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29. Konoedje der Verfuehrung box 33/6
Schnitzler=Erfolg in Wiesbaden.
Die reichsdeutsche Uraufführung der „Ko. — C8 □.
mödie der Verführung“ im Staatstheater, das
Dr. Max Goldschmidt
ein elegantes Publikum bis zum letzten Platz
Büro für Zeitungsausschnifte
süllte, brachte Schnitzler einen starken Erfolg.
BERLIN N4
Telefon: Norden 3051
Sa
Der laute Beifall nach jedem Bilde slegte rasch
über schüchterne Opposition. Der feingeschliffene
Ausschnift aus:
Dialog, die Kette von Apercüs, die liebes¬
Schwäbischer Merkur, Stuttgart
schwüle Stimmung und manch süßliche
„Liebelei"=Szene täuschen das Haus über die
2
vielen Schwächen hinweg. Der Massenaufzug
1.Nov 1929
verführender Weibchen, die nicht immer in deli¬
kater Form Gott Eros dienen, mehr aus Lust
Kleine Zeitung
denn aus Leidenschaft lieben und sinken, fand
imposante Vertreterinnen, die mit bewegtem
[Schnitzlers „Komödie der Verführung" in
Spiel den feinsten Absichten des Dichters gerecht
Wiesbaden.] In Schnitzlers „Komödie der Ver¬

wurden Dr. Buxbaum führte als verständnts¬
führung", die am Wiesbadener Staatstheater die
voller Regisseur den Abend.
reichsdeutsche Uraufführung erlebte, zeigen sich von
Müller-Waldenburg. — —
neuem des Wiener Autors Vorzüge: feingeschliffe ier
Dialog, kultivierte Sprache, liebevolle Versenkung
in die Psyche moderner Menschen. Diesesmal sind
es 3 Mädchentypen, die Schnitzler in den Mittel¬
punkt einer nicht straff geführten Handlung stellt.
Das Schicksal dieser Mädchen und ihrer Liebhaber,
unter denen der feine Baron von Falkenier, der
liebenswürdige Schwerenöter Max die best gesehen¬
sten Typen sind, bildet den Inhalt des Gesellschafts¬
stücks, das an die jetzig Zeitperiode gebunden ist.
Die lebhafte Wirkung der tragischen Komödie wurde
durch die Damen Hummel, Nowak, Kabisch und
Wernburg sowie durch die Herren Selnick, Lang¬
W
hoff. Andriano, Herrmann aufs Vorzüglichste und
Lebendigste herausgearbeitet. Der Rahmen, den die
Regie des Dr. Buxbaum schuf, war distinguiert rein
kein
Der neue Schnißzler im
das Milieu des Stückes, das am Schlusse einen sehr
6. in
starken Beifall auslöste.
öner
Wiesbadener Staatstheater.
irper
m ist
—gw5— Wiesbaden, 30. Oktober.
icher
Man beeilte sich, Schnitzlers „Komödie der
aber
Verführung", die vor etwa zwei Wochen in
viel¬
Wien zur Uraufführung kam, am Wies¬
badener Staatstheater herauszubringen,
voll;
als sogenannte reichsdeutsche Uraufführung. Der
ffen¬
Abend vermochte nicht von der Notwendigkeit
lley
zu überzeugen, gerade dieses Stück an der Wies¬
Ver
badener Bühne, an der Uraufführungen bisher zu
Rai
den Seltenheiten gehörten, zu spielen, denn der
Schnitzler des „Anatol“, dessen geistreich ge¬
schliffenem Dialog man immer wieder gern lauscht,
rhye
ist es nicht, der hier spricht. Von der kristallenen
Dr. Max Goldschmidt
Klarheit jener Einakter=Folge ist in der „Komödie
ikte
Bureau für Zeitungsausschnitte
der Verführung“ nichts zu spüren; sie zeichnet sich
ivelmehr durch verwirrenden Personen=Reichtum
BERLIN N.4
Telefon: Norden 3051.
und eine seltsam verschlungene Handlung aus, die
Ausschnitt aus: Hessische Landeszeitung, Darmstadt
es nicht leicht macht, zu erkennen, was eigentlich

