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30. Der Gang zun Weiner
Uernecde Wriun
148. L. 1034.
Der neue Schnitzler
„Der Gang zum Weiher“ in der Burg
WIEN, MITTE FEBRUAR
Wer dieses entzückende Buch „Der Weg zum Weiher“
liest, wird kaum gewahr, daß es ein Stück ist, und wer das Stück
sieht, wird nachher zum Buch greifen und neue Freuden aus ihm
schöpfen. Ein edleres, menschlicheres, im tiefsten Sinn
moralischeres Werk ist seit langem nicht von der Wiener Burg
zur Aufführung gebracht worden. Es mutet an wie ein junger
Schnitzler, zu dem sich der ältere, abgeklärtere gesetzt hat, voll
Weisheiten; so wie Ueberlegenheit eines Großen sein soll, der
sie nicht fühlbar machen will. Also nichts Lehrhaftes, und wo
doch, gemildert durch Laune; ein politisch Lied und kein garstig
Lied
*
Es spielt zur Zeit Franz I., auf dem Schloß des Freiherrn von
Mayenau, gewesenen Kanzlers, wenige Wegstunden von der
Residenz, die Wien ist, aber nicht genannt wird. Ein abgesetzter
Kanzler, der grollt, wie der im Sachsenwald oder der andere in
Rom, und der seinem Sekretär Erinnerungen diktiert. Un¬
dankbare Kaiser bekommen die Wahrheiten ihrer Staatsmänner
zu hören, post festum. Mayenau lebt zurückgezogen mit seiner
Schwester Anselma und seiner zur Jungfrau erblühten Tochter
Leonilda, einem Traumwesen, das nachts im Waldteich den
jugendlichen Leib spiegelt und vor altem, mdosbewachsenem
Götterstein dem eignem Gott ihrer Schönheit zu huldigen scheint.
Auf dem Schloß wird ein Dichter=Denker zurückerwartet, Freund
des Vaters, der Leonilda einst Märchen erzählte: Sylvester
Thorn, ein Boheme, den große Männer liebten, den die Heimat
mißverstand und kränkte, da ein Ahne fremdes Blut hatte —
andeutungsweise wie ein Heinrich Heine, der unter Vorurteil
##t, wie auch zuweilen ein Schnitzler. Verschwunden seit Jahren,
findet er den Weg zu Mayenau, wo ihn Anselma geliebt, wo er
in Leonilda ihr junges Ebenbild sieht, das ihm unerreichbar
bleibt.
Es kreuzen sich die zwei Geschichter., die des Dichters Sylvester,
die Schnitzler nicht bis zum Letzten ausführte, und die politische.
Der damalige Conrad von Hötzendorf ist unzufrieden mit der
zandernden Haltung des Kaisers, verlangt das Prävenirespielen,
ehe das Heer drüben stärker wird. Der Marschall fordert durch
seinen Sohn den Freund Exkanzler auf, mitzutun, den Kaiser
scharf zu machen. Tatsächlich wird Mayenau auch wieder zum
Kanzler ernannt, kämpft für den Frieden, aber die Gewehre sind
un der Grenze von selbst losgegangen ... Die Auseinander¬
setzungen über Staatskunst und Draufgängertum sind geistvoll,
ein Schnitzlerscher Beitrag zur Zeitgeschichte, wie man sich ihn nicht
eindringlicher wünschen kann. Doch dies Wichtige ist im Drama
nur gleich dem Horizont.
So, wie die Burg die Dichtung spielte, ist sie dramatisch nicht
wirksam. Man kann Anton Wildgans Fehlbesetzungen noch zu¬
gute halten; er ist neu, will die Jüngeren voranstellen und hat
noch keine Auswahl. Balser kam als Freiherr nicht entfernt
dahin, wo ein Kraus hätte stehen müssen; nur Frau Wohlgemuth
erfüllte die Anselma. Anderswo wird die Darstellung die
dramatische Wirkung dieser dramatischen Dichtungsart auszulösen
haben.
Am Vorabend führte uns ein Zufall in ein Lichtspieltheater
„Nächte am Bosporus“ — da saß Arthur Schnitzler und ließ sich
die Bilder von Claude Farrère vorgaukeln, als gäbe es am
nächsten Tage keine Burgpremiere. „Ich gehe in keine Erstauf¬
führung“, sagte er. Er hat sich dann doch holen und hervorrufen
lassen. Er verdiente die Ehrung, die ihm zuteil wurde. Man
lese das Buch!
