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26.1. Konoedie der orte zyklus
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Homödie der Worte
otto: Mit Worten läßt sich trefflich streiten. Einer rächt sich, Einer
ZII rettet sich, Einer tut beides zugleich mit Worten. Worte sind
Waffen, die Leben erhalten und Leben vernichten können; sie brauchen
nicht einmal vergiftet zu sein. Der Sprachkünstler Schnitzler wider den
Sprachkritiker Mauthner, der die Ohnmacht der Worte verkündet hat.
Aber von der weiß in Mauthners Sinne auch Schnitzler. Worte sind
Schwerter, die treffen; nicht Werter, die „treffen“. Worte sind Sieger,
die die Wahrheit vor sich herjagen; nicht Sigel, die sie einfangen.
Worte sind Wechsler im Krieg, die für einen Franc vierzig Pfennig
geben. Und so wäre noch eine Weile mit Wortspielen halbdeutlich zu
machen, welche Assoziationen die wehmütig=überlegene Bildung von
der „Komödie der Worte; in uns aufrollt, wenn diese Bildung was an¬
dres bedeutete als das Dach zu drei mehr oder minder theaterwirk¬
samen Einaktern. Wort=schwangere Anekdoten, zu schade für eine
Festbeilage der Neuen Freien Presse, verlangte es nach der Bühne.
Die Bühne war dankbar für eine neue Arbeit von Arthur Schnitzler.
Nehmen wir die Sache nicht zu feierlich.
Erstens: „Stunde des Erkennens: Ort der Handlung: am Schnitt¬
punkt dreier Lebenswege, der leider unglaubhaft gewählt ist. Profes¬
sor Ormin geht in Pest und Krieg. Nicht deshalb, sondern weil sonst
das Stück nicht in Schwung käme, gesteht ihm Frau Eckold, daß sie ihn
einstmals geliebt, aber, um nicht dem Frauenliebling zum Spielzeug
zu dienen, den unverwöhnten Flöding erhört habe. Ehebruch, scheint
es, muß für sie sein; und sei es aus Mitleid. Und Eckold, der Gatte?
Der wußte vom ersten Tag an Bescheid, hat bis zur Hochzeit der
Tochter — zehn Jahre! — gewartet und entlädt jetzt — nach zehn
Jahren! — seinen ganzen Haß auf die Frau und den stets beneideten.
Hausfreund. Eckolds Irrtum bestärken, daß der Fachrival auch die
Ehe gebrochen, heißt: ihn nachträglich noch einmal tödlich verletzen.
Das leistet mit Wonne das wackere Weib. Dann tut sie, als zöge sie
stolz und frei durch die Tür, die ihr der unversöhnliche Mann ge¬
wiesen. Der gekünstelte Schluß aus einer Voraussetzung, gegen die
nichts zu sagen wäre, wenn Schnitzler die Dame — beileibe nicht be¬
moralisiert, sondern richtig geschildert hätte: als wenig wertvolles
Wesen, das in der Wirrnis der Welt das bequeme Prinzip der Ar¬
beitsteilung befolgt, nämlich an Einem die Seele, am Andern die
Männlichkeit, am Dritten die goldene Praxis geschätzt und genutzt hat.
Aber eigentlich alles deutet darauf hin, daß der Dichter hoch über
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den kleingeistigen, pharisäischen, erstaunlich langsamen Nächer seiner
Ehre diese frischgebackene Schwiegermutter erhoben wissen will — als
eine Frau, die fassungslos zornig vor der Schäbigkeit ihres Ehekumpans
stehen darf. Das darf sie nicht. Ihr geschieht nach Verdienst. Daß
Schnitzler das nicht merkt, daß er der plumpen und laxen Madame,
wo es ihm paßt, mit gutem Gewissen das Recht auf mimosenhafte
Empfindlichkeit einräumt: das macht den Akt schwer erträglich.
Zweitens: „Große Szene. Zu der es nicht schnell genug kommt.
Denn weil Schnitzler auf „Fülle des Lebens“ hält, hat die Frau des
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