Ziel und Absicht der Komödie ist, zumal die un¬
angemessene Spieldauer von beinahe vier Stunden! 15s
ungemein ermüdend wirkt. Das Wien der Ver¬ vo
1. Nov. 1924
gangenheit, das Wien vor zehn Jahren bildet
G.
den Hintergrund des Spiels, das den ver¬
Se
e
vo
schiedensten Vertretern einer versunkenen und ver¬
klungenen Welt Gelegenheit gibt, das Thema
Kunst und Leben
Liebe (wie sie es verstehen) zu variieren; dann
und wann blitzt ein Funke des Schnitzlerschen
Schnitzler=Uraufführung in Wiesbaden. Aus Wiesbaden wird
uns berichter Sch Verführung" bewies
Geistes, wie er in uns aus dem „Anatol“ nach¬
klingt, auf, um alsbald von in der Ebene heiterer
sich bei der reichsdeutschen Uraufführung am Wiesbadener Staatsthea¬
Ta
e
ter als unklar aufgebautes, durch die Anzahl der handelnden oder auch
Alltäglichkeit dahinfließenden Sätzen ausgelöscht
De
nur austauchenden Personen verwirrendes, übermäßig breit gewalztes
Sa¬
zu werden. Der Abend wurde durch die unter
Ze¬
Werk, in dem nur ab und zu etwas vom Geiste der früheren Schnitzter¬
Dr. Buxbaums Leitung stehende Darstellung zum
wie
im
schen Stücke zu spüren ist. Das Wien der Vorkriegszeit bildet den
lauten Erfolg, Die drei weiblichen Hauptrollen
ein
ite
Hintergrund der mannigsachen Liebes= und Verführungsgeschichten.
wurden von Thila Hummel, Gudrun Kabisch und
et“

die zu einem ermüdenden Durcheinander zusammengewirbelt sind. De¬
Friedel Nowack, die jede nach ihrer Art aus den
ka¬
erste und #ette Att besonders sind von unmäßiger Länge und gaben den
schemenhaften Gestalten des Dichters blutwarme
Phe
ch¬
Abend, die mehrsachen Pausen eingerechnet, die erfreuliche Dauer vol
Menschen zu gestalten bemüht waren, gegeben.
Hin
bald vier Stunden. Man dachse mit wehmütigen Gefühlen an Schnit¬
Dem Schnitzler=Stil entsprachen Bernhard Herr¬
älter
zers „Anatol“, der in seiner kristallenen Klarheit und der in allen
mann. Kurt Sellnick und Gustav Schwab am
des
Feuern Wiener Geistes junkelnden Sprache sich, trotz seiner inneren
meisten; Langhoff führte die Rolle des jungen
gebe
Schwächen, als ein unverwüstliches und immer wieder erquickendes
Verführers, den er als den guten, halb knaben¬
start
Bühnenwerk erwiesen hat. Es bleibt unverständlich, wie das Wies¬
haften, halb überreifen Jungen anlegte, konse¬
lässis
badener Staatsthealer darauf versallen konnte, gerade dieses lang¬
quent durch; gute Typen schufen Momber, Dr.
lang
älmige Werk als erste deutsche Bühne herauszubringen. Der laut¬
Gerhardus und Andriano.
Gäsgen.
bage
Beifall galt in erster Linie der Aufführung, die Dr. Buxbaum leitel.
und die von Leistungen Thila Hummels (Aurelie), Gudrun Ka¬
ische
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(Iudint, Friede! Nowack (Seraphine). Kurt Sellnicks (Falke¬
and
nkt). Mombers (Gysar), Dr. Gerhards (Westerhaus) und Max An¬
Perle
drianos (Fenz) getragen wurde.
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