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27. Eink und Fliederbusch box 33/1
15501131
Die Zei, Wies
B
——
pfeift politisch, wobei man deutlich merkt, daß die Chronik meldet von keinem ähnliche
Tart pour l’art=Journalisten mehr. Tristan
ihm auf einem alten, abgespielten Vogelwerkel
Feuilleion.
vorgespielt worden war, der Fink, und beileibe
Bernard hat nun vor ein paar Jahren einen
Arthur Schnitzlers Lustspiel.
nicht Arthur Schnitzler. Dem ist's nur um ein
Schwank geschrieben, in dem ein Journalist
lustiges Schelmenlied zu tun. Beiden aber ist
eine solche Doppelrolle spielt und in die tolle
(.Fink und Fliederbusch“, Komödie in drei
Alten; Uraufführung im Deutschen Volks¬
die leidige Politik nur ein Requisit für ihre
Situation kommt, sich selbst schwer beleidigt zu
theater am 14. November.)
Komödien, mit denen sie Erfolg haben möchten.
haben und sich mit sich selbst schlagen zu müssen
Hell und fröhlich schmettert dieser Komödien¬
Der Fink sitzt nämlich wirklich im Fliederbusch,
Schnitzlers Einfall ist derselbe. Er hat sich, als
titel. Ganz sommerlich poetisch wird einem
er ist dessen andere Seele, die sich von der
das Stück des Franzosen bei uns bekannt wurde,
dabei zumute; irgendwie glaubt man den
einen trennen will. Es ist also nichts mit der
einwandfrei bestätigen lassen, daß sein Einfall
Anfang eines Liedes zu hören, das etwa von
sommerlichen Poesie, Herr Fliederbusch ist ein
schon gestaltet war, ehe er das Stück Bernards
Rudolf Baumbach sein könnte: „Es saß ein
junger, ach, allzutalentierter Journalist, und
kennen konnte. Aber es bleibt doch ein Pariser
Fink im Fliederbusch.“ Aber hier stockt man
Herr Fink — man wird ja gleich sehen. Ein
Schwankeinfall, wenn er auch an eine Wiener
schon. Es gibt nicht viel Reime auf „Busch“.
Journalistenstück also? Schnitzler glaubte
Anekdote anknüpft und von Schnitzler durchaus
„Husch, husch, husch!“ heißt's im Kinderlied.
zweifellos, eines schreiben zu müssen, also auch
original ist. Deutsch wäre er erst geworden,
Und weg ist der Fink, nichts singt mehr im
eines geschrieben zu haben. Kaum, weil ein
wenn der Fink die im Fliederbusch geknechtete,
Fliederbusch. Ein sinniger Reimzufall. Der
Erkennen von der Zeitung und ihren Leuten
um Brot für Weib und Kind verkaufte Ueber¬
Fink verträgt's nicht, daß man sich auf Flieder¬
ihn zu einem Gestalten gedrängt hätte, sondern
zeugung hinausschmettern wüs#e, wenn er als
busch einen Reim macht. Schade!
weil sein Lustspieleinfall, der mehr Schwank=,
Fliederbusch oder als Fink zur Verleugnung
Wir haben uns alle sehr auf ein Lustspiel
ja fast schon Possenwitz ist, dieses Milien
von Ansichten gezwungen würde, deren Ver¬
von Arthur Schnitzler gefreut. Seit den Anatol¬
forderte. Es ist dazugefügt, wie eine Dekoration
kündung ihm Gewissenspflicht wäre. Das hätte
Plaudereien schon, also viele Jahre lang. Auch
herumgebaut, wobei die Leinwandwände und
eine Tragikomödie werden können, um deren
die Bilder, die daran hängen, oft recht störend
Einfall und Gestaltung ein Arthur Schnitzler
Tragikomödien dieses Dichters schien immer
wackeln und schlottern. Ganz von außen her
mit keinem Tristan Bernard' zu rechten hätte.
wieder die Verheißung zu stecken, Schnitzler
kommt Schnitzler an die Zeitungswelt heran,
Die Geschichte der Komödie ist rasch erzählt.
werde eines Tages die Mystik des erotischen
und ganz sonderbar fremd und fern in ihrer
Herr Fliederbusch, dessen Eltern in der Kleinen
Gesellschaftsipieles überwunden haben und
Arbeit und ihrem Empfinden sind ihm die
Schiffamtsgasse wohnen und dessen Vater in
seine Beklemmungen in das Lachen der Be= Menschen von der Zeitung, die man ihm weit
der kritischen Zeit hauptsächlich mit Hosen¬
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freiung auflösen. Wer ihm, solchen Beklemmun¬
vertrauter wähnte, und denen er sich wohl selbst
knöpfen handelt, ist als externer Mitarbeiter
gen oder beiden, irgendwie näher stand, er¬
auch viel näher fühlte. Der Spaß gründet sich auf
des Tagblattes Die Gegenwart Parlaments¬
ein Wiener Journalistenhistörchen. Es war einmal
wartete mit Ungeduld den Schnitzler=Abend, an
berichterstatter. Während man dort vergebens
dem er ausrufen könnte: „Nicht mitzuliebeln,
ein journalistischer Klopffechter, der schrieb in
von ihm verlangt, daß er zu den politischen Er¬
mitzulachen bin ich da!“
dem einen Blat. politische Artikel nach rechts
eignissen im Sinne des demokratischen Blattes
Nun, der Fink im Fliederbusch singt durch¬
und polemisierte in einem gegnerischen Blat
Stellung nehme, schreibt er unter dem Namen
aus kein schönes Liebeslied, sondern versucht
gegen seine eigenen Artikel nach links. Als man
Fink in der Eleganten Welt, einem Sport¬
ganz im Gegenteil ein garstiges Lied, ein
dem Manne auf sein Fregoli=Stückchen kam, und Gesellschaftsblatt, das in der letzten Zeit
politisches, zu pfeifen. Wohlgemerkt, der Fink) flog er im weiten Bogen aus Wien hinaus, undpolitischen Ehrgeiz zeigt, feudal-reaktionäre