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26.1. Konoedie der Norte zyklus box 32/3
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D. M. Z.
Aussohnitt aus:
Nav 1915 Dertache Montans-Zeitung
vom:
Dr. Max Goldschmidt
Verlin
1
Bureau für Zeitungsausschnitte
eeeen greeng verteten Junden.
Telefon: Norden 3051.
BERLIN N.4
00
Ausschnitt aus: Casseler Allgemeine Zeitung
Komödie der Worte
Namentlich in seinem Roman, aber auch sonst hat Schnitzler
3 I. AOV.A
des Motiv vielfach angetönt: das Wort als Schicksal. Von den
drei neuen Einaktern, die unter dem Titel „Komödie der Worte“
zusammengefaßt werden, enthält eigentlich nur der dritte ganz rein
oo Lose Blätter u uo
diese dramatische Dynamik des Wortes. Die Frau des ersten Ein¬
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akters verläßt, wenn man genau hinsieht, ihren Mann nicht, weil
Berliner Erstaufführung. Man schreibt uns
er dies oder jenes Wort gesprochen hätte. Hier ist auch innerlich eine
aus Berlin: Der neueste Schnitzler, die „Komödie der
Trennungsstunde herangereift: seit zehn Jahren weiß der Mann,
Worte“ stellt sich uns äußerlich in dreifachem Ge¬
daß die Frau ihn betrogen, seit zehn Jahren ist sein Gefühl gegen
wande, als drei kleine Einakter, vor. Innerlich ge¬
die Frau — gerade weil er so lange schweigen mußte — vergiftet.
hören sie zusammen. Sie sind eine psychologische
Variation über das Thema, das der Titel mit einer
Möglich wohl, daß er das folgenschwere „Divorcons“ da er es aus¬
leichten tendenziösen Wandlung aufstellt. Der Dich¬
spricht, im Augenblick nicht ganz ernst meint; aber die Fortsetzung
#ter will zeigen, wie wenig Wort und Handeln sich
der Ehe ist hier dennoch kaum mehr vorstellbar. Im zweiten Stück
oft decken, wie die Tat vielfach so ganz anders aus¬
überzeugt der Schauspieler den Bräutigam des verführten Mädchens
fällt als das Wort, wie auf diese Weise häufig
nicht nur mit Worten. Ein gefälschter Brief muß mithalten. Die
„Komödien“ des Lebens entstehen. Psychologisch ge¬
Frau des Schauspielers will ihn verlassen, weil soviel Lüge sie un¬
dacht, sind es zwar eher Tragödien, über die auch ein
witziger Wortschwall nicht hinweg zu täuschen ver¬
erträglich dünkt; dann bleibt sie, weil ein paar abermalige Worte
mag. Es ist eine Tragödie, wenn die Frau des Arz¬
sie an den Reichtum seiner Persönlichkeit erinnern. Aber man ist
Er¬
tes Eckold in dem ersten Stück, „Stunde des
überzeugt: wäre sie gegangen, würde sie wiederkommen. Ueberall
lang
kennens“, erkennen muß, daß sie zehn Jahre
hier scheint das Wort nur die bewegende Kraft. Im dritten Ein¬
neben einem Gatten gelebt hat, der ihr einen Ehe¬
akter ist es sie. Und zwar das Wort, das ungesprochen bleibt.
bruch, den sie nicht begangen hat, nachsagt, wenn sie
Das Wort, das der Liebhaber der Frau zum Manne sagen soll, um
kurz vor dieser Erkenntnis den Geliebten ihres Her¬
zens endgültig abgewiesen hat, weil sie ihrem Gatten
ihre Freiheit zu erwirken; und das er, von der plötzlichen Gegenwart
treu bleiben will. Es ist eine Tragödie, wenn die
des sehr viel Stärkeren erdrückt, nicht auszusprechen vermag...
Frau des Schauspielers Herbot im zweiten Stück
Aber gleichviel, ob es wirklich in strengerem Sinne Komödien
„Große Szene“ nicht die Kraft hat, von ihrem ehe¬
der Worte sind: es sind feine Werke echt schnitzlerischer Kleinkunst,
brecherischen Gatten loszukommen, dessen absolute
stimmungsreich, voll ungezählter Züge des echten Lebens, wie sie
Lügenhaftigkeit und Feigheit sie soeben in der gan¬
S#räueerkennen mußte. Es ist im Grunde ge¬
nommen tragisch, wenn die Frau des Schriftstellers
Staufner im „Bacchusfest“ plötzlich gewahr werden
muß, daß sie ihre Gefühle einem Blödling geschenkt
nur Schnitzler sieht — und voll der wehen, schwermütigen Kraft,
hat und im Begriff war, an ihrem Gatten eine
die alle seine Arbeiten atmen.
Schlechtigkeit zu begehen. Schnitzler findet — von
Bassermann ist im Lessingtheater der Hauptdarsteller.
anderem Gesichtspunkte aus
daß es Komödien
sind. Aber er hat das Komödienhafte vielfach kon¬
Sein verbitterter, resignierender, fast menschenfeindlicher Arzt in der
so
struiert. Man kann ihm nicht immer glauben —
„Stunde des Erkennens“ ist eine Leistung aus Verstehen und Ver¬
namentlich in der „Stunde der Erkenntnis“. Gut ge¬
tiefung. Sein Schauspieler im zweiten Stück ist ein überaus glück¬
lungen ist die „Große Szene“ Hier hatte Albert
licher Griff ins echte Leben, eine Gestalt voll sprudelnder
Bassermann auch den stärksten Erfolg, wenn er auch
Komödianterei und dem sacro egoismo des echten, naiven Künst¬
im dritten Stück als Schriftsteller Staufner ent¬
schieden besser war. Das Komödienhafte liegt dem
lers. Im dritten Einakter, dem „Bacchusfest“, versagt er. Hier
absolut schlichten und wahren Künstler nicht. Die
geht es nicht ohne eine Art von stiller, gebändigter Schönheit. Basser¬
wunde Stelle des Lessingtheaters sind die Frauen.
mann aber kann nicht anders als farbig und beweglich sein; darauf
Lina Lossen als Frau Eckold ging noch an; dagegen
aber ist das Stück nicht eingestellt, und so wirkt er eher zapplig als
waren die beiden anderen tragenden Frauenrollen
lebendig. Der Mann in diesem dritten Einakter ist ein Schrift¬
ungenügend. Die Herren Loos, Forest, Landa und
—steller, der zarte symbolische Theaterstücke schreibt. Es ist ganz
Götz stellten ausgezeichnete Nebenrollen hin. Der
Abend strich haarscharf an einer Panik hin. Ein
richtig, daß Bassermann Schnitzlers Maske andeutet. Aber einen
Pohr der Dampfheizung war geplatzt und der aus¬
Mann, der schnitzlersche Gedanken hat, kann er nicht spielen; spielt
Kretende Dampf täuschte das Zischen einer Feuer¬
er wenigstens hier gewiß nicht. Ein ihm sonst ebenbürtiger Schnitzler¬
spritze vor. Doch konnten die Aufgeregten bald wie¬
spieler ist ausschließlich Forest, in der „Chargenrolle“ eines an.
derberüchigt werden.
Brahm erinnernden Theaterdichters. Die drei Frauen waren die
Lossen, Frau Bassermann und Traute Dumcke,“
Carlsen; diese frisch und rührend, die mittlere undebattierbar
gehaltlos, jene von zu starkem, wenn auch verhaltenem, Pathas.