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box 32/1
26.1. Konbedie der Jorte—zuklus
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KOMÖDIE DER WORTE.
VON
RICHARD SPECHT.
.. Wie die wahren Worte
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(an denen Lächeln oder Tränen hängen
gleich Tau an einem Busch mit rauhen Blättern)
erschrecken müssen, wenn sie sich erkennen.
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In dieses Spiel verflochten, halb geschminkt,
halb noch sich selber gleich und so entfremdet
der großen Unschuld, die sie früher hatten!“
Hugo von Hofmannsthal.
Aaihre
lie werden doch nicht etwa bereuen. Klara?“ sagt der Professor
Ormin zu der Gattin des praktischen Arztes Dr. Eckold. „Ich bin
Ihnen ja so dankbar! Es war so schön und gut, daß Sie — daß
S wir beide in dieser Stunde — endlich die Wahrheit gesprochen
haben.“ Und sie: „Sind wir dessen nur ganz sicher? — Nun ja. Vielleicht
Wenn es nicht Worte gewesen wären.“
„Diese Stunde“ — das ist die Stunde, in (der Rudolf Ormin von seinen
Freunden Abschied nimmt; ewigen Abschied wahrscheinlich, nicht nur, weil er
sich in das Pestgebiet des russisch-japanischen Krieges begibt, sondern weil
seine gestörte Gesundheit eine Wiederkehr kaum annehmen läßt. Und die
Wahrheit, die beide gesprochen haben, ist die: daß Ormin, der glänzende,
berühmte, um das Glück des eigenen Heims gekommen ist und sich von seiner
Frau getrennt hat, ohne die Richtige, die er zu spät gefunden hat, erobern
zu können. Und daß diese Richtige sich ihm versagen mußte: denn Frau Klara
hat ihn wirklich geliebt und er wäre ihr Schicksal geworden; sie aber hätte es
nicht ertragen, nur „eine mehr“ in seiner Sammlung zu sein. Sie hätte auch
ihren Gatten niemals verlassen. Nicht aus einem Gefühl der Treue; denn ge¬
rade in jener Zeit, in der Ormin um sie warb und in der zwischen ihr und
ihrem verbitterten, enttäuschten, zur Handlangerarbeit der Praxis verurteilten
Mann eine unselige Entfremdung geherrscht hat, hatte sie sich nicht beson¬
nen, sich einem andern zu schenken, der für sie kein Schicksal bedeutet hat,
aber in dessen unstetes, freudlos einsames Leben sie eine Zeit wahrhaften
Glückes zu tragen vermochte. Und trotzdem hatte sie niemals entscheidender
als während jener Entfremdung und während ihrer Untreue gewußt, daß sie
zu Mann und Kind gehöre, daß sie Sinn und Zweck ihres Daseins einzig in
ihrem Heim finden könne. Auch jetzt, wo sie ihre Tochter verheiratet hat;
weil auch jetzt noch ihr Leben unauflöslich an ihren Gatten geknüpft ist,
dem sie über Mühe und Sorge wegheifen konnte, und der ihrer bedarf. Sie
muß erfahren, daß sie irrt. Denn wenige Minuten später muß sie hören,
daß Eckold nichts dagegen hätte, wenn sie zu ihrer nach Berlin verheira¬
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