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25. Professor Bernhandi
Aussbumm aue
Wzigiz Mühiisches Tagbiatt, Oimäu!
vom:
(„Professor Bernhardi“ von Schnitzler.)
Heute abends liest Ferdinand Onno vom
deutschen Volkstheater in Wien den „Professor
Bernhardi“ von Schnitzler, eine Komödie, jecoch
nicht in dem Sinne, daß dieses Stück durch
witzige Einfälle, drastische Situationen und
Pikanterie die Hörer belustigen wollte. Der
Dichter führt uns vielmehr ein Lebensschicksal vor,
mit seinen Begleiterscheinungen und allen jenen
Typen, die es verursachen, beeinflußen, ausbeuten.
Ein Stück wirklichen Lebens. Und dieses ist eine
Komödie, — wird eine Komödie, durch die
handelnden scharf umrissenen, typisch komödien¬
haften Charaktere: Gelehrte, Aerzte, Minister. ##
Hofräte, Journalisten. So'che finden wir jo
um uns nur zu häufig, nur allzu oft sehen,
erleben wir solches und ähnliches um uns,
spielen wir doch alle selbst Komödien. Darum
ist diese Komödie tief ernst, voll sichtichen
Gehaltes und würdiger über die Bretter zu
(gehen, als so manche Operette, belehrend durch
die Lebenswahrheiten, die es enthält, die nicht
nur für Österreich gelten, sondern überall
mehr oder weniger scharf in die Erscheinung.
treten, dabei unterhaltend, anregend, span¬
nend, voll trockenen Humors und ätzenden
Satyre. Religiöse Gefühle, — das hat ja die
Zensur zugegeben — werden darin in keiner
Weise verletzt; im Gegenteile! Gerade die
pflichttreue charaktervolle Haltung des Pfar¬
rers, als des Vollstreckers einer religios weihel
vollen Handlung, als des echten Dieners der
Religion, der in liebevoller Milde auch eine
andere Lebens= und Pflichtauffassung verstels,
wird in das rechte Licht gesetzt. Der ehrlose
Streber, der nach Titeln haschende Gelehrte,
der mit nationaler Gesinnung Wuchernde, der
mit Religion Handel treibende Getaufte, der
kriecherische, jüdische Streber, wie auch der sich
selbst genügende Gelehrte, der überzeugungs¬
treue Mann, sind lebenswahre Gestalten.
Wahres setzt sich früher oder später doch durch
und so wird auch dieses Werk aus dem
Exile der Zensur seinen Weg ins Freie ma¬
chen. Jedenfalls ist es ein Verdienst des Jü¬
disch=literarischen Vereines, in dessen Rahmen
es schon wegen der darin behandelten Jnden¬
frage fällt, diese Vorlesung hier möglich ge¬
macht zu haben.
A.
box 30//3
Iacn0 — —
Mahrieches Tagblatt, Grmat.
Lueschnitt aus:
3- MNT 197
FaM:
1#
(Schnitzkers „Professor Bernhardi.“)
De echrkunfterische Ark, in der Herr Ferdi¬
nand Onno vom deutschen Volkstheater in
Wien diese Komödie Schnitzlers am vergan¬
genen Samstag im deutschen Kasino vor dem
Publikum des jüd. lit. Vereines vorlas, war
in der Tat ein respektables Surrogat für eine
Aufführung im Theater, die bekanntlich noch
immer von der Zensur inhibiert ist. Herr
Onno disserenziert die handelnden Personen
wohl weniger durch drastischen Wechsel stimm¬
licher Register, als vielmehr durch eine gewisse
biskrete Darstellung jeder einzelnen Person,
lauch durch mimische Behelfe, ohne dabei die
Grenzen zu überschreiten, die für den gewieg¬
iten Rezitator durch die künstlerische Erkennt¬
znis gezogen sind, daß ein Vortragspodium
seben ein Podium und keine Bühne ist. Durch
sdiese Kunst, vorzulesen, vorlesend darzustellen
dem
loder — vie eicht noch besser gesagt:
gesprochenen Worte plastische Wirkungen ab¬
jzuringen: trat das Werk, Szene für Szene,
in das Vorstellungsvermögen des Audito¬
sriums, für dessen geistiges Auge und Phan¬
stasie solcherart die wirksamsten Szenenbilder
zintuitiv geschafsen werden. Wir schreiben es
dem jüdisch=iterarischen Vereine direkt als ein
Tat an, daß er diese Vorlesung inaugurierte,
sind aber aus prinzipiellen Gründen nicht in
der Lage, diese Vorlesung als eine Ar#¬

Olmützer Premiere aufzufassen: wir erwar¬
ten diese Erstaufführung durch das Olmützer#
Stadtthealer. War doch gerade diese, ausge¬
9
zeichnete Vorle ung dazu wie geschaffen, die
ganze erbärmliche Haltlosigkeit des hinterwäld¬
lerischen Stan punktes greu zu beleuchten, auf
den sich die österreichische Zensur zu diesem
Stücke steilt, das in Deutschland volle Thea¬
terhäuser erzengt. Als ob nur gerade das
Ausland darüber unterrichtet werden dürfte,
wie ein österreichischer Dichter über die gewisse
„Liberalität“ österreichischer Minister mit künst¬
lerischem Ernste denkt, wo diese ministerielle
„Liberalität“, schon längst das sterertype
Steckenperd der Witzblätter werden
mußte. Es trifst sich just recht gut, daß wir
heute an leitender Stelle der vorliegenden
Nummer einen Ausspruch des gegenwärtigen
Ministerpräsidenten, des Grafen Stürgkh,
1
i sthalten können, der drastischer, ursprüng¬
licher und niederschmetternder, als es irgend
eine Komödie vermöchte, dieselben traurigen
Wahrheiten mit verblüfsender Brutalität auf¬
ro#t, die Schnigler nur mit künstlerischer Fein¬
heit aufzeigt. Und dann — was das kultur¬
kämpferische Motiv der Komödie betrifft, muß
gesagt werden, daß auch hier das Zensur¬
Verbot vor der künstlerischen Objektivität, die
Schnizlers Komödie ausstrahlt, über kurz
oder lang zusammenbrechen muß. Eine Zen¬
fur, die sich an literarischen Werten
vergreift, scheint die Absicht zu haben sich vor
ganz Europa lächerlich machen zu wollen. Sie
wird zu der biteren Einsicht kommen, daß
diese Vorlesungen Onno's nicht etwa Vor¬
schubleintungen für ihr törichtes Vorhaben sind,
sondern vielme,