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26.1. Konoco der Norte zykius
aber es ist ein dichterisches Bekenntnis, das
in edler und doch volkstümlicher Form über
seinen Entstehungsanlaß hinaus allgemeinen
Gedanken und Gefühlen der Zeit zur Be¬
freiung verhilft. Man sollte auf derartige
Gelegenheitswerke, die die Brücke zwischen
daheim und dem Felde schlagen, sorgsamer
achten. Es finden sich gerade jetzt so viele
gesellige Kreise, die dankbar dafür sind,
durch solch ein Band gemeinsamer Freude,
schau.
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Frauer und Tröstung mit denen verbunden
zu sein, die für sie wachen, kämpfen und
leiden. Mir hat leider die Zeit dazu ge¬
andere der Weltliteratur geboren ist, konnte
fehlt, planvoll nach solchen Stücken zu fahn¬
er nicht in das Prokrustesbett zwingen. So¬
den; aber schon unter den von Stümcke
wirkte die Fülle verwirrend und des Zu¬
aufgezählten Zeitschöpfungen, so wahllos sie
schauers halb belohnte Anstrengung, dem
zunächst zusammengestellt sein mögen, wird
Dichter in die Tiefe der letzten Dinge zu
sich bei näherer Prüfung manches finden,
folgen, ermüdend. Der denkwürdige Erfolg,
den das Lessingtheater mit Ibsens „Peer
was die für aktuelle Kriegsstücke übliche
Gynt“ errungen hat, verführte zu einem
Verachtung nicht verdient. Hier nur ein
falschen Analogieschluß. Mit sinnlichen Mitteln
paar flüchtige Hinweise und Winke, wie der
werden in „Peer Gynt“ die Probleme ge¬
Zufall des Findens sie mir an die Hand¬
löst, und wer von der tragikomischen Irr¬
gibt oder auch jene halb unbewußte heim¬
fahrt des neuen Peter Schlemihl ohne Ich
liche Zuneigung, die in solchen ernsten
durchaus nichts versteht, weidet sich an rätsel¬
Tagen ohne unser Zutun wie Tau vom
haften Schönheiten. Die Verballhornung des
Himmel fällt und für die man nun doppelt
„Peer Gynt“ im Königlichen Schauspielhaus
dankbar ist.
und der bedenkliche Erfolg des dortigen
Den Abschied des Sohnes vom Eltern¬
Ibsen=Versüßers (Dietrich Eckart) erweisen,
daß es bei vielen Zuschauern auf Ibsens
hause, von Vater und Mutter, von der Ge¬
Geist nicht ankommt. Realer ist der geschicht¬
liebten und vom Bruder hat uns Otto
liche Hintergrund der Kaiser Julian=Tra¬
Erich Schmidt in ein paar lyrisch¬
gödie, trotzdem aber viel unsinnlicher der
dramatischen Bildern gemalt, die in schlicht
Geisterkampf, der die Dichtung füllt: der
menschlichen Zügen, und doch mit einer schier
Kampf zwischen dem Schönheitsglück der
religiösen Verklärung ins Ewige, die Ge¬
Antike und dem schmerzlichen Mitleid des
fühle der Trennung, des Opfermuts und
Nazareners, dem Kampf zwischen Erkenntnis
der Todesbereitschaft zum Ausdruck bringen:
und Glauben, der mit der Prophezie des
Unterganges der Götter und des Gottes und
Eure Liebe wird mich begleiten.
mit der Verkündigung einer neuen Morgen¬
Bleibt mir gesund. Ich schütze das Haus. —
röte endigt. In die Zeit, die aus den Fugen
Hätt'st du uns, Gott, nicht dieses Lieben
ist, ward der Grübler Julian gestellt, ohn¬
In unser Herz gegossen, so würden
mächtig, sie einzurichten. Eine Hamletnatur
Wir uns nicht opfern. So lassen Haus wir,
von noch blässerer Farbe des Gedankens.
Eltern, Geschwister, Geliebte plötzlich.
Die Spielleitung Viktor Baranowskys er¬
Sehen vielleicht nie wieder den ruhigen Abend?
haschte hie und da ein Bild und einen Ein¬
druck, die den Kennern, aber nur diesen,
Freude bereitete. Doch auch wer beschlagen
war im Buche Ibsens, hatte die Verdunke¬
lung großer Strecken der geistigen Landschaft
zu bedauern. Und dann war es mehr als
(Cueienangabe onne Gewähr.)
ein Mißgriff, war's ein Verhängnis geradezu,
Osterreichische Rundschau, Wien
die Lampenmotte Julian dem sonnigen Char¬
sschnitt aus:
meur Harry Walden auszuliefern! Er machte
den Apostaten im Wesenhaften unkenntlich,
15 GANUAR 1316
machte aus ihm einen koketten Schwere¬
m:
nöter, einen philosophisch geschminkten Salon¬
löwen, der überdies seine Fremdheit in höheren
Berliner Theate¬
Bezirken mit unerlaubter Textunsicherheit
Ibsens (Käiser und Galttäer“ im
verriet.
Lessingtheater war eine deutsche Urauf¬
Eine Neuheit für Berlin und die meisten
führung. Denn an beide Teile der riesen¬
deutschen Bühnen war auch „Ritter Bengts
haften Welttragödie hatte sich noch keine
Gattin“, eines von den älteren Schauspielen
Bühne gewagt. Hier versuchte man's an
Strindbergs. Seit er tot ist, wird der große
einem fünfstündigen Abend mit der Be¬
Schwede eifrig gepflegt. Sogar um die schreck¬
arbeitung von Roman Woerner, die aus den
lichste seiner Ehetragödien, den „Vater“ ent¬
fünf ungeheuerlichen Akten des ersten Teiles
brannte vor kurzem der Wettbewerb der
drei — aus dem gleichen Umfang des zweiten
Reinhardt= und der Meinhard=Bernauer¬
Teiles zwei Akte machte. Notdürftig hat der
Bühnen. Im Schiller=Theater sahen nun die
Dramaturg den Zusammenhang der Begeben¬
auf's Gruseln eingerichteten Gäste den sanf¬
heiten hergestellt. Den philosophischen Geist
teren Strindberg. Wohl warf er schon in
aber, aus dem diese Dichtung wie kaum eine „Ritter Bengts Gattin“ einen Fehdehand¬