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27. Eink-und Friederbusch
Adresse: München
1 S. N0V. 1940
Datum:
Kunst und Wisenschaft.
* [Der neue Schnitzler.] Arthur Schnitzlers neus
Journalistenkomödie „Fink und Flieberbusch“,
im Wiener Deutschen Vollatbeat###einen
Achtungserfolg erziel'n konnte, stellt sich als ein mit recht
unzulänglichen Mitteln unternommener Versuch dar, de
Problem der publiaistischen Gesinnung in irdnisch=satirie
scher Form zu behandeln. Zwei Zeitschriftey' führen eing
erbitterte Fehde, die radikal=demokratische „Gegenwart“
und die feudal=reaktionäre „Elegante Welt“. Einer der
begabiesten jüngsten Mitarbeiter der „Gegenwart“ schreibt
als „Fliederbusch“ eine geharnischte Erwiderung auf einen
reaktionären Artikel der „Eleganten Welt“, als deren —
Mitarbeiter unter dem Namen Fink wir ihn im zweilen
Akt finden. In recht verakteter Art sucht nun der moderne
Journalisten=Hamlet über sein Doppelich in langatmigen
Monologen klar zu werden und läßt as sogar zu einem
Pistolenduell mit sich selbst kommen. Natürlich verläuft
dieses Duell in einer ans Possenhafte granzenden Schlu߬
szene durchaus unblutig, und an den Haaren herbalgegegen
m###t dann die „Lösung“ an: Fink=Fliederbuk verkauft
seine Gesinnung an den von ihm norher scharf bekämpften
Grafen, der ein eigenes (drittes) Organ herausgeben will,
in dem der junge Zeitungsmann sein Doppelich un¬
gehindert austoben kann. Schnitzler will darauf hinaus,
daß das, was man gemeinhin politische Gesinnung oden
Ueberzeugung nennt, in Wahrheit gumeist nur eine fire
1
früher, lugt hier der Arosund
Jno#
Menschensezierer zwischen dem Dichter Schnitzker dentlich
aß wir ia Zukunft mehr alo bisher
hevaus!) in
Kompromissen bereit sein müsse, Ist auch der seine Schalls¬
Fumor des sonst so liebenswürdigen Wiener Dichters ore#
vielen wienerisch witzigen Randbemerkungen ersichtlich, so
vermissen wir doch sonst so ziemlich alles, was uns Schnitz¬
ler
st so lieb und wert macht. Daß die verschiedenen
Mitalieder der Redaktionen in beiden Lagern trefflich be¬
obachiet sind, täuscht uns nicht über die Handlungsdürftig¬
keit und über die Sintönigkeit des Ganzen hinweg, und
allem wirkt gerade bei einem so feinen Kenner der
lichen Psyche das völlige Ausschalten des crotischen
mentes fast wie Absicht. Ges ielt wurde die Komödie
ausgezeichnet; in der Doppelrolle des hinter dem Flieder¬
busch sein schrilles Liet trillernden Zeitungs=Finken leistete
Herr Edhofer Ausgezeichnetes, ebenso alle übrigen Dar¬
steller. Wer aber schreibt uns die große Tragödie der
öffentlichen Meinung, die noch nie so unheimlich dankharen
Stoff gefunden hat wie heutzutage? Dr. Arth. N—r.
„ „. Me „„
Adyesse: Berlin
1 5. 900 1917
Datum:
Arthur Schnihlers neue Komödie „Fink und Flie¬
Verbusch“ hat, wie unser a. p.=Berichterstatter zus Wien
drahtet, inf Deuschen Volkstheater mäßig angesprochen.
Das Stückdelt das Thema Zeitung und Zeitungsleute mit
sanftem Färtaßmus, es hat einen spaßigen Grundeinfall, aber nicht
den Mut zu herzhafter Lustigkeit. Im Bestreben vornchm zu
bleiben, wird die Komödie saftlos, die Schilderung des Zeitungs¬
milichis geriet wenig originell.
box 33/1
Wien, I., Soncerdlepren
I5A01917
Deutsches Volssblatt
Wien¬
#
hrater, Kunst und neratur.
