ist die wunder¬
hare Novelle von Artur Schnitzler „Der blinde Gero¬
von4. - cierinannstadt
[nimo und sein Bruder“ in besönderer Ausstattung, und ge¬
.
7 (Ein Buch Arthur Schultters-für
ziert durch eine stimmungsvolle Radierung von Ferdinand
[de Erblindeten.] Im Laufe dieses Monats
[Schmutzer soeben erschienen. Das Erträgnis, welches das
Lerscheint in der Verlagsbuchhandlung von S. Fi¬
Büchlein abwerfen wird, ist den im Felde Erblindeten gewidmet.
scher zugunsten der im Felde Erblindeten der deut¬
Auch Bücher haben ihr Schicksal. Dem „Blinden Geronimo“ ist
schen und der österreichisch-ungarischen Armee Ar¬
dieses Jahr eine Popularität zuteil geworden, welche diese klassische
thur Schnitzlers Novelle „Der blinde Geronimo
Novelle der deutschen Literatur (wie ebenfalls in seiner Gattung
und sein Bruder“ mit einer Radierung von Fer¬
Vollendete) sonst wohl erst in Jahrzehnten erlangt hätte. Weil
dinand Schmutzer. Der gesamte Ertrag ist den im
Felde Erblindeten der deutschen und der öster¬
sie heute eine grausame Aktualität besitzt. Weil sie die Schicksals¬
reichisch=ungarischen Armee gewidmet. Eine Ra¬
tragik des Erblindeten erschütternd in unser Bewußtsein treten
dierung von Schmutzer soll den Wert für alle
läßt, in einem Augenblick, da Helden im Kampf um ihr Vaterland
Bücherliebhaber erhöhen.
das Augenlicht verloren. Artur Schnitzler mußte die Erzählung
diesen Winter auf allgemeine Bitten immer und immer wieder
zugunsten der im Felde erblindeten Soldaten lesen. Und so wurde
sie vielen köstlicher Besitz. Wie Liebe das Furchtbarste überwindet
und heilt, den Haß, den der Blinde gegen den Sehenden verborgen
im Herzen hegt; wie sie die Widerstände solch einer armen Seele
überwindet, wie sie die Trostlosigkeit der grausamsten Verein¬
samung durch ihre unerschütterliche Hingabe in milde versöhnte,
leiderlöste Zuversicht zu wandeln vermag, dies liest sich wie ein
Hymnus der Treue von Bruder zu Bruder. Und der Trost, daß
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der Besitz einer Seele, welche ganz und ungeteilt dem Unglück¬
BERLINER TAGBLAT•
Ausschnitt aus:
lichen sich hingibt, kostbar genug ist, um ihm den Verlust einer
Welt zu ersetzen, ist ein Trost, den gerade Menschen dieser Gegen¬
vom: S1. S. 1975
wart erhebend fühlen müssen. So gehört Geronimos Geschichte zu
jenen Dokumente, die in einer Zeit, in welcher die Haßgesänge
Die Poesie der Blindheit.
blühen, von edlen Menschlichkeiten erzählt. Sie gehört jetzt dem
F. E. Arthur Schnitzler, der kleidige Anatom mensch¬
Besten jener Kriegsliteratur an, die einzig Geltung haben dürfte.
licher Seelen, hat einRorettegeschrieden „Der blinde Gero¬
Die der Hingebung dienen soll und der Liebe.
B. Z.
nimot, die jetzt im Verlag S. Fischer, Berlin, neu erschienen ist, und
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der mankschon deshalb viele Freunde wünschen will, weil der Ertrag
des Büchts den Kriegsblinden der deutschen und der
österrecisch= ungarischen Armee zugedacht ist.
tüuchenangabe ohne Gewahr.)
