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26. 1. Kongedie der NorteZpklus
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„suriter TUOAu s
BERLIN SO 16. RUNGESTRASSE 22-24
Verian
Die große nationale Tageezeitung
Ausschnitt aus der Nommer prm¬
3 - MAl 124
(Die Komödie der Worte.“
Kammerspiele.
Arthur Schnitzler, der Dichter, und
Albert Bassermann, der Schauspieler,
hatten sich am Donnerstagabend innerlichst ge¬
sunden und kamen Hand in Hand geschlungen,
treumusisch miteinander vereinigt. Ein Herz,
eine Seele, eime Kunst. Beide vor allem auch
Meister und Vicktnosen der Wortkünste und Wort¬
komödien. Schnitzlersche Dialoge und Piaude¬
reien, Heiterkeiten und Ironien, Gefühle, Emp¬
findsamkeiten, Launen und Koketterien, flim¬
mernde, flatternde Wortfreude und Gesprächs¬
equilibristik werden in Bassermanns Mund zu
blühendsten Sinnlichkeiten, zu Lauten und Tönen,
zu Glanz und Schimmer, zum buntesten, ab¬
wechslungsreichsten Farbenspiel und allen Leucht¬
zaubern quillender künstlerischer Sprechseligkeiten.
Und das Wort wird ausdrucksvollste Mimik. Ge¬
bärdenmusik, Leibesspiel, Geste, Bewegung,
Glieberrausch, —
dus Wort wird Gestalt und
Mensch, und die Vorkomödie springlustige fröh¬
liche Menschenkomödie.
In
drei Einaktern mit pompösen Titeln
„Stunde des Erkennens", „Große
Szene“, „Ein Bacchusfest“, amüsiert sich
mit einem halben Tränkein im Auge und einem
dreifachen Lächeln auf den Lippen Arthur
Schnitzler in besten und reinsten Schnitzlerworten
über seinen Grund und Urstoff: über die mo¬
derne Ehe, die nicht viel Pompöses an sich hat,
wo die Stunde des Erkennens nur ergibt, daß
nicht viel mehr dahinter steckt, die großen Szenen
klein geworden sind und die bacchischen Geister
als stille, harmlose Hausgenossen nur noch ein
bißchen Unfug treiben. Alle Ehe nur noch Ehelei.
Am lustigsten, sorglosesten geht es in der Schau¬
spielerehe in der „Großen Szene“ zu, und die
Schnitzlerschen die Bassermannschen Humore
leuchteten hier am fröhlichsten und freiesten her¬
auf. Dichter und Darsteller schwammen in den
tiefsten Gewässern ihrer Kunst, und Publikum in
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höchsten Freuden und Seligkeiten. Die Schau¬
spielerehe ist die beste Schnitzlersche Ehe= und
Wortkomödie, — nur noch Komödie. Basser¬
manns Sonne glühte und sunkelte, und der
Schauspieler sprühte seine „Große Szene“ mit
allen Feuern und Sprungkräften, am goldensten,
wenn er die Naivitäten und die Kindesseele im
Genie des großen Mimen Konrad Herbot hold¬
selig sich entfalten läßt, denen erlaubt ist, was
gefällt, deren Liebeln und Lügen selbst die
Dulderin Ehegattin völlig entwaffnen muß. Als
Arzt Dr. Karl Eckold schuf der Künstler in der
„Stunde des Erkennens“ eine scharfe Charakter¬
figur voller Feinheiten, einen verböserten, ver¬
gifteteren, kleinlicheren, boshaft=tückischen Ibsen¬
schen Dr. Helmer, der sich für den Fehltritt seiner4
Nora nachträglich nach zehn Jahren rächt, um
seine Rache recht kalt zu verspeisen. Am flauesten
sah am Abend wohl das Bacchusfest drein; es ist
am meisten Wort geblieben, und am wenigsten
Gestalt geworden. Das Schauspiel der Schrift¬
stellerehe nimmt sich wohl in dem ausgelassenen
Lustspiel der Schauspielerehe und der tragischer
umflorten Arztehe am ausdruckslosesten, harm¬
losesten und herkömmlichsten aus. Es bedarf schon
der ganzen Kunst Bassermanns, um hier noch
einen dritten Typ Ehemann herzustellen.
aber
Schnitzler bietet ihm doch zu wenig Material zur
Gestaltung.
Julia Serda, Paul Bildt, Else
Bassermann, Martin Gien, Nun¬
berg waren recht tüchtig,
hatten aber nicht
viel mehr zu tun, als Bassermann nur Hand¬
langerdienste zu leisten.
Julius Hart.