Faksimile

Text

er
7.
der Achtung. Im Buche Hiob wird berichtet, daß die Anbeter der
Sonne 2n5 des Mendes ihre Lände gngen diele
und sie dann zum Munde zu führen pllegten. Zu anm Zeiten sind #
auch die Büder der Gölter, Gözen und Heiligen getüßt worden, und
sie werden auch heute noch gelüßt. Der Kuß, den man dem Gastereund
gab, machte diesen heilig. Als sich dann der Kuß ne# lgemeinerte.
da unterschied man allerlei Arten davon, und je nachdem der auß auf
den Mund, die Wange, den Bart usw. gegeben wurde, bezeichete er
Liebe, Achtung, Treue, Freundschaft, Schutz, Unterwersung oder An¬
belung, je nach dem Verwandtschaftsgrad, dem Geschlecht, dem Alter.
dem Rang der Personen und nach den örtlichen Gebräuchen. Der
Katholizismus hat den Kuß zum Erkennungszeichen der Brüder im
Glauben erhoben. Im Mirtelalter bildete er einen Teil der Formali¬
täten, die zur Eehebung in den Ritterstand gehörten: und noch heute
nurd bei den Romanen der Soldat, dem eine Kriegsauszeichnung ver¬
liehen wird, zugleich geküßt. Bei gewissen Bräuchen diente der Kuß auch
als Pfand der Treue unter den vertragschließenden Parteien, wobei er
also dem Handschlag entsprach, derch den ein Handel vollgegen wurde,
und noch heute gilt der Kuß allgemein als ein Zeichen der Versöhnung.
Mu
Theater und Kunst.
*
Hinter den Kulissen. % ###
(Die Burgtheaterjubilare. — Wie Baumeister seinen neunzigsten Geburts¬
tag verbrachte.
Wie kam Artur Schuißlers Fink und Rosenbusch“
Deutsche Volksthrater? — Die Sheäkerkässe und die Literatur. —
— —
Das Stück mit den de Statisten. — Ein Scherz vom Tage.)
Die große Burgtheatersamilie, die sonst Jubiläen und
Geburtstage gewöhnlich sehr lebhaft und geräuschvoll zu feiern
pflegt, mußte sich in der letzten Woche Enthaltsamkeit auferlegen.
Baumeisier, Anna Kratz und Herr Zeska, die sonst „Gegenstand
großer Ehrungen“ gewesen würen, sind nur ganz schlicht und
einfach beglückwünscht worden, was bei den zwei Erstgenannten
sogar auf eigenen Wunsch zurückzusähzren war. Sie sind nicht
mehr jung genug, um die Strapazen einer Haupt= und Staats¬
aktion zu überstehen. Herr Zeska ist jünger, gesünder und konnte
also vergnügt und frisch jubilieren und seine Kollegen im Hausen
empfangen. Die brave Anna Kratz, die man übrigens irrtümlicherweise
um einen ganzen Monat zu früh zu einer Achtzigerin gestempelt
hat, ist leider leidend und verzichtete auf Besuche, während Bernhard
Baumeister zwar vergnügt dahinlebt, aber wenigstens so tat, als
fühle er sich den Ehrungen nicht gewachsen. Im Burgtheater
freilich man war besorgt, als von ihm eine Absage kam, und die
Freunde glaubten schon, daß es dem Alten in Baven schlecht gehe.
Das ist aber nicht der Fall. Ein Freund unseres Blattes sendet
uns nämlich folgendes Stimmungsbildchen aus Baden: Wer
sich den neunzigjährigen Patriarchen des Burgtheaters als hin¬
sälligen Greis, auf die „Postille gebückt“, vorstellt, griesgrämig
und weltverloren, geht gewaltig ure. Nicht als wäre er neunzig
geworden, sondern als hätte er zum zweitenmal den fünfund¬
vierzigsten Geburtstag gefeiert, verbrachte, wenn auch in
stiller Zurückgezogenheit, nur umhegt und umsonnt von der
Liebe und Herzlichkeit von Galtin und Schwägerin, den großen
Tag, und es war nur eine Hyperfürsorge des ihm befreundeten
Arztes Dr. Heidvogl, daß er ihm die Mühsetigkeiten ersparen
wollte, Deputationen zu empfangen. Er selbst war gerade an
diesem Tage frischer und munterer als seit geraumer Zeit und
freute sich ganz unsäglich über die alle Räume seiner Badener¬
Villegiatur füllenden Blumenspenden, die dem lieben altväterischen
Hausgarten förmlich einen neuen Garten zugesellten. Die
Deputationen vertrat ein kleines Heer von Depeschenboten.
und Briesträgern, und der Wundermime des Burgtheaters
ließ sich zunächst die Depeschen vorlesen, die ihm große
Freude machten und deren manche er mit scherzhaften Apereus
begleitete. Dem Schreiber dieser Zeilen war es beschieden als dem
einzigen Fremden, das große Geburtstagskind an dem Festtag zu
sehen und zu sprechen. Es war eine zufällige Begegnung auf der
Straße. Durch die Hildegardgasse schreitend, mußte ich unwill¬
kürlich vor einem Gefährt ausweichen, dessen feurige Pferde schen
zu werden drohten, wenn nicht ein kräftiges Anziehen der Zügel
sie, die sich bereits aufgebäumt hatten, zum Stillstand gezwungen
hätte. In dem eleganten offenen Fiaker saß aber niemand anderer

als
Bernhard Zaumeister und seine Frau, die von
einer Spazierfahrt aus dem Helenental heimkehrten.]
Die Zügellosigkeit der Pferde irritierte den nervenstarken
Mann nicht im mindesten, während sich der wenigen
Zeugen dieser Szeue ein wenig Aufregung bemächtigte. Nur leicht
auf meine Hand gestützt stieg Baumeister aus dem Wagen und
ich konnte mich seines beispiellos frischen Aussehens, seiner schalk¬
haft bligenden wasserblauen Augen, aus denen noch immer der
alte fröhliche Naturbursch hervorleuchtet, erfreuen. Er sagte mir,
wie ungemein leid es ihm getan habe, daß „seine böse Frau“
nicht zulassen wollte, daß seine lieben Kollegen des geliebten
Burgtheaters zu ihm kämen. Seine Stimme klingt frisch und
kräftig, wie nur jemals. Ich möch.: dies aus dem Grunde ganz


Das kleine Städtchen tauchte vor ihm auf und rückte schnell