Deutsches Bollstheater. Artur Schnihl#rist in
seiner jüngsten dramatischen Arbeit, der dreiaktigen Komödie
„Fink und Fliederbusch“, nicht wieder zu erkennen. Der
Dialog erinnert zwar mitunter an frühere Werke des Ver¬
fassers, auch daburch, daß Schnitzler wieder sein Steckenpferd,
die Erörierung der Duellfrage, reitet, fühlt man sich an
seine literarische Vergangenheit gemahnt, aber im übtigen
ist er sichtlich bemüht, dieselbe zu verleugnen. Diese Ver¬
gangenheit ist nun keineswegs eine solche, daß sie uns
besonders sympathisch gewesen wäre. Dennoch müssen wir
bekennen, daß der neue Schnitzler uns noch weit weniger
gefällt. Er hat nämlich etwas an sich, was ganz und gar
nicht recht unterhaltend wirkt, sondern Eindrücke hervorruft,
die von Langweile kaum noch zu unterscheiden sind. Viel¬
leicht hat es Schnitzler danach gelüstet, einmal auf den Spuren
Vernhard Shaws zu wandeln. Die Idee seiner neuesten
Komödje, der absolute Mangel einer eigentlichen Handlung,
der räsonierende Charakter alles dessen, was gesagt wird,
die ganze Technik des Stückes und vielleicht sogar der
Umstand, daß wiederholt von „Snobs“ und „Snobismus“
gesprochen wied, läßt die ausgesprochene Vermutung nicht
ungerechtfertigt erscheinen. Schnitzler zeigt übrigens in seiner
Komödie „Fink und Fliederbusch“ auch unmoderne An¬
wandlungen, er überrascht uns sogar durch einen Monolog,
der doch sonst von den Angehörigen seiner Richtung ganz
und gar verpönt ist. Und wenn man will, kann man sogar
Vergleiche mit Gustav Freytags „Journalisten“ anstellen,
denn es gibt nicht nur ein Redaktionsmilieu, in das wir
eingeführt werden, wir nehmen nicht nur an dem Kampfe
zweier in verschiedenen politischen Lagern stehenden Zeitungen
teil, sondern die Hauptfigur des Stückes ist eine Art von
vernewertem Schmock, gewissermaßen eine Salonausgabe
durch
jenes
berühmt
Freytag
gewordenen,
je
nach
Bedarf
nach links
oder nach
rechts
schreibenden Journalisten.
Schnitzler
hatur gewissermaßen die letzten Möglichkeiten ange eutet,
zu welchen es allenfalls führen könnte, wenn einer die
publizistische Vielseitigkeit etwas gar zu weit treibt. Der
junge Mann; der als „Fliederbusch“ in einem liberalen
Blatte einen konservativen Parlamentarier angreift, pole¬
misiert als „Fink“ dann in einer gegnerischen Zeitung
mit sich selbst. Es kommt aber noch viel grotesler. Die
Situation spitzt sich derart zu, daß „Fink“ sich genötigt
sieht, seinem Widersacher „Fliederbusch“ zum Zweikampfe
zu fordern. Das gibt natürlich Schnitzler weder die er¬
wünschte und wohl auch gesuchte Gelegenheit, über das
Tuell an sich den Stab zu brechen und es lächerlich zu
machen. Er greift zu diesem Zwecke zu einem sehr drastischen
Mittel, indem er die von ihm geschaffene Verwicklung so
weit treibt, daß er uns auf den Platz führt, wo das
Tuell zur Aestragung gelangen soll. Dort stellt
ses sich natütlich heraus, daß „Fink" und „Fliederbusch“
seine und dieselbe Peron sind. Nun kommt es doch noch
zu einer Art von Zweikampf, nämlich zwischen den Heraus¬
lgebein der beiden gegnerischen Blätter, die sich durch ein
fförmliches Hinauflizitieren ihrer Gekaltsanbote des
jungen „hoffnungsvollen“ Journalisten versichern
nollen, dessen Geriebenheit selbst amerikanischen Zeitungs¬
lleuten imponieren würde. Es scheint übrigens, als obn
Schnitzler es darauf abgesehen halte, damit noch etwas
Besonderes zu beweisen, nämlich daß das, was man „persön¬
liche Ueberzeugung“ nennt, einer Meinung nach nur ein sehr
problematischer Begriff ist, so dag sich ein in der Komödie
wiederholt gebrauchtes Wort von der „Identität der
Gegensätze“, das ein Paradoxon zu sein scheint,
Juhalt zu bekommen
realen
scheint.
fleicht einzusehen, daß
der
Kreis derjenigen,
ddie der jüngsten Schnitzlerschen Komödte Geschmack und
IInteresse a beugewinnen vermögen, kein allzu großer ist
Die Wiener Journalistik wird vielleicht den ersten Auf¬
#zug des Stückes als den Ansatz zu einer Schlüsselkomödie
berrachten, weit gewisse vom Verfasser geschlderte Verhält¬
juisse auf ein ganz bestimmtes Mener Blatt hindeuten,
wodurch auch noch die Masken einzelner Schauspieler bei¬ #
trugen. Gespielt wurde sehr gut. Herr Edthofer war
Fink und Flicherbusch in einer Person Von den übrigen
seien die Herren Forest, Thaller, Götz, Kutschera,