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27. Eink- und Fliederbusch bos 33/2
Adresse: Frankfurt a. M.
Adresse: Frankfurt a. M.
à 9. A00.191:
Datum:
X 9. N0V. 191)
Datum:
Frankfurter Theater.
Kunft und Wissenschaft.
Neues Theater.
Neues Theater: „Fink und Fliederbusch“.
Fink und Fliederbusch ist eine PersonAro Fink schreibt
Zum ersten Mal: „Fink und Fliederbusch“.
er in der einen Zeitung. als Fliederbusch in
deren
Komödie in 3 Akteit von ArthurSch#
Und der Fink schreibt gegen die Artikel des Fliederbusch.
Der Fall soll sich — so ward anläßlich de# Wiener Ur¬
und der Fliederbusch beleidigt den Fink nueder in dem
aufführung der Komödie in der „Neuen Freiek Presse“ mit¬
Antwortartikel. Schließlich wird Fink vo#der einen Re¬
geteilt — in der österreichischen Hauptstadt tetsächlich einmal
daktion gezwungen, den Fliederbusch zum Huell zu fordern,
ereignet haben. Hoffentlich war die Geschiche in Wirklichkeit
und endlich beim Duell kommt heraus, daß Fink und Flie¬
derbusch ein und derselbe betriebsame Reporter ist.
amüsanter und kurzweiliger, als sie sich vorgestern Abend auf
Dies ist die Grundidee zu einem vortrefflichen Schwank.
der Bühne vollzog. Herr Fliederbusch vonder „Gegenwart“
Dazu aber darf ein Mann vom Rang Schnitzlers nicht den
einem demokratischen Blatt, veröffentlicht als Fink in der ins
Mut haben. Aber selbst in der Komödie wäre die Idee
reaktionäre Fahrwasser absegelnden „Eleganten Welt“ einen
kaum totzukriegen gewesen, wenn Schnitzler sie nicht in
Artikel, gegen den er wieder, als „Fliederbusch“, in der „Gegen¬
eine unmögliche Umwelt hineingestellt hätte. Man könnte
wart“ polemisiert, um dann in der Redaktion der „Eleganten
ihm diese Journalistenwelt mit ihren verschrobenen Typen!
Welt“, als Herr Fink, dazu bestimmt zu werden, Herrn Flie¬
derbusch auf Pistolen zu fordern. Zum Duell erscheinen Fink
noch verzeihen, wenn diese belustigend wirkten, aber diese
und Fliederbusch in einer Person. Die Chefredakteure der
Wirkung blieb sogar bei denen aus, die dem Betrieb von
„Gegenwart“ und der „Eleganten Welt“ überbieten sich gegen¬
Redaktionen ganz ahnungslos gegenüberstehen, während
seitig, Herrn Fink=Fliederbusch zu gewinnen. Schließlich löst
sie den Kenner direkt verstimmen müssen. So scheitert das
sich die Sache in dem bekannten allgemeinen Wohlgefallen auf.
Stück an dem Widerstreit zweier Empfindungen, eine gute
indem die zum Zweikampf erstaunlich zahlreich erschienene
Idee nicht fallen zu lassen und sie dann für ein ernst zu
nehmendes Stück dadurch zu retten, daß man Menschen und
Gesellschaft einem gemeinsamen Frühstück zustrebt...
Es
Vorgänge drum horumkonstruiert, die zwar ins Niveau der
wird erbarmungslos viel ges—prochen in dem Stück. Bäche
Idee passen, aber aller Wahrscheinlichkeit und Natürlichkeit
breitangelegter Unterhaltung, die mehr gestreichelnd als geist¬
für einen echten Lustspielstoff Hohn sprechen. Hinzu kommt
reich ist, ergießen sich in den Zuschauerraum hinein. Aber so
eine Weitschweisigkeit und Redseligkeit, mit der der kleine
viel auch geredet wird, der Fall Fliederbusch=Fink bleibt völlig
unwahrscheinlich und, was schlimmer ist, —
Kandlungstern umkruftet iste die diesen überhaupt kaum!
uninteressant,
kommt nur durch Ansätze zur Sitvationskomik zu einiger
Wirkung. Schon zu Beginn des zweiten Aktes erfährt
man, daß Fliederbusch Fink und Fink Fliederbusch ist,
nuch herausschälen läßt, wenn man sich durch ein Bicht
und damit ist die Komödie zwei lange, ach so lange
(Verlag S. Fischer, Berlin) von 156 Seiten hindurchlesen
Akte zu früh um ihre einzige, an sich nicht übermäßig starke
muß. Beim Sehen und Hören von der Bühne herunter ist #
Pointe gebrächt. Zugegeben, die eine oder andere der Figuren,
die Wirkung kaum besser, wahre Breitseiten von Dialog=
die vor einem auftauchen, ist gut gesehen, trägt lebenswahre
konfetti werden ins Parkett gefeuert, sodaß die Zuhörer s#
Züge: das Stück als Ganzes ist matt, ihm fehlt die Kraft
schließlich abgestumpft und teilnahmslos werden. Zu rüh¬
gesunden, frischen Witzes, die blitzende Schärfe echter Satire.
men ist nur, daß dieser Dialog, der hier und da auch der
Man hört. Schnitzler habe es schon vor geraumer Zeit, vor
Geistesspitzen nicht entbehrt, nie unter die Linie des guten
vielen Jahren geschrieben, es habe bisher aber in seinem
Geschmacks sinkt, aber das genügt nicht, um auf die Dauer
Schreibtisch geschlummert. Daß es aus diesem geruhsamen
die sehr geringe dramatische Spannung wach zu halten.