Karl Lahm.
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lich zu bewegen wußte.
Dr. F. M.
Artur Schnitzlers Versdrama „Der Gang zum Weiher“. Schon
lange hat man von der Bühne nicht so edle und schöne Verse ge¬
hört wie in der dramatischen Dichtung in fünf Aufzügen „Der
Hang zum Weiher“ von Artur Schnitzler, die am 14. Febr. im
Wiener Burgtheater zur Uraufführung kam. Kein
Stück für die große Masse, aber ein erlesener Genuß für literarische
Feinschmecker. Eine prachtvolle, bilderreiche Sprache, erfüllt von
tiefen Gedanken, poetischen Gleichnissen und seinster Lyrik. Schnitz¬
lers jüngstes Stück entstammt der letzten Zeit, in der noch alle
Schrecken des Krieges nachzittern. Es ist das Hohelied der Men¬
thenliebe. Ist aber Güte und Liebe bei den Menschen nicht zu
Freichen, so sollen sie sich doch friedlich vertragen. Wunderschön
nid die Verse, die die werdenden Mütter verherrlichen. Schnitzler
handelt in diesem interessanten Stück auch das Drama des altern¬
Dichters, des alternden Mannes, dem die jungen Mädchen
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ldigen, der sie noch erobern, aber nicht halten kann. Albert
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5eine inszenierte die fesselnde Dichtung mit innigem Verständ¬
Ewald Balser spielte den menschen= und friedliebenden
nitz.
stänzler vortrefflich. Das Publikum gab seiner großen Freude,
en geliebten Dichter wieder einmal auf der Bühne des Burg¬
hetters zu begrüßen, stellenweise stürmischen Ausdruck. L. Kl.
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Wiener Uraufführung
Arthur Schnitzlers Versdrama: „Der Gang
zum Weiher
Schon lange hat man auf der Bühne nicht so edle und schöne
Verse gehört wie in der dramatischen Dichtung in fünf Aufzügen
„Der Gang zum Weiher“ von Arthur Schnitzler, die am
14. Februar im Wiener Burgtheater zur Uraufführung kam.
Kein Stück für die große Masse, aber ein erlesener Genuß für
literarische Feinschmecker. Eine prachtvolle, bilderreiche Sprache, er¬
füllt von tiefen Gedanken, poetischen Gleichnissen und feiner Lyrik.
Schnitzlers jüngstes Stück entstammt der letzten Gegenwartszeit, in
der noch alle Schrecken des Krieges nachzittern. Es ist #i Hohelied
der Menschenliebe. Ist aber Güte und Liebe bei den Menschen nicht
zu erreichen, so sollen sie sich doch friedlich vertragen. Wunderschön
sind die Verse, die die werdenden Mütter verherrlichen. Schnitzler
behandelt in diesem interessanten Stück auch das Drama des alternden
Dichters, des alternden Mannes, dem die jungen Mädchen huldigen,
der sie noch erobern, aber nicht halten kann. Albert Heine
inszenierte die fesselnde Dichtung mit klugem Verständnis, sodaß ihre
ganze Schönheit zur Geltung kam. Ewald Balser spielte den
menschen= und friedlieben#en Kanzler und bewies durch das tiefe Ein¬
dringen in die schwere Rolle, die er mit scharfer Charakterisierungs¬
kunst und seinem so sympathischen Organ vollends ausschöpfte, daß er
ein Gewinn für das Burgtheater sei. Die Tochter des Kanzlers gab
Ebba Johannsen mit zarter Innigkeit und aufwallendem
Temperement. Aufopfernde Mütterlichkeit fand in Else Wohl¬
gertuth die buchstäblich schönste Verkörperung. Vortrefflich waren
auch Fred Hennings und Ferdinand Onno. Das Publik um gab
seiner Freude, den geliebten Dichter, seit langem wieder einmal auf
der Bühne des Burgtheaters zu begrüßen, stellenweise stümischen
Ausdruck und bereitete ihm herzliche Ovationen.
Ludwig Kliyenberger.
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