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31. Im. Spielder Sonnerlnefte
In diesem einen Geschöpf hat Schnitzler alles gesammelt, mittelt hat; es ist heute ve
Wiedersehen mit Arthur Ichnitzier. was er für die Atmosphäre braucht: alle Lockung von Glücks ein seines und leises, wen
und Gunst der Stunde, sich verschwendende Fülle; so ganz) meln, als es mit aufgeregt
„Im Spiel der Sommerlüfte“ im Neuen Theater.
Sommer, daß es alle anderen wie eine Ahnung von Herbst Und mutiger ist's auch.
Im Spiel der Sommerlüfte rauschen die Bäume, neigen
schien sich fast zu fürchten,
überfällt. Und wenn sich auch alle Ordnung wiederherstellt,
sich furchtlos, erwartend dem Gewitterregen, richten sich
und wenn nach dem Gewitter ein neuer Sommertag an= schien, als ob er die —
wieder auf, wenn die Atmosphäre sich entladen hat. Und so,
Technik des Stücks überspie
bricht — es weht etwas wie Abschied herüber, wenn der
meint Schnitzler, täten's die Menschen, wenn ihnen ein
fast ourchweg zu rasch. ###
Vorhang fällt. Eine Melodie des: Vorbei; fast ein herbst¬
pflanzenhaftes Dasein bestimmt wäre. Aber da ihnen als
seinen Stil, in dem die Ku#
liches Frösteln. Und der Kaplan und sein junger Freund
vegetative Daseinsform nur die — Sommerfrische beschie¬
deutung, der symbolischen
machen sich auf, zu botanisieren.
den ist; da die Zeiten, die über sie verhängt sind, nicht auch
Wirkungselemente sind; dies
die Gezeiten ihres Herzens sind, müssen sie finden, was sie
siten symbolische Bedeutung
nicht suchen, sich abfinden, wo sie entdecken wollten. Im
Das sind Menschen, wie sie das alte Wien hervorgebracht
seiner Atmosphäre. Daran
Spiel der Sommerlüfte ist der spielende Mensch ein etwas
und Schnitzler immer wieder nachgezeichnet hat: läßlich und
so geschmackvoll und taktsich
bietung war.
melancholisches Schauspiel.
weich, ein wenig genüßlerisch, von einer vollendeten Anmut
Aber wie immer bei Schnitzler ist auch hier die Melan¬
und einer bezwingenden Sicherheit ihrer persönlichen Kultur.
Es ist eine Freude: was d
Sie sagen es selbst, daß sie vor unserer Gegenwart
cholie nur der Untergrund, auf dem die heiteren Farben
immer wieder bei den versch
leben — was tut's, wenn sie nur in ihrer Gegenwart
eines Lebens aufgetragen werden, das ihm der Güter
weiß! Der sicherste Einsatz:
leben! Und die ist da, sie entsprechen ihr und sie erfüllt sie.
höchstes ist. Nur daß der Sechzigjährige es nicht mehr
ter Charme erlaubt ihr jede
Ihr Lebenstrieb spiegelt sich vollkommen in einem Lebens¬
(wie in seinen Anfängen) gipfeln lassen will im „schönen
duldigen Warten war zugl
betrieb, in dem alles vorgezeichnet scheint, so daß er — das
Augenblick". Sein „Verweile doch!“ bezieht auch den Ver¬
Duell braucht, wenn er eine letzte Entscheidung will. Was
zicht ein, die tapfere Erkenntnis einer Grenze. Aus einer
kann man tun? Man nimmt sich stillschweigend ein wenig
Skepsis, die alles am gelebten Augenblick messen will, ist
vom „Glück“, weiß, daß es kurzlebig ist, und daß man es
eine heitere Lebensfrömmigkeit geworden.
bezahlen muß. Also vermeidet man den Aufwand, die „große
So sagt hier der junge Kaplan zu der Frau, die es über
Szene". Wenn die beiden jungen Leute Romeo und Julia
die Grenze zu einem neuen Anfang ihres Lebens lockt, nach
studieren, wissen sie, daß sie die Rolle eben zu spielen, nicht
Verwirrung und Zweifel: Sie sind stärker als ich. Und sie
zu leben haben. Und kommt es zu der großen Szene —
antwortet: Nein, aber — frömmer. Sie bestehen beide
wie zwischen dem Kaplan und der Frau —, so sorgt das
im Spiel der Sommerlüfte, jeder auf seine Weise. Aber
Leben dafür, daß die Begleitumstände wichtiger sind als der
wenn sie auch beide die Antwort finden — nur das Welt¬
Effekt, und daß das entscheidende Wort beinahe nicht gesagt
kind hat auch die Frage gefunden: weil sie das Rauschen
werden kann.
ihres Blutes hört — als ein Vorüberrauschen.
Das alles ist nicht von heute, gewiß. Ist es nur von gestern?
Heutige Schriftsteller würden die Revolte der Nerven und
Ein Sommerfrischen=Idyll nahe bei Wien. Aber Idyll! Sinne greller, reißender geben als dieser „Moderne“ von
nur für die, die es gar nicht wünschen. Da sind Mutter 1890. Sie würden Thesen des Ressentiments schmettern
und Sohn, die von weither so etwas wie den Ruf des lassen, wo Schnitzler sich's an den halben Worten des Sen¬
Lebens zu hören meinen; und der täppische Lebensdrang timents genug sein läßt. (Diese schriftstellerische Enthaltsam¬
des Siebzehnjährigen fühlt sich ebenso unwillkommen be=keit ist ein unbekannter Begriff geworden, seit man fordert:
friedet wie die anmutig=weiche Reife der Siebenunddreißig=jder Schriftsteller dürfe einzig bekanntmachen, was alle schon
jährigen. Der Mann und Vaier hingegen, Künstler vonbegriffen haben!) Aber da sich, sicherem Vernehmen nach, am
Beruf und Lebenskünstler aus Neigung, scheint sein eigent= Stand der Sonne seit dreißig Jahren nichts geändert hat,
liches Idyll in der Stadt zu leben. Trügt der Schein? Man hören wir Schnitzler aufmerksam zu
solange er vom
erfährt es nicht. Aber es geht eine junge Schauspielerin
Stand der Sonne spricht und von der Art, wie die mensch¬
durch die Szenen, die so viel — Wirklichkeit um sich ver¬
lichen Lebewesen sich danach richten.
breitet, daß jeder Schein Wahrheit wird. Der erfahrene
Zauberer Schnitzler hat dies arrangiert; er serviert nur
ein Gericht, aber er täuscht damit eine ganze Mahlzeit
Dem Theaterdirektor Arthur Hellmer gebührt
von vielen Gängen vor.
Dank, daß er dies Wiedersehen mit Arthur Schnitzler ver¬
belündae
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