Versteck nun ins Rampenlicht gezerrt wurde — einen wirk¬
die man eben nicht dadurch erzeugt, daß man bestimmte
lichen Gefallen hat man dem österreichischen Autor damit ge¬
Menschen zu bestimmten Türen hereinkommen und sie zu
miß nicht erwiesen. Die Aufführung, in der das Neue Theater
1
bestimmten Gegenübers bestimmte Reden halten läßt. Es
„Fink und Fliederbusch“ berausbrachte, stand unter Herrn
ist schade, daß Schnitzler nicht den tieferen Ehrgeiz hatte.
Direktor Hellmers umsichtiger Leitung. Sie bemühte
die moderne Journalistenkomödie Gustav Freytags zu
sich, saubere Arbeit zu hieten, was ihr im ganzen auch gelang,
schreiben, dazu hätte er das Rüstzeug, wenn er sich wohl
Die Bühnenbilder im dritten Akt erschienen um einiges zu
auch in den modernen Redaktionen erst nach besserer Kennt¬
dürftig, umso besser waren die der beiden ersten Akte gelun¬
nis des Milieus umsehen müßte.
gen. Herrn Graetz sah man als Fliederbusch. Der ge¬
Obwohl die Aufführung mit viel Hingabe für Schnitzler
wandte Schauspieler ging mit viel gutem Wollen an seine
zu werben suchte, blieben große Wirkungen aus. Herr
rechtschaffen undankhare Aufgabe und, soweit diese selbst es
Hellmer hatte sehr auf Plastik und Lebendigkeit ge¬
zuließ, meisterte er sie durchaus lobenswert. Aus der großen
drungen und auch durch Striche Längen wohltuend ge¬
Zahl der übrigen Mitwirkenden sei vor allem Herr Kner ge.
mildert. Ebenso waren mit wenigen Ausnahmen von ihm
nannt, der den ergrauten politischen Redakteur der „Gegen¬
die richtigen Kräfte an den richtigen Platz gestellt. Herr
wart“ trefflich verkörperte Herr Kuckhoff fiel mit seinem
Grätz wirkte in der Hauptrolle des Fliederbusch diesmal
Kajetan, einem Ueberbetriebsamen, völlig aus dem Nahmen
zur besonderen Freude seiner Gemeinde und man muß sehr
der Prstellung. indem er im Gegensatz zum Stil dieser seine
viel Anerkennung aufbringen dafür, daß er Stil und Maß,
Rolle insGroteske karikierte. Eine abgeschlossene Leistung gelagn
sogar strenge künstlerische Zucht mit sich hielt und sich nicht
Herrn Klöpfer in dem Mitarbeiter Siyr der „Eleganten
verleiten ließ, aus der tragenden Rolle eine Starnummer
Welt", einem vom Verfasser sehr sicher und scharfumrissenen
zu machen. Als die einzige weibliche Figur des Stückes war
Typ. Mit einem Gesamtlob seien Frl. Sangora und die
die Gräfin Priska von Frl. Sangora sehr apart und
Herren Schwartze Lobe, Grüning, Reimann,
reizvoll angefaßt. Von den vielen anderen können wir nur
Großmann Wallburg und Brückner bedacht. Der
noch den geheimnisvollen Styx des Herrn Klöpser her¬
Beifall des gut besetzten Hauses, der in erster Linie der Auf¬
vorheben, der damit auch einmal im charakterkomischen
führung zu gelten schien, war nach den beiden ersten Akten
Fach erfolgreich war. Der Füllmann des Herrn Kner
nicht unlebhaft, hielt sich dagegen am Ende des Abends in sehr
war im Aeußern und Innern reichlich zu derb genommen
engen Grenzen. So muß man von einer freundlich= kühlen
Der Kajetan des Herrn Kuckhoff war wirksam, ohne
Aufnahme sprechen
restlos ausgewirkt zu sein. Herr Großmann überzeugte
Oes.
sehr typisch, wie unmöglich der von ihm humorvoll hinge¬
stellte Chefredakteur im Leben ist. Nicht einmal die Kritiker
sind in Wirklichkeit so gesinnungsschwach wie in Schnitz.
lers Stück, sonst würden sie wohl aus Verehrung für ihn
— mehr loben, wie sie so aus Ueberzeugung ##beln a n
ERN