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I7. Februar 1931
Seite 7
Bühne und Kunst
„Der Gang zum Weiher.
Burgtheater.
Über die dichterischen Werte des Schnitzler¬
Dramas habe ich hier bereits am Sonntag be¬
richtet. (Die Ereignisse spielen übrigens im
18. Jahrhundert und nicht, wie der Druckfehler
wollte, im 16.) Die Aufführung der drama¬
tischen Dichtung kommt Schnitzler insofern nahe,
als sie innere und äußere Noblesse besitzt. Die
Regie Albert Heines hat die Behutsamkeit
für das Kammerspielhafte dieser in eine Zeit¬
wende gestellten seelischen Vorgänge. Sie ge¬
winnen dadurch auf dem Burgtheater verhaltene
Intensität einer Musikalität, die mehr als
Stimmungswerte, die auch innere Anteilnahme
gibt. Schauspielerisch allerdings ist vieles nicht
ausgeschöpft und nur angedeutet. Schon die
Verteilung der Lebensalter unter die Darsteller
ist nicht immer glücklich. Einerseits ist Herr
Balser für einen Fünfziger zu wenig abgeklärt,
anderseits ist Herr Hennings für einen Neun¬
zehnjährigen zu männlich. Dies aber muß her¬
auskommen, daß Jugend zu Jugend findet
und sich wieder voneinander löst, wartend auf
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seine Erfüllung. Fred Hennings hat diesen
unberührten Schmelz der ersten Jugend nicht
mehr, er kann sie darum auch nicht bringen. Er
behilft sich mit Chargieren. Es kommt eine
Figur heraus: ein etwas eitler, leicht über¬
heblicher Militär — aber das ist nicht der junge
Mensch, der zum erstenmal „den Gang zum
g°3.
Weiher“ geht.
ch selbst zu
Ewald Balser ist das, was man einen
Bilde d=s
„glühenden“ Schauspieler nennt. Wie aus einem
uen besessen
Vulkan bricht es aus ihm hervor, die Sätze
kochen wie Lavaströme. Das sichert dem Frei¬
mit den
herrn und gewesenen Kanzler eine großartige
Massenauf¬
Aktivität. Man fühlt: der Mann weiß zu be¬
karx und
fehlen, er kann wirklich einmal im Mittelpunkt
Hinden¬
eines Reiches gestanden haben. Nun aber —
chaden, den
und das ist das Schnitzlerhafte, das Öster¬
en, beläuft
reichische an der Gestalt — sie steht nicht mehr
dort, sie ist freiwillig zurückgetreten, ihr
Wollen ist am Lebensekel gebrochen, ihre durch¬
Lustmann
schauende Weisheit ist von der Erkenninis der
wegen
ist
Vergeblichkeit alles menschlichen Tuns unheil¬
treuung
bar getroffen worden. Dieses, was hinter der
len an¬
Figur steht, was aber ihr Schicksal ausmacht,
u auch vor,
fehlt Balser, weil zu viel Leidenschaft in ihm noch
ld mit dim
rast.
#ürde ihnen
Das Hintergründige vermißt man auch bei
neirals¬
dem Dichter Ferdinand Onnos. Dieser erlebt,
was immer er spielt, von dem nervösen Schwung
Inflation
der Worte, nicht aber von der Gestalt aus.
B. Lust¬
Schnitzlers Dichter aber, der den „einsamen
durch den
signierten
Weg“ geht, ist auch ein Spieler mit seinem
zes Ver¬
eigenen Leben, ist auch der Gaukler seines