Diese kleite Geschichte, herb im Geschehen, holdselig im Gefühl, ist
wie ein Frühlingstag, den ein rasches Gewitter kreuzt, und sie findet
Ausschnitt aus Neue Freie Presse, Wien
uns innig empfangsbereit, weil das körperliche Elend von vielen
Tausenden vor unserem Auge ist. Was Schnitzler hier dichterisch ver¬
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vom:
klärt, ist jene bei Blinden oft bemerkte Eigenschaft des Mißtrauens:
sie ist eine Verdunkelung des Gemüts, die der Verdunkelung des Sinnes
gewfndel werden.
folgt. Der blinde Geronimo ist als Kind von seinem Bruder Carlo
Artur Schnitzlers feine Meisternovelle „Der
durch einen unglücklichen Bolzenschuß ins Auge getroffen worden.
blinde Geron##sein Bruder“ ist soeben,
Nun wandern die beiden schon lange Jahre über die Paßstraße des
mit einer ausdrucksvollen Originalradierung Ferdinand
Stilffer Jochs, der eine als Sänger, der andere als Geldsammler, und
Schmutzers geschmückt, in einer Sonderausgave im Fischer¬
werben um das Mitleid der reisenden Herrschaften. Geronimo, durch
Verlage erschienen. Die Erzählung, die zu Schnitzlers schönsten
einen dieser Spender aufgestachelt, glaubt, daß Carlo ein Goldstück
und tiefsten gehört, spielt bekanntlich an der italienischen Alpen¬
für sich behalten habe. Carlo wird in dem unerträglichen Verdacht
grenze, nahe dem neuen Kriegsschauplatze. Sie behandelt zudem das
des Diebstahls nun wirklich zum Diebe. Er stiehlt ein Goldstück, um
leider so aktuelle Problem der Blindheit. Indem sie das Mi߬
es dem Bruder geben zu können. Sie werden verhaftet. Da reißt sich
trauen, diese traurige seelische Folgekrankheit körperlichen
aus Geronimos Herzen der Stachel los. Neben dem Mißtrauen hat
Blindseins, in seinen subtilsten Verästelungen dichterisch darstellt,
der blinde Mann auch die Gabe des Hellsehens, die ein guter Gott den
zeigt sie zugleich, wie die opferfreudige Bruderliebe es am Ende
ums Licht Betrogenen gewährt. Er ahnt die Zusammenhänge und weiß
doch bezwingt. So ist dieses kleine, schlichte Buch unseres öster¬
jetzt, was Brudertreue zu tun imstande ist. Die knappe Tragik schließt
Seih eagee. . L VIuSTuANT I . V KrR AA Wan OrE FrARt (a—
wie mit einem füßen Gedicht auf die brüderliche Liebe.
Darum wirkt Schnitzlers Novelle nun auch gleich einem Gesang zu
Ehren der allgemeinen Bruderpflicht, die an den Blinden
1—
dieses Krieges zu erfüllen ist. Mit einem neuen geheimen
Ausschnitt aus: Häies Vieder Juirual, Wi
Inhalt, den die wilde Zeit ihr gegeben, ruft sie alle Opfer¬
lust auf. Auch die dem Buch beigegebene Radierung von
Ferdinand Schmutzer, an Feinheit dem Werk des Dichters
# Sch 1
vom:
ebenbürtig, hat diesen Nebensinn. Sie zeigt den blinden Geronimo nebey

seinem Bruder im dunkeln Torbogen als Straßensänger. Unsere Kriegs¬
* Von der mit einer Radierung von Ferdinand Schmutze
blinden vor diesem Bettlerschicksal zu bewahren, ist, wie man wilß,
r.# Novelle „Der blinde
geschmückten Ausgabe von Artur Schn
eine Aufgabe, die gelöst werden muß.
Geronimo und sein Bruder“ ist eine von Schnitzler und Schmu
eigenhändig signierte Vorzugsausgabe in 200 numerierten Exemplat
zum Preise von 4 Mark erschienen. Nummer 1 bis 100 dieser Ausgabe
hat die Hellersche Buchhandlung in Wien, I., Bauernmarkt 3, erworben
Das Erträgnis ist zugunsten der im Felde Erblindeten
bestimmt. 00 „ on